Harter und zäher Damaszener-Stahl aus dem 3D-Drucker

22 Juli 2020

Ein Forscherteam um Prof. Eric Jägle (Institut für Werkstoffkunde) entwickelte ein Verfahren, mit dem man Damaszener-Stahl im 3D-Drucker in einem Schritt fertigen und härten kann.

Das Material genießt einen legendären Ruf. Damaszener Stahl ist gleichzeitig hart und zäh, weil er aus Schichten unterschiedlicher Eisenlegierungen besteht. Das machte ihn im Altertum zum Material der Wahl vor allem für Schwertklingen. Jetzt hat ein Team des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung in Düsseldorf und des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik in Aachen zusammen mit Prof. Eric Jägle ein Verfahren entwickelt, mit dem man Stahl im 3D-Drucker schichtweise fertigen und dabei die Härte jeder einzelnen Lage gezielt einstellen kann. Wie Prof. Jägle und Dr. Philipp Kürnsteiner zusammen mit ihrem Team in einem aktuellen Paper in der Zeitschrift „Nature” veröffentlichten, lässt sich durch gezielte Temperaturführung ein Verbundwerkstoff mit unterschiedlich harten Metallschichten erzeugen. Solche Verbundwerkstoffe könnten für Bauteile in der Luft- und Raumfahrt oder für Werkzeuge interessant sein.

Aus der Not geboren und zur Legende geworden: Schmiede des Altertums konnten die Eigenschaften von Eisenlegierungen nur über deren Kohlenstoffgehalt beeinflussen. So erhielten sie entweder einen weichen und zähen oder einen harten, aber spröden Stahl. Vor allem in Schwertern waren aber beide Eigenschaften gefragt, damit die Klingen in einer Schlacht nicht brachen oder sich die Kämpfer aus dem Getümmel zurückziehen mussten, um ihre Klingen wieder gerade zu biegen.

Schon keltische Schmiede kombinierten daher verschiedene Eisenlegierungen, anfangs vielleicht nur, um das wertvolle Eisen wiederzuverwerten, und erhielten so den Stoff, der später als Damaszener Stahl oder Damast bekannt wurde. Den Namen verdankt er dabei dem Handelsplatz, über den das Verbundwerkstoff orientalischer Herkunft nach Europa kam. Doch während indischer und arabischer Damast durch einen ausgeklügelten Verhüttungsprozess entstand, entwickelten europäische Schmiede die Kunst, zwei Legierungen zu vielen dünnen Schichten zu falten. Der schichtartige Aufbau von Damaszener Stahl ist in der Regel auch optisch an einer charakteristischen Streifen-Musterung zu erkennen.

Durch den Laserstrahl lässt sich die Kristallstruktur verändern

Zwar gibt es heute Stähle die zugleich hart und zäh sind, doch ließen diese sich bisher nicht gut mit dem 3D-Drucker herstellen. 3D-Druck ist für die industrielle Herstellung vieler komplexer Bauteile die perfekt geeignete Methode. Neben Kunststoffteilen lassen sich damit längst auch Metallgegenstände herstellen. Dabei wird die jeweilige Legierung in fein pulverisierter Form zugeführt, von einem Laserstrahl geschmolzen und dann Schicht für Schicht auf dem herzustellenden Werkstück aufgetragen.

Der Laserstrahl ermöglicht es aber nicht nur, das jeweilige Material zu schmelzen. Über ihn lässt sich, ganz nebenbei, auch Energie in die oberflächennahe Schicht des bereits wiedererstarrten Metalls eintragen. Genau das nutzte das Team um in einzelnen Metallschichten gezielt die Kristallstruktur des Stahls zu verändern – und so die mechanischen Eigenschaften zu beeinflussen, ohne die chemische Zusammensetzung zu ändern. Auf die Art gelang es ihnen Stahl mit abwechselnd weichen (duktilen) und harten Lagen zu erschaffen – eine Art Damaszener Stahl also. Erstmals ist es damit gelungen, eine solche Eigenschaftsabfolge aus ein und demselben Ausgangsmaterial und zugleich direkt während des Fertigungsprozesses zu erzielen. 

Objekte mit weichem Kern und harter Oberfläche

Um die Mikrostrukturen während des 3D-Druckens zu beeinflussen, eignet sich eine Vielzahl an Prozessparametern. Zusätzlich oder statt der Pausenzeit, die in dieser Studie variiert wurde, kann man die Martensit-Bildung und anschließende Ausscheidungshärtung auch über die Laserenergie, den Laserfokus oder die Druckgeschwindigkeit variieren oder indem man externe Heiz- und Kühltechniken einsetzt.

In ihren Experimenten stellen die Forscher würfel- oder quaderförmige Stahlstücke mit Seitenlängen von wenigen Zentimetern her. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich dann auch auf Objekte mit komplexeren Geometrien übertragen, für die der computergesteuerte 3D-Druck interessant ist. Außerdem ist der Damaszener-artige Stahl mit den periodisch wechselnden Schichten nur ein Beispiel für die Möglichkeit, die Mikrostruktur einer Legierung bereits während des Herstellungsprozesses lokal zu beeinflussen. Zum Beispiel sei es genauso gut möglich, Bauteile mit einem durchgehend weichen Kern zu erschaffen, die dann von einer harten, abriebfesten äußeren Schicht umgeben sind. So kombiniert man „das Beste aus beiden Welten“, erklärt Prof. Jägle, wie bei anderen Verbundwerkstoffen auch. Grundlegend neu ist aber, dass man mit diesem Verfahren alles in einem Schritt und aus einem Werkstoff erreichen kann, ganz ohne Nachbehandlung.*

 

*Dieser Artikel basiert auf der Originalpublikation von Prof. Jägle, Professor für Werkstoffe für additive Verfahren am Institut für Werkstoffkunde, die er und Dr. Philipp Kürnsteiner zusammen mit ihrem Team verfassten. Er ist vor kurzem in der Zeitschrift „Nature“ erschienen (P. Kürnsteiner, M. B. Wilms, A. Weisheit, B. Gault, E. A. Jägle, D. Raabe: High-strength damascus steel by additive manufacturing. Nature 582 (2020) 515-519. doi: 10.1038/s41586-020-2409-3).


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Titelbild: © Frank Vinken