Beitrag von Professor Kaiser zu "Homeoffice in Krisenzeiten – ein Realexperiment"
7 April 2020
Die Corona-Krise führt aktuell dazu, dass mehr Menschen als je zuvor im Homeoffice arbeiten. Es lassen sich deshalb Stimmen vernehmen, die darin einen langfristigen Durchbruch des mobilen Arbeitens vermuten und von einem enormen Schub für die Digitalisierung der Arbeitswelt sprechen. Wie nachhaltig werden diese veränderten Arbeitsweisen aber sein? Werden wir auch nach der Corona-Krise mehr als zuvor im Homeoffice arbeiten?
Ein Beitrag von Prof. Stephan Kaiser, Professur für Personalmanagement und Organisation auf den Internetseiten der Universität der Bundeswehr München
Ohne Frage arbeiten aktuell Menschen digital und virtuell zusammen, die dies zuvor noch nie oder nur selten getan haben und vor allem nicht innerhalb der eigenen vier Wände. Lösungen wie Zoom, Skype oder Microsoft Teams, um nur einige zu nennen, erleben deshalb einen nie dagewesenen Boom. Dabei war doch vor Corona das Homeoffice nur ausgewählten Mitarbeitenden vorbehalten: Personen, die bestimmte Aufgaben hatten, die sich eben auch von zuhause aus erledigen lassen, die hierfür eine technische Ausstattung und entsprechende Kompetenzen hatten, häufig für Teilzeitkräfte, für die aus Kostengründen kein eigener Büroarbeitsplatz in der Firma eingerichtet wurde. Und für all diejenigen, die aus Vereinbarkeitsgründen darauf gedrängt haben, von zuhause aus arbeiten zu dürfen.
„Es geht nicht anders“
Dies ist nun alles deutlich anders: Auf einmal arbeiten viele von zuhause, egal, ob sie das wollen oder nicht, egal, ob sie dafür die optimale technische Ausstattung, die notwendigen IT-Kenntnisse und egal, ob sich die Arbeitsaufgaben dafür überhaupt eignen: „Es geht halt nicht anders.“ Dadurch werden viele Lernprozesse angestoßen, deren Ergebnisse auch nach der Krise noch dazu führen werden, dass mehr Menschen als zuvor, potenziell im Homeoffice arbeiten werden. Man kann also in Teilen von einem Siegeszug des Homeoffice sprechen. Allerdings lassen sich auch Punkte anführen, die daran auch Zweifel aufkommen lassen. Ein wichtiger Punkt ist hierbei die sogenannte Segmentationspräferenz von Menschen. Was ist damit gemeint? Wir wissen, dass Mitarbeitende unterschiedliche Wünsche dahingehend haben, wie sie mit ihren Rollen in Arbeit und Privatleben umgehen, d.h. diese trennen oder vereinen wollen. Einige Menschen möchten diese Rollen gerne integrieren, um möglichst flexibel zwischen privaten und beruflichen Rollen zu wechseln. Das sind die Personen, die auch bisher schon gern mobil und im Homeoffice gearbeitet haben, um etwa Haushalt, Kinderbetreuung und Job flexibel zu gestalten. Andere Menschen aber sind so genannte Segmentierer, sie wollen diese Rollen strikt trennen: Arbeit ist Arbeit, Freizeit ist Freizeit. Für diese Personen mit starker Segmentationspräferenz ist das Homeoffice alles andere als optimal und erzeugt einen hohen Stresslevel. Dies gilt in Corona-Zeiten umso mehr, da je nach familiärer Situation zusätzlich noch der Partner und die Kinder vor Ort sind und alternative Rollenerwartungen kommunizieren, die sich schwer in Einklang bringen lassen.
Austausch von implizitem Wissen
Zu bedenken ist auch, dass manche Menschen grundlegend wenig Affinität zu Technik haben. Diese fehlende Nähe etwa zu Online-Kommunikationslösungen wird sich auch durch die Corona-Krise nicht fundamental verändern und dazu führen, dass einige lieber wieder ins Büro gehen. Wir wissen zudem, dass das Arbeiten im Homeoffice auch zu sozialer Distanz, wenn nicht sogar Isolation führen kann, ein weiter Grund die Nähe vor Ort im Büro zu suchen. Auch die Firmen selbst, die nun vielleicht an die Einsparung von weiteren Büroflächen denken, profitieren, wenn Mitarbeitende wieder vor Ort zusammenkommen. Ein wichtiger Aspekt ist hier der Austausch von so genanntem implizitem Wissen, also von Wissen, dass sich eben nicht ohne weiteres verschriftlichen, übertragen oder in Datenbanken speichern lässt. Diese strategisch für Unternehmen so relevante Wissen entsteht aber eben in der engen Zusammenarbeit vor Ort.
Während also die Verbreitung technischer Lösungen, der Kompetenzaufbau bei Mitarbeitenden, der Wunsch nach Vereinbarung von Berufs- und Privatleben und einiges mehr dafür sprechen, dass viele das Homeoffice auch nach der Krise beibehalten, so steht doch der vielfach vorhandene Wunsch nach Trennung von Arbeit und Privatleben, die Gefahr und Angst vor sozialer Isolation und die Wichtigkeit des persönlichen Austauschs für strategischen Wissensaustausch dafür: wir werden das Realexperiment Homeoffice nicht uneingeschränkt fortsetzen, sondern viele von uns werden froh sein, wieder in das eigene Büro gehen zu können.
Weitere Informationen zur Professur für ABWL, insbesondere Personalmanagement und Organisation von Prof. Stephan Kaiser unter: https://www.unibw.de/personalmanagement
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