Einfluss von Herkunft und Bildung auf akademische Karrieren

23 Januar 2025

Florian Brunner ist sogenannter „Erstakademiker“. Was das in Theorie und Praxis, das heißt im eigenen Lebenslauf, bedeutet, kann er bei der Podiumsdiskussion über Bildungsgerechtigkeit am 13. Januar aus erster Hand vermitteln: Der Doktorand im Fach Internationale Beziehungen an der Universität Oxford ist auf Einladung der Gleichstellungsstelle und der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften (SOWI) an die Universität der Bundeswehr München gekommen. Mit seinen Gesprächspartnern, der Soziologin und SOWI-Dekanin Sina Farzin und dem Historiker Dr. Alexander Mayer, diskutiert er, wie sehr Herkunft und Familie noch immer die Bildungschancen beeinflussen.

„Und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.“ Florian Brunner lässt einen an dieses Zitat aus Brechts Dreigroschenoper denken, wenn er erwähnt, dass immer gern die Gelingensbeispiele für den Bildungsaufstieg zitiert werden, alle anderen aber gar nicht auftauchen. Er verkörpert zweifelsohne so ein Beispiel: Als Erstakademiker in seiner Familie promoviert er mittlerweile an der Universität Oxford.

Wie wahrscheinlich ist es denn, einen jungen Mann aus Altötting mit leicht bayerischer Dialektfärbung und akademisch von Haus aus völlig „unbelastet“ an einer internationalen Eliteuniversität zu finden? Nicht sehr: Nur 27 Prozent der Kinder von Nicht-Akademikern studieren, bei Akademikern sind es 79 Prozent. Solche Zahlen sind ein Indiz für die nach wie vor große Bedeutung des „sozialen“ und „symbolischen“ Kapitals, denn es sind nicht allein hohe Studiengebühren und Lebenshaltungskosten die Arbeiterkinder von Oxford fernhalten. Alles, was Anderen selbstverständlich mitgegeben wird an Beziehungen, an Sicherheit im Umgang, im „Benimm“, im Small Talk genauso wie im akademischen Diskurs, muss von ihnen oft erst mühsam erlernt werden. Und manches Mal, so Mayer, bleiben die Herkunftsunterschiede auch über die universitären Abschlüsse hinaus markant, unterstützen oder behindern etwa den beruflichen Erfolg.

Prof. Farzin wies darauf hin, dass in Diskussionen über Diversität Bildungsungleichheit selten ein Thema ist, obwohl wir eine Wissensgesellschaft sind, in der materielle Besserstellung in hohem Maße durch Bildungszertifikate generiert wird. Umso mehr ist der Gleichstellungsstelle und der Fakultät SOWI zu danken, dass sie es in ihre Reihe „Vielfalt“ aufgenommen haben. An diesem Nachmittag regte das Thema jedenfalls zu vielen Beiträgen auch aus dem Publikum an. Es stelle sich die Frage, so eine Teilnehmerin, ob eine bildungsgerechte Gesellschaft überhaupt erstrebt werde? Das dreigliedrige Schulsystem, das sich allen Reformbemühungen entgegenstemmt, spricht wohl eher dagegen, meinte Mayer. Und auch bei der Eliteförderung etwa, so Brunner, stünde das Gerechtigkeitsideal nicht im Vordergrund. Es gilt also noch einen weiten Weg zurückzulegen, um den Gleichheitsanspruch, der mit der Bildungsexpansion in der Bundesrepublik verbunden war, auch wirklich durchzusetzen.


Titelbild (v. l. n. r): Die Veranstalterinnen der Reihe „Vielfalt“, Pamela Koch und Eva Olschewski von der zivilen Gleichstellungsstelle, und die Dekanin der Fakultät SOWI Sina Farzin, in der Mitte Referent Florian Brunner und ganz rechts Mitdiskutant Alexander Mayer (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)