Zukunft der militärischen Luftfahrt: Symposium des FZ MARC

14 November 2023

Vom 7. bis 8. November stellte sich das Forschungszentrum für militärische Luftfahrt mit einem Symposium ausgewählten Entscheidungsträgerinnen und -trägern der Bundeswehr vor.

Prof. Axel Schulte und Prof. Peter Stütz, Sprecher des Forschungszentrums MARC (Military Aviation Research Center), begrüßten rund 40 Gäste beim ersten Forschungs- und Technologie-Symposium des FZ MARC. Seit der Gründung im Juli 2020 fungiert das FZ in erster Linie als „Übersetzer mit Scharnierfunktion“, das die Brücke zwischen den Bedarfen und Fähigkeitsforderungen der Nutzer innerhalb der Bundeswehr und unseren technisch-wissenschaftlichen Kompetenzen im Bereich der militärischen Luftfahrt schlägt, so Prof. Schulte. Er betonte: „Wir bringen die Technologie in die Bundeswehr rein“ und bestärkte die anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der Bundeswehr, dieses Angebot und die wissenschaftlich fundierte Expertise auch in Anspruch zu nehmen. Auch Präsidentin Prof. Eva-Maria Kern betonte in ihrem Grußwort, dass die Universität als strategische Ressource für die Bundeswehr begriffen werden sollte. Mit wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen wie denen des FZ MARC könne die Universität einen entscheidenden Beitrag zur Lösungsfindung verschiedener Themen leisten. Neben luftfahrttechnischen Schlüsseldomänen wie Antrieb, Strukturen und Aerodynamik werden beim FZ MARC auch Missions- und Automatisierungsthemen, Kommunikation und Navigation sowie Beschaffung, Logistik sowie ethische Fragen behandelt.

MissionLab – Forschungslabor für Missionstechnologien

Ziel des FZ MARC ist es, die für die Zukunft der militärischen Luftfahrt relevanten Forschungsdisziplinen transparent zu machen und wissenschaftliche Expertise zu bündeln. Neben Grundlagenforschung geht es um spezifische Technologieentwicklungen zum Betrieb und zur Nutzung zukünftiger militärischer Luftfahrzeuge. Bestes Beispiel hierfür ist das in das FZ MARC eingebettete dtec.bw1-geförderte Forschungsprojekt „MissionLab“, das Prof. Stütz den anwesenden Gästen als Flagship-Projekt vorstellte. Der Projektleiter machte deutlich: „Mit diesem Forschungslabor für Missionstechnologien ist ein einzigartiges Kompetenzzentrum zur wissenschaftlichen und experimentellen Untersuchung von Missionstechnologien in der Simulation und im Flugversuch entstanden.“ Die Nutzer, zu denen beispielsweise das Kommando der Luftwaffe und das Amt für Heeresentwicklung gehört, diskutieren mit dem Forschungslabor unter anderem Szenarien, Missionsentwürfe oder auch operative Rahmenbedingungen.

Einen Einblick in die Zukunft der Luftstreitkräfte gab Oberst i.G. Tobias Wandel, Unterabteilungsleiter beim Kommando der Luftwaffe. Der Hauptauftrag der Luftstreitkräfte sei auch künftig das Erringen und Erhalten der Luftüberlegenheit, da diese die militärische Operationsfreiheit erlaubt und politischen Gestaltungs- und Verhandlungsspielraum eröffnet. Für das Kommando der Luftwaffe, das nicht nur durch das Projekt MissionLab, sondern auch durch eine große Anzahl an Forschungsstudien vom FZ MARC profitiert, sei das Forschungszentrum der UniBw M „A Joker among Aces“, so Oberst i.G. Wandel.

Eine weitere Keynote hielt PD Dr. Frank Sauer (Head of Research bei Metis, Institut für Strategie & Vorausschau) zur verantwortungsbewussten Anwendung von „Autonomie in Waffensystemen“, wobei er sicherheitspolitische, völkerrechtliche und ethische Implikationen in den Blick nahm. Für den Wissenschaftler war dabei zentral, den Anwesenden das richtige Verständnis des Begriffs Autonomie zu vermitteln: Autonome Waffensysteme existieren nicht, aber sehr wohl autonome, oder besser hoch automatisierte Funktionen, die ohne menschliches Zutun ablaufen. Besonders kritisch seien dabei Funktionen, wie die Auswahl und Bekämpfung von Zielen. Der entscheidende Faktor sei also in diesem Kontext die Differenzierung von Waffensystemen mit und von Waffensystemen ohne MHC (Meaningful human control).

Einblicke in die Forschungslabore

Nach den Keynotes gab es für die Gäste Einblicke in verschiedene Forschungslabore. Prof. Axel Schulte und sein Team gaben bei einer Laborführung einen Überblick über die Forschungsfelder der Professur für Flugmechanik und Flugführung, die von intelligenten Missionsmanagementfunktionen im Cockpit über adaptive Pilotenassistenz bis hin zu hochautomatisierten Drohnen-Schwärmen reicht. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten dabei Gelegenheit, die Cockpitsimulatoren (Kampfhubschrauber, Kampfflugzeug und Transporthubschrauber) des HuMiCS Labs („Humans, Missions, and Cognitive Systems Laboratory“) aus nächster Nähe anzuschauen.

