Digitaltag 2020 - Podiumsdiskussion mit Prof. Natascha Zowislo

23 Juni 2020

Aus der Corona-Krise kann man lernen wie Digitalisierung das täglichen Leben beeinflusst und unterstützt. Beim Digitaltag 2020 diskutierten Expertinnen und Experten virtuell über die digitale Transformation in Deutschland.

In den zurückliegenden Wochen war durch die Covid-19-Pandemie in fast allen Bereichen des täglichen Lebens spürbar, dass Digitalisierung essentiell für die Arbeitswelt, aber auch für das gesellschaftliche Leben notwendig ist. Nur dank digitaler Lösungen gelang es vielen Firmen innerhalb kurzer Zeit ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Homeoffice und Videokonferenzen zu ermöglichen. Kulturelle Veranstaltungen wurden statt vor Publikum aufgeführt, nun aufgezeichnet oder konnten live im Internet gestreamt werden. Um die positiven Effekte aufzugreifen und an weiteren Ideen zur Digitalisierung zu arbeiten, rief die Bundesregierung den ersten Digitaltag 2020 ins Leben. Am 19. Juni fanden in zehn Kategorien über 300 virtuelle Veranstaltungen verschiedenster Formate für digitale Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen statt, an der Veranstaltung nahm auch Prof. Natascha Zowislo, Professorin für Unternehmenskommunikation der Universität der Bundeswehr München, teil.

Ein Tag voller virtueller Diskussionsrunden

Einer der Programmpunkte war die digitale Podiumsdiskussion des Bundesministeriums des Inneren, für Bau und Heimat. Im Livestream diskutierten Dr. Markus Richter, Staatssekretär und IT-Beauftragter der Bundesregierung, Susanne Zels von Polis180, Renate Nikolay, Kabinettschefin der Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Axel Voss, Mitglied des Europäischen Parlaments sowie Prof. Zowislo miteinander. Moderiert wurde die Runde von Carmen Hentschel. Auch Zuschauerinnen und Zuschauer konnten über eine Kommentarfunktion während des Livestreams an der Diskussion teilnehmen und wurden zu kurzen Umfragen eingeladen.

Was bedeutet digitale Transformation?

Das Bundesinnenministerium widmete sich in diesem Podium der Frage nach der Digitalen Transformation in Deutschland. Was dieser Oberbegriff alles beinhaltet, erklärten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Runde zu Beginn in ihrer Vorstellung. Für Dr. Richter geht es hierbei vor allem darum, den Menschen in Deutschland aber auch EU-weit zu helfen und Prozesse der Verwaltung einfacher zu gestalten. Renate Nikolay von der EU-Kommission sieht den Fokus ihrer Arbeit klar darauf, Aufklärung gegen Fake News und Desinformation zu betreiben, sie möchte eine Gelegenheit schaffen, die Problematik der Fake News dafür zu nutzen eine kritische Gesellschaft zu bilden, die Fakten prüfen und nachvollziehen kann. Axel Voss sieht als Mitglied des EU-Parlaments in der Digitalisierung den bestimmenden Faktor, der über den Wohlstand in Europa entscheidet. Seiner Ansicht nach werde hier bisher viel zu zögerlich gehandelt. Wenn sich die Bemühungen um digitale Geschäftsprozesse nicht intensivierten, würde Europa den Anschluss an andere Staaten verlieren, die EU müsse Prioritäten klar auf die Digitalisierung legen. Ein wichtiges Thema ist für ihn besonders der Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) in Hinblick auf die Entwicklung einer Datenstrategie der EU. Prof. Zowislo stellt sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit die Frage, wie man Vertrauen in Krisenzeiten schaffen könne. Durch die Covid-19-Pandemie und die Digitalisierung kämen momentan zwei aktuelle Themen zusammen, die für die Kommunikation sehr interessant seien. Susanne Zels von der Organisation Polis 180 richtete ihr Augenmerk auf den europäischen Zusammenhalt. Durch die Einschränkungen der letzten Wochen wurden für die Zivilgesellschaft digitale Lösungen erforderlich um an der Politik teilzuhaben und beispielsweise zu wählen oder zu demonstrieren.

Die Diskutanten widmeten sich nach ihrer Vorstellung der Frage nach einem europäischen Weg der wertebasierten digitalen Transformation. Hierbei plädierte Staatssekretär Richter für Veränderungen in Hierarchie und Kommunikationswegen auf behördlicher Ebene in Deutschland aber auch der EU. Er griff unter anderem die Frage auf, wie es in Zukunft einfacher gelingen kann sich virtuell auszuweisen.

