Kläranlagen leisten wichtigen Beitrag zum Gesundheitsschutz
17 Juli 2020
Gezieltes Monitoring von Abwasser könnte als Frühwarnsystem für die Ausbreitung neuer Infektionsherde in der Corona-Pandemie dienen und die bestehenden Maßnahmen ergänzen.
Ein Kommentar von Elena Joel, Prof. Steffen Krause und Prof. Christian Schaum, Professur für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik
Abwasser enthält neben anderen Schadstoffen eine Vielzahl an Keimen und Erregern, die nicht nur Durchfälle, sondern auch Krankheiten wie Cholera, Ruhr, Typhus und Polio auslösen können. Weltweit werden nur etwa 20 % des Abwassers in Kläranlagen behandelt – der Rest gelangt unbehandelt in die Umwelt. Dies führt dazu, dass laut dem UN Weltwasserbericht 2020 rund 1,8 Milliarden Menschen eine mit Fäkalien kontaminierte Trinkwasserquelle nutzen müssen und sich damit einem hohen Gesundheitsrisiko aussetzen. So sterben nach Angaben der UN jedes Jahr allein etwa 850.000 Menschen an Durchfallerkrankungen, die durch verunreinigtes Wasser verursacht wurden.
Gleichzeitig lassen sich aus den im Abwasser enthaltenen Stoffen eine Vielzahl an Rückschlüssen ziehen – denn die Abbauprodukte von Vielem, was wir zu uns nehmen und was sich in unserem Körper abspielt, scheiden wir über unseren Kot und Urin wieder aus. Die gezielte Überwachung des Abwassers auf bestimmte Stoffe oder Abbauprodukte ist keine neue Idee. Sie wurde in der Vergangenheit bereits beispielsweise im Rahmen von Studien zum Drogenkonsum angewandt.
Abwasserüberwachung als Corona-Frühwarnsystem?
Um die Ausbreitung des Corona-Virus einzuschränken ist es wichtig, infizierte Personen möglichst frühzeitig zu identifizieren und zu isolieren. Eine Herausforderung dabei ist jedoch die rechtzeitige Erkennung neuer Ausbrüche, da viele Infizierte keine oder nur milde Symptome entwickeln und das Virus somit unerkannt weitergeben können.
Ein Lösungsansatz dieses Problems könnte im Abwasser liegen, denn mit Sars-CoV-2 infizierte Personen scheiden Erbgutreste des Virus über den Kot aus. Dieses Erbgut, die RNA des Virus, ist im Abwasser nachweisbar, wie Studien niederländischer Forscher gezeigt haben. Nach derzeitigem Forschungsstand ist das Virus im Abwasser nicht infektiös.
Das gezielte Monitoring des Abwassers könnte somit als Frühwarnsystem für die Ausbreitung neuer Infektionsherde in der Corona-Pandemie dienen und die bestehenden Maßnahmen wie Tests und die Corona-Warn-App ergänzen. Neben Forschungsgruppen in den USA, den Niederlanden und Österreich arbeitet auch in Deutschland ein Konsortium aus mehreren Universitäten, Forschungseinrichtungen und Kläranlagenbetreibern daran, aus repräsentativen Abwasserproben auf den Infektionsgrad in der Bevölkerung zu schließen.
Repräsentative Probenahme und -aufbereitung sind entscheidend
Dies ist allerdings nicht ganz so einfach. Will man von der Konzentration der Corona-Virus RNA im Zulauf der Kläranlage auf den Infektionsgrad der Bevölkerung schließen, stellt sich zunächst die Frage, wie viel Virus-RNA eine infizierte Person ausscheidet und inwiefern diese Ausscheidungsrate von Person zu Person schwankt. Außerdem variiert auch die Menge an Abwasser, das an der Kläranlage ankommt, je nach Tageszeit und Wetter, was sich ebenfalls auf die Konzentration der Virenlast im Abwasser auswirkt. Es stellt sich auch die Frage, wieviel der ausgeschiedenen Viren-RNA überhaupt in der Kläranlage ankommt, d.h. ob Transportprozesse und Rückhalt im Abwasserkanal eine Rolle spielen. All diese Aspekte müssen bei der Probenahme und Auswertung berücksichtigt werden. Eine weitere Herausforderung ist die Empfindlichkeit der Nachweisverfahren. Die Konzentration der Virus-RNA im Abwasser ist sehr gering und liegt unterhalb der Nachweisgrenze der gängigen Verfahren. Eine entsprechende Probenaufbereitung und Aufkonzentrierung ist daher notwendig.
Forschungsfeld Siedlungswasserwirtschaft
Fragestellungen der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung sind mit einer Vielzahl von Aspekten wie Gesundheit, Hygiene, Ressourcenschutz und Notfallvorsoge verknüpft. Die Professur für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik der Universität der Bundeswehr München befasst sich in unterschiedlichen aktuellen Forschungsvorhaben damit. So widmet sich NOWATER, ein neues BMBF-Forschungsvorhaben, das von der Professur für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik koordiniert wird, der Notfallvorsorgeplanung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung von Krankenhäusern. In einem weiteren Projekt, dem EU-Horizon 2020 Vorhaben SYSTEM, befasst sich die Professur mit der Ausbreitung und dem Transport von im Abwasser gelösten Substanzen im Kanal.
Weitere Informationen zur Professur für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik finden Sie hier >>
Titelbild: © iStockphoto / format 35