Im Fokus der Demonstrationen des Teams der Professur für Luftfahrttechnik unter Leitung von Prof. Peter Stütz stand zum Einen der Einsatz von Missionssensoren an Bord von Luftfahrzeugen. Highlight war der neue MissionLab-Sensor-Pod. Er wird getragen vom einem Ultraleicht-Flugzeug, welches speziell für die Veranstaltung auf der Flight der Universität landete. In den Laboren demonstrierten die Mitarbeiter verschiedene Anwendungen, wie etwa zur visuellen Steuerung von Drohnen oder der hyperspektralen Detektion von Sprengfallen. Zum Anderem zeigte die Professur Ihre Leistungsfähigkeit im Bereich der Simulationstechnik, zum Beispiel zur KI-unterstützten Ausbildung von Kampfflugzeugbesatzungen oder zur Flugunfalluntersuchung mit Hilfe von VR („Virtual Reality“) – Simulatoren.

Operative Einsatzunterstützung im Fokus

Der zweite Veranstaltungstag startete mit zwei Plenarvorträgen von Dr. Marcel Stößel (Institut für Strahlantriebe) und Prof. Matthias Gerdts (Professur für Ingenieurmathematik) zu den Themen „Fähigkeitsportfolio Antriebe“ und „Operative Einsatzunterstützung“.

Auch hier war der rote Faden der „Mission“ das bestimmende Element. Dazu stellte das Institut für Strahlantriebe seine Werkzeuge zur Beantwortung aktueller Fragestellungen rund um die Integration und die Anforderungen von modernen Antriebsanlagen für die militärische Luftfahrt vor. Das Modellierungssystem EMSS (Engine Mission Simulation System) setzt dabei auf konsequente Verknüpfung aller für die Antriebsanlage wichtigen Faktoren innerhalb des Luftfahrzeugs. Von der Fluglage, über die Einlaufstörung bis hin zur Leistungsbewertung und auch Einflüssen auf die Signatur und mögliche Missionserfolge.

Dr. Stößel stellte mit seinem Vortrag klar, dass die Motivation der Forschung an militärischen Antriebsanlagen auch eine essenzielle Bedeutung für zukünftige Technologiebereitstellung hat. Dabei muss es vor allem darum gehen, diese zukünftig in Form von Fähigkeiten auch zeitnah für die Bundeswehr bereitstellen zu können. MARC kann hier ein Schlüssel sein, auch Innovationen aus der Truppe für die Truppe Realität werden zu lassen.

Im Vortrag von Prof. Gerdts stand die Automatisierung von definierten Teilmissionen für Einzelsysteme und Multiagentensysteme im Vordergrund. Hierbei werden insbesondere optimierungsbasierte Regelungsmethoden sowie Methoden des maschinellen Lernens verwendet und für den Einsatz in Simulatoren und Versuchsträgern entwickelt. Anhand von ausgewählten Fallstudien wurden mögliche Einsatzszenarien dargestellt.

Danach hatten die Teilnehmenden bei weiteren Laborrundgängen die Möglichkeit, die Triebwerksversuchsanlage des Instituts für Strahlantriebe [ISA] von Prof. Dragan Kožulović und das mobile Robotiklabor der Professur für Ingenieurmathematik unter Leitung von Prof. Gerdts kennenzulernen.

Das ISA präsentierte hier die für Hochschulen selbst im internationalen Vergleich einzigartigen Möglichkeiten der institutseigenen Triebwerksprüfstände und den zur Verfügung stehenden, modernen Versuchsträgern. Den interessierten Besuchern wurde die Forschungsweise und die intensive Nutzung von skalierten Versuchsaufbauten und die enorme Bedeutung von 3D Druck in der Forschung des ISA zur Herstellung allerhand Prototypen, vom Einlauf über Spezialinstrumentierung, bis hin zu neuartigen Düsen, vorgestellt.

Im Robotiklabor konnten die Teilnehmenden an verschiedenen Stationen Simulatoren und mobile Roboter bis hin zu einem autonomen Fahrzeug besichtigen und interaktiv erproben. Darüber hinaus stellte die Arbeitsgruppe von Prof. Rose vom Institut für Technische Informatik ein Werkzeug zur Analyse von Missionen vor.      

Großes Innovationspotenzial

Mit seinem ersten Forschungs- und Technologie Symposium hat das Forschungszentrum MARC einen ersten Schritt hin zu seiner Etablierung in der Forschungs- und Technologie-Organisation der Bundeswehr unternommen. Im Rahmen der Veranstaltung konnte die Sichtweise auf die UniBw M als Ausbildungsstätte des Offiziernachwuchs für die Streitkräfte durch das Bild eines verlässlichen, innovativen und sehr leistungsstarken Partners in der F&T ergänzt werden.

Auch wenn im Rahmen dieser ersten Veranstaltung bei weitem noch nicht alle Beteiligten an MARC die Chance wahrnehmen konnten ihre Arbeiten auf dem Gebiet der militärischen Luftfahrt vorzustellen, so zeigte sich dennoch, oder eben umso mehr, welches Innovationspotential in diesem Forschungszentrum steckt.


Titelbild (v. l. n. r.): PD Dr. Frank Sauer, Prof. Peter Stütz, Präsidentin Prof. Eva-Maria Kern, Oberst i. G. Tobias Wandel, Prof. Axel Schulte (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)

 

 

1Das dtec.bw – Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr – ist ein von beiden Universitäten der Bundeswehr gemeinsam getragenes wissenschaftliches Zentrum und Bestandteil des Konjunkturprogramms der Bundesregierung zur Überwindung der COVID-19-Krise. Mit der Aufnahme in den Deutschen Aufbau- und Resilienzplan (DARP) wird dtec.bw von der Europäischen Union – NextGenerationEU finanziert.