Ein Unternehmen gründen an der Universität der Bundeswehr München
3 Juli 2020
Dr. Yannick Brand und Fabian Schmitt haben sich mit ihrem Start-Up HAT.tec 2018 selbständig gemacht. Mit der Gründung konnten sie Ergebnisse aus ihrer Forschung verwerten und für die Industrie nutzbar machen.
Yannick Brand studierte an der Universität der Bundeswehr München im Studiengang Luft- und Raumfahrttechnik (LRT) und war im Anschluss daran an der Professur für Flugmechanik und Flugführung bei Prof. Axel Schulte als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig, im Mai 2020 konnte er dort seine Doktorarbeit mit der Bestnote „Summa Cum Laude“ abschließen. Am Institut lernte er Fabian Schmitt kennen, der sein LRT-Studium an der TU Braunschweig absolvierte und danach ebenfalls für Prof. Schulte an den Themen Missionsplanungen und Koordination von bemannten und unbemannten Luftfahrzeugen arbeitete.
Als die beiden im Jahr 2018 ihr letztes Projekt am Institut zum Abschluss gebracht hatten, sahen sie ihre Chance, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen und gleichzeitig ihre Forschung aus den vergangenen Jahren in die Praxis zu überführen. Die HAT.tec GmbH ist eine Ausgründung des Instituts für Flugsysteme, Professur für Flugmechanik und Flugführung, und beschäftigt sich mit der Industrialisierung der Forschungsergebnisse zu "Human-Autonomy Teaming". Nach dem gemeinsamen Start mit einem „Launching Customer“ (Erstanwender oder Erstkunde) aus der Luftfahrtindustrie entwickelte sich das Start-Up im letzten Jahr so gut, dass die beiden Gründer nun schon mit 10 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Projektteam für verschiedene Kunden arbeiten.
Was heißt "Human-Autonomy Teaming"?
Insbesondere in der Luftfahrt bedienen Piloten inzwischen eine Vielzahl hochautomatisierter Systeme. Schnelle und gleichermaßen kritische Entscheidungen sind in diesem Umfeld Normalität. Die dazu erforderlichen kognitiven Aufgaben (Verstehen, Planen, Überwachen, Entscheiden) verbleiben bisher jedoch beim Menschen. Die Übertragung solcher Aufgaben auf technische Systeme wird die Zusammenarbeit von Mensch und Automation grundlegend und nachhaltig verändern. Die Auswirkung dieser neuen Automation wird jedoch nicht darin bestehen, menschliche Fähigkeiten zu ersetzen, sondern diese durch das Kombinieren der Stärken der beiden unterschiedlichen Partner zu erweitern und systematisch zu verbessern. Durch diesen als Human-Autonomy-Teaming (HAT) bezeichneten Ansatz kann die Missionsleistung, insbesondere in hochkomplexen Umgebungen, erheblich gesteigert werden.
HAT.tec entwirft und entwickelt Planungs-, Führungs- und Assistenzsysteme, die Piloten bei ihren Aufgaben entlasten und unterstützen. Durch den Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) und Berücksichtigung von Konzepten menschlicher Informationsverarbeitung sind diese Systeme in der Lage situationsangepasst zu handeln. Ein konkretes Anwendungsbeispiel ist die Führung unbemannter Luftfahrzeuge (UAV). Durch die gezielte Übertragung von kognitiven Fähigkeiten und Kontextwissen auf unbemannte Luftfahrzeuge kann der nötige Aufwand zur Führung erheblich reduziert werden. In der Praxis können solche unbemannten Luftfahrzeuge beispielsweise zur Suche von Vermissten eingesetzt werden. Durch zusätzliche Informationen, die ein Mensch dem System mitteilt, wie etwa die Farbe der Kleidung, kann das UAV seinen Auftrag selbstständig umsetzen. Aufgrund der Eigenständigkeit des UAV bei der Aufgabenausführung kann die Steuerung der unbemannten Luftfahrzeuge nicht nur von einer Bodenstation aus erfolgen, sondern ebenfalls aus einem bemannten Luftfahrzeug. Dieses als Manned-Unmanned Teaming bezeichnete Konzept reduziert die Reaktionszeit, die Anforderung an den Datenlink und steigert die Effizienz im Vergleich zum reinen Einsatz von bemannten Luftfahrzeugen. Weitere praktische Anwendungsfelder sind zum Beispiel die Inspektion von Industrieanlagen oder Aufgaben aus dem Verteidigungs- und Sicherheitsbereich. Die beiden HAT.tec-Gründer betonen außerdem, dass ihre Technik auch außerhalb der Luftfahrt einsetzbar sei.
