
Vereinbarung für Rüstungsbeschaffung der Zukunft
2 April 2025
Präsidentin Prof. Eva-Maria Kern unterzeichnet eine Vereinbarung für die künftige Gestaltung der Beschaffung der Bundeswehr.
Im Beisein von Staatssekretär Benedikt Zimmer unterzeichneten am 25. März in Berlin der Abteilungsleiter Rüstung im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) Vizeadmiral Carsten Stawitzki, der Vizepräsident des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) Ralph Herzog sowie die Präsidentin der Universität der Bundeswehr München (UniBw M) Prof. Eva-Maria Kern eine Vereinbarung zur Stärkung der Vernetzung von Wissenschaft und Beschaffungswesen der Bundeswehr. Ziel und Inhalt dieser Erklärung ist die Absicht, auch künftig intensiv an der Weiterentwicklung der Rüstungsbeschaffung zu arbeiten und diese Anstrengungen wissenschaftlich unterstützen zu lassen.
Der Rahmen der Unterzeichnung bestand aus einem Symposium zum Thema „Perspektiven der (Rüstungs-)Beschaffung der Zukunft“. Die Weiterentwicklung der Regularien, die Digitalisierung der Prozesse und die strategische Ausrichtung der Rüstungsbeschaffung standen beim Symposium im Vordergrund. Basis ist die Verknüpfung technischer, juristischer und wirtschaftlicher Kompetenzen zur Bewältigung der Aufgaben in der Steuerung der Lieferantenbasis für eine wirkungsvolle, gut ausgestattete Bundeswehr.
Das Symposium wurde in Kooperation durch das vom BMVg und der UniBw M getragene Wehrwirtschaftliche Kompetenzzentrum Defence Acquisition & Supply Management (WKompZ DASM) organisiert. Unter Leitung von Prof. Michael Eßig und Dr. Andreas Glas wird dort mit und für die Bundeswehr wehrwirtschaftswissenschaftliche Beschaffungsforschung betrieben.
„Gut einkaufen“ für die Bundeswehr
Zum Auftakt der Veranstaltung ordnete Staatssekretär Zimmer das Symposium in die aktuelle Lage ein. Das Ziel aller Anstrengungen sei letztlich die Stärkung einer kriegstüchtigen Bundeswehr. Insgesamt sei dies eine enorm anspruchsvolle Aufgabe, welche sich nicht nur auf die Frage der Finanzierung reduzieren lässt. Die schrumpfende Lieferantenbasis der Bundeswehr müsse in kürzester Zeit ertüchtigt werden, um quantitativ wie qualitativ liefern zu können, was in den nächsten Jahren benötigt werde. Das Spektrum reiche vom Großprojekt bis zu Massenartikeln, vom Standardgut bis zu technologisch hoch innovativen Systemen.
Seit Einrichtung des Sondervermögens hat die Bundeswehr mit allen beteiligten Stellen noch nie so viele Vorlagen, Verträge und Projekte bewältigt. Staatssekretär Zimmer dankte allen Beteiligten für diese Leistung und machte deutlich, dass Schnelligkeit, Qualität und Innovation auch künftig wichtige Aspekte für die Bundeswehrbeschaffung sein werden. Gerade deshalb sei es sinnvoll, sich darüber Gedanken zu machen, wie Beschaffung in Zukunft gestaltet werden könne.
Beschaffung ist strategisch relevante Funktion
In seinem Impulsvortrag skizzierte der Abteilungsleiter Rüstung Vizeadmiral Stawitzki den strategischen Rahmen, in dem sich erfolgreiche Rüstungsbeschaffung bewegen soll. Gerade die Rüstung habe einen wesentlichen Anteil an der Kriegstüchtigkeit durch die Beschaffung von neuen Systemen für praktisch alle Bereiche der Bundeswehr. „Dazu braucht es gute und auf die aktuellen Herausforderungen angepasste Rahmenbedingungen“, erklärte Vizeadmiral Stawitzki. So seien beispielsweise in der nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie die Schwerpunkte auf Resilienz und Kapazität der Rüstungsindustrie sowie die Absicherung von Schlüsseltechnologien gelegt worden.
„Aber auch der Fokus auf marktverfügbare Produkte und stringentes Forderungscontrolling hilft im Verbund mit Partnern einzukaufen und so Mengeneffekte zu realisieren. Schließlich bilden diese Komponenten den Schlüssel für ein geeintes Europa in Frieden“, so der Abteilungsleiter Rüstung. Hierzu leiste die Forschung der UniBw M bedeutende Beiträge im Kontext der rüstungspolitischen Zeitenwende. Vizeadmiral Stawitzki verwies auf die wertvollen Impulse der UniBw M und betonte abschließend die hohe Bedeutung der wehrwirtschaftlichen Forschung im Kontext des komplexen Beschaffungsprozesses.
Umsetzung: Rasche Bedarfsdeckung für die Bundeswehr
„Das für die Beschaffung zuständige Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr stellt sich diesen Herausforderungen“, so der anwesende Vizepräsident Ralph Herzog. Ferner verwies er in seinem Vortrag auf messbare und nachgewiesene schnellere Bedarfsdeckung in den vergangenen Jahren. Hierbei, so Herzog, sei es ein Trugschluss, einzig den schnellen Haushaltsmittelabfluss als diktierenden Faktor in den Vordergrund zu stellen. Dies lasse industrielle Lieferzeiten außen vor.
