Mobilität: Fahrradverkehr in Zeiten der Corona-Pandemie
21 September 2020
Wie verändert sich unsere Mobilität durch COVID-19? Eine Studie zur Wahl der Verkehrsmittel in München wird an der UniBw M durchgeführt.
Ein Beitrag von Michaela Tießler, Ilona Trübswetter und Prof. Dr. Silja Hoffmann, Professur für Intelligente, Multimodale Verkehrssysteme, Fakultät für Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften
Seit sich COVID-19 zu Beginn dieses Jahres auch in Deutschland ausgebreitet hat, hat sich das Leben jedes einzelnen verändert. Schulen wurden geschlossen, Arbeitsplätze ins Homeoffice verlegt und die Produktion heruntergefahren. In einigen Bereichen kehrt nun allmählich wieder Normalität ein, andere Bereiche liegen noch immer still. Viele Angestellte arbeiten weiterhin von zu Hause, oder in Schichten, sodass beispielsweise in Großraumbüros lediglich ein Bruchteil der Arbeitsplätze besetzt ist und immer nur die gleichen Personen aufeinandertreffen. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Verkehr. Während zu Beginn der Pandemie auf den Straßen merklich weniger Fahrzeuge unterwegs waren, scheint nun langsam wieder Normalität einzukehren.
In den Medien ist immer wieder zu lesen, dass vor allem der Fahrradverkehr in München zugenommen hat. Um diesen Trend zu unterstützen wurden an verschiedenen Stellen Autofahrstreifen umgewidmet und für Fahrradfahrer freigegeben.
Um diese Entwicklungen näher zu untersuchen, haben wir die Daten von fünf Raddauerzählstellen in der Landeshauptstatt München (Arnulfstraße, Olympiapark, Hirschgarten, Margaretenstraße (Harras) und Erhardtstraße (Deutsches Museum) ausgewertet. An der Messstelle Arnulfstraße lassen sich über einen längeren Zeitraum im Vorjahr deutliche Rückgänge verzeichnen, die vermutlich auf eine Baustelle o.Ä. zurückzuführen sind, weshalb diese bei Vergleichen mit dem Vorjahr nicht berücksichtigt wird.
Messbarer Anstieg des Radverkehrs 2020
In den Zahlen der Dauerzählstellen ist dieser Trend zu mehr Radverkehr ebenfalls zu beobachten. Die Summe der Fahrten von Anfang Januar bis Ende Juli steigt im Vergleich zum Vorjahr um 8 bis 22%. Allerdings lassen sich die Zahlen nicht ausschließlich auf Corona zurückführen. Das zeigt sich zum Beispiel sehr deutlich, wenn man die Fahrten im Januar mit den Vorjahreswerten vergleicht. Die milden Temperaturen und der ausbleibende Schnee haben beispielsweise dazu geführt, dass im Januar an der Zählstelle am Harras mehr als zweieinhalb Mal so viele Fahrten wie im Jahr zuvor registriert wurden. An den anderen Zählstellen haben sich die Januarwerte im Vergleich zum Vorjahr ebenso verdoppelt.
Neben wetterabhängigen Schwankungen lassen sich auch wochentagsabhängige Schwankungen beobachten.
Während vor dem Shutdown vor allem unter der Woche viel mit dem Fahrrad gefahren wurde und am Wochenende weniger Fahrten registriert wurden, hat sich das in der Woche nach dem Verhängen der Ausgangsbeschränkungen (23.-29.03.2020) umgekehrt. Während von Montag bis Donnerstag vergleichsweise wenig Fahrten durchgeführt wurden, ging die Anzahl am Freitag und Samstag deutlich nach oben. Am Sonntag reduzierten sich die Zahlen dann wieder.
Ein Blick auf die Temperaturen in dieser Woche verdeutlicht allerdings auch hier wieder den Einfluss des Wetters. Während die Tageshöchsttemperaturen am Freitag 17,2°C und am Samstag 16°C betrugen, lagen diese an den restlichen Tagen im einstelligen Bereich zwischen 4 und 8,6°C.
Allerdings ist auch in den Folgewochen eine starke Nutzung des Fahrrads am Wochenende zu verzeichnen, was auf die Beliebtheit des Fahrrads zu Freizeitzwecken als Alternative zum üblichen Sport, der in diesem Zeitraum oft nicht möglich war, hinweist.
Während im öffentlichen Nahverkehr die Busse und Bahnen teilweise ohne oder mit sehr wenig Fahrgästen verkehrt sind und sich auch auf den Straßen ein sehr reduzierter PKW- und LKW-Verkehr gezeigt hat, war dieser in den Zählwerten der Raddauerzählstellen nicht zu verzeichnen. Was nicht heißt, dass diejenigen, die schon vor Corona mit dem Fahrrad gefahren sind, währenddessen genauso häufig gefahren sind, sondern viel mehr auf eine modale Verlagerung hinweist. Hier liegt die Vermutung nahe, dass einige Pendler, die zuvor regelmäßig den öffentlichen Nahverkehr genutzt haben, aufgrund der Ansteckungsgefahr vor allem zu den Corona-Spitzenzeiten, teilweise aber auch bis heute, öfter zum Fahrrad greifen als früher.
Studie zur Verkehrsmittelwahl
An der Professur für intelligente, multimodale Verkehrssysteme sind wir uns bewusst, dass der Mensch durch sein Verhalten den Verkehr maßgeblich beeinflusst. Wir wollen die Verkehrsteilnehmer besser verstehen. Daher analysieren wir das Mobilitätsverhalten sowie die dazu führenden Beweggründe der Menschen. Hieraus wollen wir ableiten, wie die Verkehrssysteme von morgen entwickelt und gestaltet werden sollen.
Aktuell führen wir eine Studie zur Verkehrsmittelwahl beim Arbeitsweg durch und auch wie sich die Wahl der Verkehrsmittel durch die Corona Pandemie verändert hat.
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