Wissenschaftsjahr 2024: Vortrag "Freiheit ist niemals grenzenlos"

7 Oktober 2024

Wie weit dürfen Eingriffe in unsere Freiheit gehen? Anhand aktueller Krisen wie terroristischer Bedrohungen, der COVID-19-Pandemie und der Klimakrise zeigte Prof. Christina Binder, wie schwierig diese Grenzziehung ist. Ihr Vortrag am 30. September 2024 im Stauffenberg-Saal fand im Rahmen einer Veranstaltungsreihe, die von der Universität der Bundeswehr München (UniBw M) in Kooperation mit der VHS Südost organisiert wird, statt.

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ So steht es in Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Doch diese Freiheit ist nicht grenzenlos: „Sie endet dort, wo die Rechte des oder der anderen beginnen, und sie endet auch dort, wo übergeordnete Interessen der Gemeinschaft, des Staates, den Freiheitsbegriff entsprechend einschränken“, führte Prof. Binder in die Thematik ein.

Prof. Binder ist seit 2017 Professorin für Internationales Recht und Internationalen Menschenrechtsschutz an der UniBw M und vertritt die Universität im weltweiten Menschenrechtsnetzwerk „Global Campus of Human Rights“. In ihrem Vortrag im Rahmen des Wissenschaftsjahrs 2024, das unter dem Motto „Freiheit“ steht, erklärte sie den Teilnehmenden die Komplexität dieses Themas anhand von aktuellen Beispielen: die terroristischen Bedrohungen bzw. das erhöhte Sicherheitsbedürfnis in Zeiten steigender Anschlagsgefahr, die Covid-19-Pandemie und die Klimakrise. „Während bei der Gesundheitskrise und der zunehmenden Terrorgefahr aus menschenrechtlicher Perspektive eher argumentiert wird, dass der Staat überreagiert und die Freiheitsrechte zu stark einschränkt, sehen wir bei der Klimakrise, ganz konkret mit dem von Seniorinnen erwirkten Urteil gegen die Schweiz, den Vorwurf, dass der Staat in seiner Schutzpflicht, auch mit Blick auf zukünftige Generationen, vielleicht nicht genug tut“, so Prof. Binder. All diese Situationen zeigten das Spannungsfeld zwischen der Freiheit des Einzelnen und den Grenzen, die die Gemeinschaft oder die Rechte anderer dieser Freiheit setzen.

Der Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)

Prof. Binder ging in ihrem Vortrag auch auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ein. Diese gewährleistet die Grundrechte wie das Recht auf Leben, das Verbot der Folter, das Recht auf Freiheit und Sicherheit, das Recht auf einen gerechten Prozess und auf Achtung des Privaten oder Familienlebens, die Meinungsfreiheit oder das Verbot der Diskriminierung. Derzeit gibt es 46 Mitgliedsstaaten des Europarats, die alle die Konvention ratifiziert haben – neben den EU-Staaten auch Länder wie die Türkei, Georgien und die Ukraine. Russland ist als Reaktion auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgeschlossen worden.

Die Standards der EMRK sähen „notwendige Eingriffe in Freiheitsrechte“ vor, zum Beispiel um der „Schutzpflicht des Staates“ zu genügen. „Es gibt Situationen, in denen ein Staat eingreifen muss, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Das finden wir vor allem in Situationen von Hassrede.“ Es gebe eine Pflicht des Staates, diese zu unterbinden, so Prof. Binder. Als Beispiel nannte sie eine Person in Großbritannien, die ein Plakat mit einem Aufruf zum Terrorismus aufgehängt hatte und von den Behörden aufgefordert wurde, es zu entfernen. Die Person argumentierte, dass dies das Recht auf freie Meinungsäußerung verletze, aber der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) wies diese Klage ab. Weitaus häufiger als zwingende Eingriffe seien allerdings die Fälle, in denen Staaten einen Beurteilungsspielraum haben, um Freiheiten einzuschränken wie in der Pandemie. Hierbei müssten sie auf Legalität, aber auch Legitimität und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen achten und sehr sorgfältig prüfen. Eine höherinstanzliche Beurteilung kann dann letztlich der EGMR vornehmen.

Der hürdenreiche Weg nach Straßburg

Auf den Europäischen Menschengerichtshof bezogen sich auch viele der Nachfragen in der von Nina Gruber (VHS SüdOst) und Dr. Ulrike Haerendel (UniBw M) moderierten Diskussion. In ihren Antworten machte Prof. Binder deutlich, dass der Weg nach Straßburg hürdenreich sei und erst beschritten werden könne, wenn die innerstaatlichen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden.


Die nächste Kooperationsveranstaltung der UniBw M und der VHS SüdOst im Rahmen des "Wissenschaftsjahrs 2024 – Freiheit" findet voraussichtlich im Dezember 2024 statt. Mehr Informationen gibt es zeitnah unter https://www.vhs-suedost.de/

 

Das Wissenschaftsjahr ist eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und von "Wissenschaft im Dialog" (WiD).


Titelbild: Prof. Christina Binder hält im Stauffenberg-Saal der UniBw M einen Impulsvortrag im Rahmen des Wissenschaftsjahrs 2024 (© Universität der Bundeswehr München/Plank)