Bildung und Verwaltung am interessantesten für Digitalisierung

Durch Impulse der Zuschauerinnen und Zuschauer ging die Runde dann verstärkt auf die Schlagworte Bildung und digitale Verwaltung ein. Dass diese Begriffe besonders häufig in der Live-Umfrage genannt wurden, überraschte Prof. Zowislo nicht, denn genau diese Themen waren für sehr viele Familien in den letzten Wochen und Monaten durch Arbeiten im Homeoffice und gleichzeitiges Homeschooling der Kinder vorherrschend. Dies zeige, dass jetzt ein idealer Zeitpunkt sei, die Diskussion zu beginnen, da gerade jeder selbst betroffen sei und im eigenen Umfeld merke, wie wichtig digitale Prozesse sein können. Das Vertrauen in offizielle Stellen sei gerade sehr groß (wie sich in der Krise gezeigt habe), dies müsse von öffentlichen Verwaltungseinrichtungen genutzt werden um die Digitalisierung weiter auszubauen.

Dabei war man sich einig, dass zum Teil neue Errungenschaften aus den letzten Wochen, wie digitaler Unterricht, ausgebaut werden sollten. Zukünftige Schulen sollten zum Beispiel mit eigenen IT-Beauftragten unterstützt werden, sagte Dr. Richter.

Prof. Zowislo stellte im weiteren Verlauf noch einmal die Bedeutung der Kommunikation in Europa im Zusammenhang mit der Digitalisierung dar. Besonders wichtig sei es dabei zu erklären, was genau digitale Transformation meine, da der Begriff viele Aspekte beinhalten würde. Die Bandbreite gehe von herunterladbaren Dokumenten bis hin zu KI. Außerdem sollten die Prozesse vom Nutzer erdacht werden um stets klar kommunizieren zu können, was der Nutzen einer bestimmten Entwicklung sei. Bürgerinnen und Bürger wollten nicht so sehr wissen, welche Verwaltungsprozesse im Hintergrund liefen, sondern einen klaren Nutzen für ihr persönliches Leben erkennen. Wenn ein Nutzen nicht klar kommuniziert werden könne, sei die Anwendung nicht sinnvoll. Außerdem sei es wichtig, die Glaubwürdigkeit aufrechtzuerhalten. Der momentane Vertrauensbonus aus der Krisenkommunikation solle genutzt werden um deutlich zu machen, dass der Staat digital nicht hinter den großen Firmen hinterherhinkt. „Die Leute sind ja bereits digital, man muss sie nur gut kommunikativ abholen.“

Es dürfe nicht zu sehr gezögert werden, was Datenschutz und andere Rahmenbedingungen angehe, sondern es müssten Angebote gemacht werden, da die Gesellschaft von kommerziellen Internetgrößen verwöhnt sei was Schnelligkeit und Funktionalität angehe. Die aktuelle Lage dürfe nicht dazu führen, dass sich polarisierende Lager von Kritikern und Befürwortern bildeten, sondern man sollte das Vertrauen der Bevölkerung nutzen um in eine neue Zeit mit innovativen Möglichkeiten zu starten. „Man kann noch alles richtigmachen, auch und gerade in der Kommunikation“, so Prof. Zowislo.

Digitale Verwaltung soll vor allem Transparenz und Zeitersparnis bringen

In einer zweiten Ad-hoc-Umfrage der Live-Zuschauer ging es darum, was sich Bürgerinnen und Bürger von einer digitalen Verwaltung wünschen. Das Zuschauerfeedback richtete sich dabei auf die Schlagworte Transparenz, Nutzerfreundlichkeit und Flexibilität.

Staatssekretär Richter bestätigte, dass die Nutzerfreundlichkeit bei allen virtuellen Angeboten der Verwaltung deutlich mehr in den Fokus gerückt werden müsse: „Das Spannungsfeld zwischen Datenschutz und einfachen Nutzererlebnissen muss architektonisch mitgedacht werden.“ Im Zuge dessen sprach er sich für ein Zentrum für digitale Aufklärung zur Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern aus. Für vertrauensbasierte Kommunikation sei Transparenz das A und O, betonte auch Susanne Zels. Digitale Prozesse böten hierfür ein einmaliges Potenzial, doch vieles müsse noch vereinfacht werden um wirkliche Anwendbarkeit herzustellen. Prof. Zowislo ergänzte, dass Agilität und schnelles Handeln die entscheidenden Faktoren seien, um Bürgerinnen und Bürger ins Gespräch einzubinden. Es müsse immer klar der Nutzen für den „Kunden“ erkennbar sein um Vertrauen zu schaffen, so sei man es von anderen Onlineangeboten schlichtweg gewohnt.

Zum Abschluss konnten noch einige Fragen der Zuschauer beantwortet werden, die sich vor allem auf die Zukunft des digitalen Arbeitens und ein eventuelles Recht auf Homeoffice bezogen. Das Innenministerium plant, die Livestream-Diskussionen in Zukunft häufiger anbieten.


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Titelbild: © iStockphoto / Olivier Le Moal