Interview: Wie funktioniert das menschliche Gehirn?

3 Januar 2024

Seit Oktober 2022 ist Prof. Anna Rieckmann Inhaberin der Professur für Biologische Psychologie an der Fakultät der Humanwissenschaften. Ihre Forschung und Lehre beschäftigt sich mit zentralen Fragen zur Funktion des menschlichen Gehirns.
 
Wie unterscheidet sich die Universität der Bundeswehr München von den anderen Universitäten, an denen Sie vorher gearbeitet haben?
Vor der UniBw M habe ich an großen neurowissenschaftlichen Instituten gearbeitet, war also eher mehr unter meinesgleichen, mit vielen Kolleginnen und Kollegen, die ähnliche Forschungsinteressen hatten wie ich selbst. An diesem Institut ist es anders. Hier habe ich im Vergleich zu anderen Universitäten ein sehr heterogenes Kollegium. Jeder mit seinen eigenen Schwerpunkten, Ansätzen und Methoden. Das ermöglicht es mir tagtäglich damit in Berührung zu kommen und neue Forschungsfelder zu eröffnen, die für mich persönlich vorher gar nicht so präsent waren.
Durch die im Vergleich mit anderen Universitäten geringe Anzahl an Studierenden, habe ich in meiner Lehre viel mehr Kontakt mit ihnen. All diese Faktoren haben dazu beigetragen, dass ich neben der Altersforschung, bei dem mein Schwerpunkt liegt, mich auch mit den Themen des jungen Erwachsenenalters beschäftige, etwa „Wie muss unser Gehirn sein, damit wir resilient gegenüber Stress sind?“ oder „Welche frühen Faktoren beeinflussen diese Resilienz?“

Portraitfoto einer jungen Frau, die in die Kamera lächelt
Prof. Anna Rieckmann ist seit Oktober 2022 an der Universität tätig  (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)

Sie forschen mithilfe von PET/MRT, um Abläufe und Vorgänge im menschlichen Gehirn besser zu verstehen. Können Sie zu Anfang erst einmal erklären was PET/MRT ist?

Es handelt sich um einen Magnetresonanztomografen (MRT), der zusätzlich die Fähigkeit besitzt, mit Positronen-Emmissions-Tomografie (PET) zu arbeiten. Da PET und MRT ihre eigenen Stärken und Schwächen haben, sich aber in ihren Anwendungsgebieten häufig überschneiden, machte es Sinn eine Kombination aus Beidem zu haben, um die Schwächen zu negieren. Außerdem ist so eine Untersuchung möglich, die den Patientinnen und Patienten einer geringeren Strahlenlast als bei herkömmlichen Methoden aussetzt. Sie werden zum Großteil in der Arbeit mit Krebspatienten eingesetzt, da sie zu genaueren Diagnosen und gezielteren Behandlungen führen. Leider sind diese Geräte sehr teuer und komplex, also sind sie nicht flächendeckend in jedem Krankenhaus zu finden.

Und Sie nutzen diese Technologie für Ihre Forschung?
Ja, meine Forschungsgruppe ist einer der wenigen auf der Welt, die diese Technik in der kognitiven Neurowissenschaft anwenden. Die gängige Standardmethode ist die funktionale Magnetresonanztomografie, kurz FMRT. Damit wird der Blutfluss im Gehirn beobachtet, während ein Proband eine Aufgabe löst. Wir sehen in welche Regionen verstärkt Blut fließt und vermutlich Nervenzellen aktiv sind. Der Nachteil an dieser Methode ist, dass wir nicht genau beobachten können, ob wirklich in diesen Regionen Nervenzellen aktiv arbeiten.

PET ist nicht so flexibel wie FMRT, reagiert aber hochsensibel auf molekulare Prozesse wie z. B. den Glukoseverbrauch der Zellen in einer Gehirnregion. Wenn wir nun erhöhten Blutfluss durch FRMT feststellen, können wir mithilfe von PET auch Rückschlüsse über die Aktivität der Zellen ziehen.