Die Kernkompetenz von HAT.tec bildet die eigene Software, die in verschiedenen Modulen ganz auf die Wünsche der Kunden angepasst werden kann. Die Forschung am Institut für Flugsysteme bei Prof. Schulte bildet hierfür die konzeptionelle Grundlage. Durch die starke Vernetzung der beiden Gründer mit dem Institut und den Partnern der Universität können Konzepte aus der Theorie in die Praxis gehoben und für Kunden industriell nutzbar gemacht werden.
Gründen an der Bundeswehruniversität
Auf den ersten Blick scheint es ein Widerspruch zu sein, an der Universität der Bundeswehr München ein eigenes Start-Up zu gründen. Schließlich ist der Großteil der Studierenden hier Soldat oder Soldatin und so bereits für den Dienst in der Truppe nach Abschluss des Studiums vorgesehen. Doch auch hier gibt es sie, die Vordenker und Kreativen, die mehr aus ihrer theoretischen Ausbildung machen wollen. Mit dem Programm founders@unibw hilft die Universität allen Gründungswilligen auf ihrem Weg.
Die Gründung von HAT.tec lag noch vor dem offiziellen Startschuss der Entrepreneurship-Förderung der Uni. Dennoch fühlten sich Brand und Schmitt zum Beispiel bei der Beantwortung juristischer Fragestellungen gut beraten und unterstützt. Seit dem offiziellen Start des Entrepreneurship-Programms gibt es auch eine offizielle Anlaufstelle für alle Fragen rund ums Gründen, die auch die beiden noch regelmäßig nutzen.
Besonders großes Potenzial für eine Selbständigkeit aus der Forschung heraus sehen die Jungunternehmer bei den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Professuren. Die meist zivilen Angestellten sind freier in ihren Möglichkeiten und finden an der Universität ein gutes Netzwerk dafür. Das A und O bei der Gründung ist laut Brand und Schmitt sowieso das Networking mit anderen Gründern und Partnern. Besonders gut eigneten sich dafür die Meetups, die die Vizepräsidentin für Entrepreneurship & den Hochschulbereich für Angewandte Wissenschaften, Prof. Rafaela Kraus ins Leben gerufen hat und die vom founders@unibw-Team regelmäßig veranstaltet werden. Diese Treffen sind offen für alle Interessierten aus der Universität, können aber auch von Interessenten von außerhalb genutzt werden, ganz gleich ob diese bereits Gründer sind, oder erst am Anfang einer Idee stehen.
Von der ESA gefördert
Unter anderem durch die Meetups erfuhren die HAT.tec-Gründer auch von einem Förderprogramm der Europäischen Weltraumorganisation ESA, für das sie sich daraufhin bewarben. Mit dem Programm „ESA BIC“ wird das Start-Up nun für anderthalb Jahre sowohl finanziell als auch mit technischer Beratung gefördert. Außerdem erhielten sie vor wenigen Monaten den Zuschlag für eine Förderung des bayerischen Wirtschaftsministeriums, das Förderprogramm „Technologieorientierte Unternehmensgründungen“ (BayTOU). Diese Förderungen sind nicht nur eine große Unterstützung für das Start-Up, sondern auch ein wichtiges Zeichen für die Qualität ihrer Arbeit.
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Mehr zum Entrepreneurship-Programm der Universität der Bundeswehr München finden Sie hier hier >>
Titelbild: Die beiden Gründer Yannick Brand (re.) und Fabian Schmitt (li.) vor ihrem Hardware-In-The-Loop Simulator (© HAT.tec GmbH)