Satellitennavigation: Global im Leben mit Satelliten navigieren

1 September 2020

Seit der Erfindung von GPS sind fast 50 Jahre vergangen und mittlerweile sind weit über 100 Navigationssatelliten aus Amerika, Russland, Europa und China im Orbit zu finden. Die Grundsteine für die europäische Lösung wurden an der Universität der Bundeswehr München gelegt und werden konsequent weiterentwickelt. Das nützt nicht nur Milliarden Nutzern weltweit, sondern ist auch ein Zeichen für ein starkes Europa und Deutschland.

Der Bereich Weltraumnutzung des „Institute of Space Technology and Space Applications (ISTA)“ besteht aus der Professur für Satellitennavigation (Prof. Thomas Pany) und ist seit 1983 in den Bereichen globale Satellitennavigationssysteme (GNSS), präzise Positionierung, inertiale und optische Navigation und insbesondere für das europäische Satellitennavigationssystem Galileo tätig. Die beiden Vorgänger Prof. Günther W. Hein und Prof. Bernd Eissfeller sind als exzellente Emeriti weiter dem Institut verbunden. Am Institut werden theoretische Studien, prototypische Hard- und Softwareentwicklungen sowie anwendungsnahe Testkampagnen durchgeführt. Navigationsanwendungen reichen vom Smartphone über das autonome Fahren bis hin zum interplanetaren Flug für z.B. das sogenannte „Asteroid-Mining“ (Asteroidenbergbau).

Ein bedeutender Teil der derzeit gesendeten Galileo-Signalstruktur wurde vor mehr als 10 Jahren am Institut in Kooperation mit Kollegen anderer europäischer Einrichtungen ausgearbeitet und konnte im vergangenen Jahr von mehr als 1.500 Millionen Mobiltelefonnutzern empfangen werden. ISTA vertritt außerdem über Prof. Eissfeller und Prof. Pany das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) in verschiedenen Arbeitsgruppen zu Galileo bei der Europäischen Kommission in Brüssel.

GNSS-Satelliten senden Navigationssignale auf derselben Frequenz und müssen dementsprechend bestimmte Standards einhalten, damit zum Beispiel ein Galileo-Signal den Empfang von GPS-Signalen nicht stört. Am Institut werden diesbezüglich Berechnungsmodelle für Signale von Galileo der zweiten Generation entwickelt und mit denen internationaler Partnern verglichen.

Satellitensignale für autonomes Fahren

Zukünftige Navigationsanwendungen wie autonomes Fahren oder erweiterte Realität verlangen eine hohe Genauigkeit im Zentimeter- bis Dezimeterbereich. Eine solche Genauigkeit ist derzeit nur unter freiem Himmel, aber nicht im städtischen Gebiet erreichbar. Daher werden für Galileo weitere Dienste und Signale entwickelt. Hierfür sollen ab ca. 2022 zentimetergenaue Satellitenpositionen und Satellitenuhrparameter ausgestrahlt werden (übrigens auch für GPS-Satelliten). Dies erfolgt (in Echtzeit) über mit dem Kontrollsegment verbundene Galileo-Satelliten und ist ein wesentlicher Baustein für hohe Nutzergenauigkeiten.  

Um ein exaktes Verständnis der Wirkung der Signale in realen Umgebungen zu erhalten, wird am Institut ein UAVlite-Testsystem aufgebaut. Dabei werden GNSS-Satelliten durch Drohnen abgebildet, diese strahlen mit einer am Institut entwickelten Technik neue Navigationssignale ab. Ein Netzwerk von Bodenstationen am Gelände der Universität empfängt diese Signale und bestimmt Position und Uhrfehler des Testsystems.

Beim autonomen Fahren liegt der Forschungsschwerpunkt am Institut abgesehen von der hohen Genauigkeit der Satellitennavigation auch darin Fehlpositionierungen zu vermeiden. Diese würden unweigerlich zu einer kritischen Fahrsituation führen. Um das zu verhindern werden Verfahren zur sogenannten Integritätsprüfung (einer Prüfung auf Vollständigkeit oder Unversehrtheit) aus der Luftfahrt adaptiert und mit statistischen Methoden verifiziert.

Die Art der Nutzung von Satellitennavigation beim autonomen Fahren ist Gegenstand einer aktuellen Diskussion. Favorisiert man eine sehr regulierte Verkehrsführung, dann folgt das Fahrzeug einer über GNSS definierten virtuellen Schiene (z.B. beim Einsatz auf der Autobahn), bei einer flexiblen Verkehrsführung kann GNSS einer künstlichen Intelligenz, die das Auto steuert, Orientierungshilfen liefern. Weiter setzt das Institut für den Bereich „Autonomes Fahren“ auf eine fusionierte Lösung aus globalen Satellitennavigationssystemen, Trägheitsnavigation und LiDAR-Systemen (Light-Detection and Ranging). Diese sind in der Lage die Umgebung dreidimensional zu erfassen. Damit kann eine Umgebungskarte erstellt werden oder es kann aus der Änderung der Messwerte auf die relative Bewegung des Nutzers geschlossen werden. Zu diesem Zweck hat das Institut auch einen entsprechenden Messbus entwickelt.

GNSS zur Verfolgung von Fahrzeugen und Nutzern

GNSS soll auch dazu benutzt werden, um Geisterfahrer auf Autobahnen rasch zu erkennen und den Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer zu warnen. Dazu werden am Institut Methoden entwickelt, um insbesondere Fehlwarnungen auszuschließen. Hierzu wurde ein cloudbasiertes Testsetup entworfen, um die Detektion mittels Smartphones im Auto durchführen zu können. Insbesondere wird untersucht, inwieweit GNSS die Genauigkeit und Zuverlässigkeit liefert, um Kontakte zwischen Personen festzustellen, oder ob der Nutzen eher im Bereich der großräumigen Bewegungsabläufe liegen wird.

Untersuchungen zu authentischen Signalen für Cybersicherheit

Die Fälschungssicherheit von GNSS-Signalen ist heutzutage im Rahmen der generellen Diskussion über Cybersicherheit von besonderer Bedeutung. Dies betrifft sowohl militärische als auch zivile Anwendungen wie zum Beispiel digitale Straßenmaut, Computerspiele oder Hochseefischerei. Sicherheitskritische Anwendungen sind in der Luftfahrt aber auch in der Synchronisierung des Stromnetzes oder von Mobilfunknetzen zu finden. Dazu werden am Institut relevante Fälschungsszenarien untersucht und nachgestellt und GNSS-Signale auf ihre Robustheit untersucht. Des Weiteren finden theoretische und simulative Untersuchungen zur Entwicklung von neueren besonders fälschungssicheren Signalen statt.

 

Dieser Artikel enthält Teile aus dem Beitrag von Prof. Thomas Pany (Professur für Satellitennavigation) für die englischsprachige Forschungsbroschüre Research Spotlights 02 der Universität. Die digitale Version steht hier zum Download bereit.


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Titelbild: © iStockphoto / tifonimages