Grafik zweier nebeneinander abgebildeten Gehirne. Das links ist grau, links ein größeres Gebiet in Rot, rechts vereinzelt kleinere rote Bereiche. Das rechts abgebildete Gehirn ist überwiegend grün, links ein größerer Bereich, der im Kern rot und drumherum in orange und gelb gefärbt ist. in der rechten Hälfte des Gehirs nur vereinzelt oben gelbe und orange Bereiche. Die in wärmeren Farben gefärbten Regionen stimmen in etwa mit den rot gefärbten Regionen von der linken Abbildung überein. Die Darstellung erinnert an ein mit einer Wärmebildkamera aufgenommenes Bild.
PET/MRT Bildgebung ermöglicht es, sowohl Blutfluss zu aktiven Regionen des Gehirns (links in rot) darzustellen, als auch den Glukoseverbrauch in den Synapsen des Gehirns zu quantifizieren (rechts, wärmere Farben deuten auf höhere Aktivität hin)
© Universität der Bundeswehr München/Rieckmann

Diese Methoden nutzten Sie auch für das Forschungsprojekt „Hybrid Imaging of Dopamin release in Humans“, gefördert durch den Swedish Research Council. Was genau erforschten Sie dabei?
In unserer Arbeit zur Dopaminausschüttung forschten wir mit gesunden, jungen Erwachsenen. Wir wollten besser verstehen, welche Rolle Dopamin in unserem menschlichen Verhalten einnimmt. Da man Dopamin bzw. dessen Ausschüttung im Menschen nur schwer messen kann, basiert ca. 90% der Forschung auf Erkenntnissen bei Mäusen und Ratten.

Mithilfe von PET/MRT konnten wir nachweisen, dass Dopamin im menschlichen Hirn freigesetzt wird, wenn die Probanden Aufgaben gelöst haben, bei denen sie kognitiv flexibel sein mussten. Sie mussten Regeln lernen, umlernen und aus Fehlern richtig folgern. Wir konnten beobachten, dass diejenigen, die sehr sensibel auf ihre Fehler reagieren, mitunter die höchste Dopaminausschüttung bei Erfolgen hatten.

Zum anderen arbeiteten Sie auch am Projekt „Aging-related changes in brain activation and deactivation during cognition“, gefördert durch den European Research Council. Worum ging es bei dieser Arbeit?
Auch hier haben wir PET/MRT verwendet und versuchen die biologischen Grundlagen von Unterschieden zwischen jungen und älteren Probanden in deren Denkprozessen zu ergründen. In der Altersforschung der kognitiven Neurowissenschaften gibt es seit Jahren Forschung die zeigt, wenn ältere und jüngere Probanden die gleiche Aufgabe gleich gut lösen, die Älteren mehr Hirnaktivität zeigen. Man geht derzeit davon aus, dass mehr oder andere Gehirnareale aktiv sind, um für altersbedingten Abbau von Hirnsubstanz zu kompensieren.

Im Einklang mit vereinzelten anderen Studien konnten wir mit unserer Methode keine Unterstützung für diese Annahmen in unseren Daten finden. Bei den Hirnarealen die im MRT zusätzlich bzw. mehr aktiv sind, sehen wir im PET keine erhöhte Aktivität in den Synapsen. Wir nehmen an, dass der erhöhte Blutfluss vermutlich mehr mit dem ineffektiven Blutkreislauf zu tun hat, den ältere Menschen im Vergleich zu jüngeren Menschen haben aber kein guter Indikator für die Arbeit der Nervenzellen ist. Im Allgemeinen kommt bei unserer Forschung immer stärker zum Vorschein, dass ältere Menschen, die kognitiv wenig oder gar nicht abbauen, auch von wenig Hirnabbau gekennzeichnet sind und nicht so sehr, dass ihr Gehirn für einen unvermeidbaren Abbau kompensiert.

Laufen die beiden Projekte derzeit noch?
Nein beide sind abgeschlossen und wurden in diesem Jahr veröffentlicht. Ich hoffe aber, dass wir auch im nächsten Jahr aus diesen einzigartigen Daten noch mehr Einblicke in die Funktion des Gehirns gewinnen können, auch unter Einbindung der Studierenden der UniBw M in die Datenanalyse.

 

Die Studie zur Dopaminausschüttung im menschlichen Gehirn von Prof. Rieckmann und ihrem Team wurde im renomierten Fachjournal Nature veröffentlicht. Die Publikation finden sie zum nachlesen hier.


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