Kommentar: Die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer
16 Juni 2020
Kann das Konjunkturpaket und die darin enthaltene Mehrwertsteuersenkung der Bundesregierung eine Entlastung für die Bevölkerung bringen?
Ein Kommentar von Prof. Stefan D. Josten, Professur für VWL, insbes. Finanzwissenschaft und soziale Sicherungssysteme
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie treffen Deutschland mit voller Wucht: Nach jüngsten Berechnungen wird das Bruttoinlandsprodukt im Jahresdurchschnitt um bis zu 9% schrumpfen, die Arbeitslosenquote um 1 ½ Prozentpunkte ansteigen; das wäre ein historisch fast einmaliger Einbruch in der ökonomischen Aktivitätsentfaltung, den es in einer solchen Stärke zuvor nur während der Weltwirtschaftskrise von 1929 gegeben hat. Die Gründe für diesen dramatischen Einbruch: Die wirtschaftliche Krise ist weltumspannend, sie ist ein negativer Schock auf der gesamtwirtschaftlichen Angebots- und der gesamtwirtschaftlichen Nachfrageseite gleichzeitig, sie trifft nahezu alle Branchen und schwächt sowohl die Export- wie auch die Binnennachfrage.
Als Antwort auf diese Krise hat die Bundesregierung ein umfassendes Konjunkturpaket beschlossen: Es umfasst 57 einzelne Maßnahmen in einem Gesamtvolumen von 130 Milliarden €, aufgeteilt auf die Haushaltsjahre 2020 und 2021. Das Herzstück dieses Konjunkturprogramms bildet eine auf 6 Monate (01.07. bis 31.12.2020) befristete Senkung der Mehrwertsteuersteuersätze von 19 auf 16 % bzw. von 7 auf 5%.
Maßnahme mit wirtschaftsweiter Breitenwirkung
Prinzipiell ist diese Maßnahme aus mehreren Gründen zu begrüßen: Die Senkung der allgemeinen Umsatzsteuer kann eine wirtschaftsweite Breitenwirkung entfalten, anstatt – wie die zuvor diskutierten Gutschein- und Prämieninstrumente – nur bestimmte Branchen zu fördern. Sie entlastet zudem überproportional stark Personen mit niedrigen Einkommen, die einen großen Teil ihrer verfügbaren Mittel für den Lebensunterhalt ausgeben. Die befristete Mehrwertsteuersenkung kann kurzfristig den Konsum und damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anregen.
Zeitraum für Senkungen eventuell zu kurz
Abzuwarten bleibt allerdings, ob und in welchem Umfang die temporäre Senkung der Mehrwertsteuersätze von den Unternehmen in den Preisen an die Verbraucher weitergegeben wird sowie ob die aktuell abwartende Haltung beim privaten Konsum nicht eher auf nach wie vor unsichere Zukunftserwartungen („2.Welle“, Angst um Arbeitsplatz, etc.) als auf zu niedrige verfügbare Einkommen zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund könnte sich auch die gesetzte Auslauffrist der Maßnahme möglicherweise als zu kurz erweisen: Sollte sich nämlich bis 2021 nicht eine sich selbst tragende Erholung der Konjunktur eingestellt haben, wird das Auslaufen der Steuersatzsenkungen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stabilitätswidrig schwächen.
Weitere Informationen zur Professur finden Sie unter: https://www.unibw.de/finanzwissenschaft/forschung
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