In seinem Impulsvortrag reflektierte er das bewältigte Beschaffungsvolumen für die rund 2.100 Projekte in Nutzung, die extrem hohe Anzahl an 25-Millionen-Euro-Vorlagen und die hohe Zahl an Auftragsvergaben. Dabei setzte er wichtige Akzente, indem betonte wurde, dass das BAAINBw gerade durch die hohe inhaltlich-technische und auch juristische Kompetenz im Verbund erfolgreich wirke. Eine hohe Orientierung an den Bedarfen der Bundeswehr einerseits, aber auch an den Märkten andererseits sei hier der Schlüssel für die Gestaltung der Rüstungsbeschaffung der Zukunft.
Intensiver Austausch zu Beschaffungsfragen
Die Bundeswehr nutzte das Symposium zudem für den beschaffungsfachlichen Austausch mit öffentlichen Auftraggebern und Fachverbänden, die in der Beschaffung vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Dazu gehört zum Beispiel Christoph Ledl, Einkaufsleiter der Stadtwerke München, des größten öffentlichen Stadtwerks in Europa und eine der großen Einkaufsorganisationen für langlebige Investitionsgüter. Er verwies in seinem Impulsvortrag auf die vielen Gemeinsamkeiten und ähnlichen Herausforderungen mit der Bundeswehr in Beschaffungsfragen: Wie lassen sich auf engen Beschaffungsmärkten mit langen Lebenszyklen von Investitionsgütern leistungsfähige Lieferanten im Wettbewerb identifizieren? Welche Lösungsansätze gibt es für die Herausforderungen bei der Versorgung mit kritischen Rohstoffen bei globalen Lieferketten?
Parallel zu den großen Beschaffungsvorhaben bewältigt die Einkaufsorganisation der Bundeswehr auch große Mengen kleinvolumiger Einkäufe. Dementsprechend legte Felix Zimmermann vom Bundesministerium des Inneren seinen Schwerpunkt auf die Digitalisierung von Beschaffungsprozessen – diese soll vor allem der Automatisierung dienen und Potenziale erschließen, weiter in strategische Aufgaben investieren zu können. Er skizzierte einen Lösungsansatz aus technischen Elementen und vergaberechtlichen Erleichterungen bei der Nutzung elektronischer Marktplatzlösungen, welche öffentliche Auftraggeber massiv entlasten kann.
Abschließend betonte Dr. Lars Kleeberg als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) wie wichtig das Verständnis der Beschaffung als „echte“ Profession sei. Nicht zuletzt anhand eigener Erfahrungen mit den zahllosen Beschaffungsorganisationen in den Mitgliedsunternehmen seines Verbandes, aber auch mit Hilfe übergreifender Initiativen wie dem Kompetenzprofil „ProcurCompEU“ der Europäischen Kommission verdeutlichte er die Bedeutung der Kompetenz-Weiterentwicklung entlang technischer, wirtschaftlicher und juristischer Dimensionen im Fachgebiet Beschaffung. Er führte zudem aus, dass die Einkaufsverbände zunehmend auch international an passenden Kompetenzprofilen und Weiterbildungsangeboten für Rüstungsbeschaffer arbeiten.
Stärkere Vernetzung von Wissenschaft und Praxis
Das beschaffungsfachliche Wissen nutzbar zu machen war dann der Leitfaden des Impulsvortrags von Prof. Michael Eßig von der UniBw M. Statt spektakulärer Einzelfälle aufzuzeigen, gelte es, die Weiterentwicklung von Beschaffungssystemen daten- und evidenzbasiert anzugehen. Das erfordere eine weitaus differenziertere Betrachtung von Beschaffungsmärkten als bisher. Am Beispiel konkreter Analysen werde deutlich, dass es „den“ Beschaffungsmarkt in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie nicht gebe, sondern die Bandbreite unterschiedlichster Produkte (Flugzeuge, Schiffe, Bekleidung, IT etc.) und unterschiedlichster Zielsysteme (Kosten, Qualität, Zeit, Innovation) eine portfoliobasierte strategische Ausrichtung der Beschaffung erforderlich mache. An konkreten Beispielen von neueren Forschungsergebnissen, beispielsweise zu Beschaffungsstrategien und anreizbasierten Verträgen (Performance Based Contracting), zu Lieferantenmanagement und der Nutzung neuer Technologien wie 3D-Druck oder digitaler Zwillinge in der Beschaffung, wurde der Bogen von Prof. Eßig geschlagen.
Nachwuchs unterstützt Wissensgebiete
Der wissenschaftliche Nachwuchs unterstützt bereits mit zehn Doktorandinnen und Doktoranden im Themenfeld Beschaffung an der UniBw M aktiv und unterstützt mit seinen Arbeiten konkrete Wissensgebiete von hoher Relevanz für die Rüstung. Ob der Einsatz Künstlicher Intelligenz, die Berücksichtigung von Innovations-Dienstleistern oder neue Vertragsformen – der Strauß an Themen war bunt.
Durch den Anstieg der Beschaffungsvorhaben bei aktuell noch begrenzten Lieferkapazitäten war das Thema des Symposiums aktueller denn je. Die Rüstungsbeschaffung fit zu machen für die Zukunft ist eine gemeinsame Aufgabe von Praxis und Wissenschaft.
Titelbild: Staatssekretär Zimmer (stehend), Vizeadmiral Stawitzki (l.), Prof. Kern (m.) und Vizepräsident des BAAINBw Herzog (r.) bei der Unterzeichnung (© BMVg)