FZ RISK: Kritische Infrastrukturen nicht geschützt
11 Oktober 2022
Ein mutmaßlicher Sabotageakt bei der deutschen Bahn, Gas-Lecks in den Nordstream-Pipelines: Solche Ereignisse werfen die Frage auf, wie gefährdet die Kritische Infrastruktur in Deutschland ist. Seit mittlerweile zehn Jahren untersucht das Forschungszentrum RISK (Risiko, Infrastruktur, Sicherheit und Konflikt) an der Universität der Bundeswehr München den Zusammenhang von Risiko, Infrastruktur, Sicherheit und Konflikt.
Wie steht es um die Kritische Infrastruktur in Deutschland? Eine Einschätzung von Prof. Norbert Gebbeken, Professor für Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften und Mitgründer von RISK.
Kritische Infrastrukturen werden in Deutschland, bis auf wenige Ausnahmen, nicht geschützt. Die 10 Sektoren der kritischen Infrastrukturen sind: Energie, Ernährung, Finanz- und Versicherungswesen, Gesundheit, Informations- und Kommunikationstechnik, Siedlungsabfallentsorgung, Medien und Kultur, Staat und Verwaltung, Transport und Verkehr sowie Wasser. Bei Naturkatastrophen wie Sturzfluten und Extremstürme fallen unsere kritischen Infrastrukturen regelmäßig nahezu vollständig aus, und das seit Jahrzehnten. Wir haben leider nichts daraus gelernt. Da fast alle Systeme der kritischen Infrastrukturen frei zugängig sind, sind sie auch durch Unfälle, Sabotage und Terrorismus gefährdet. Die Forderungen nach einem schnellen Wiederaufbau, wie nach der Ahrtal-Katastrophe, führen dazu, dass wir die Schwachstellen nicht analysieren und die kritischen Infrastrukturen resilienter auslegen. Es bedarf dringend einer Analyse der Verwundbarkeiten kritischer Infrastrukturen, gefolgt von Risiko- und Resilienzanalysen. Darauf aufbauend muss ein Maßnahmenkatalog erstellt werden. Der Ausfall kritischer Infrastrukturen erzeugt nicht nur sächliche Schäden, sondern kann Menschenleben kosten, wie die Ahrtal-Katastrophe schmerzlich gezeigt hat. Fazit: Wir müssen unsere kritischen Infrastrukturen besser schützen.
RISK-Jahreskolloquium
Beim diesjährigen Jahreskolloquium des Forschungszentrums RISK, das vom 6. bis 7. Oktober im Uni-Casino stattfand, wurde auch das 10-jährige Bestehen des Forschungszentrums gefeiert. Mittlerweile beteiligen sich insgesamt acht Fakultäten an dem Forschungszentrum – zu Beginn waren es lediglich zwei, wie Prof. Jasmin Riedl, Professorin für Politikwissenschaft gleich zu Beginn bei Begrüßung der Gäste betonte. Diese Besonderheit der interdisziplinären Zusammenarbeit verschiedener Fakultäten unterstrich auch die Präsidentin Prof. Merith Niehuss bei Ihrem Grußwort. Genauso sei die thematische Ausrichtung von RISK bedeutend: „Die Thematik der Sicherheit hat uns fest im Griff“, dies gelte vor allem heutzutage mit der vielfältigen Überlappung einzelner Krisenszenarien. Vizepräsidentin Prof. Eva-Maria Kern gab u. a. Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte wie das Projekt RISK.twin, das sich mit intelligenten kritischen technischen Infrastrukturen beschäftigt.
(v.l.n.r.): Prof. Norbert Gebbeken, Prof. Eva-Maria Kern, Präsidentin Prof. Merith Niehuss, Prof. Ortwin Renn, Prof. Wolfgang Bonß, Prof. Jasmin Riedl, Prof. Karl-Christian Thienel (© RISK/Patricia Lucas)
Prof. Ortwin Renn, Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) und langjähriger RISK-Wegbegleiter, hielt den Festvortrag zur Tagung mit dem Titel: „Zeitenwende. Umgang mit systematischen Risiken in Zeiten überlappender Krisen“. Daran anschließend fand eine Podiumsdiskussion statt, bei der Prof. Wolfgang Bonß (RISK-Mitgründer), Prof. Norbert Gebbeken (RISK-Mitgründer), Präsidentin Prof. Merith Niehuss und Prof. Ortwin Renn in einer Retrospektive die letzten zehn Jahre des Forschungszentrums Revue passieren ließen. Dabei bezeichnete Prof. Niehuss RISK als Initialzündung, die dafür gesorgt hat, Fakultätsgrenzen zu sprengen und den überfakultären Gedanken in der Universität zu verbreiten.
Schutz oder Zwang?
Am zweiten Tag des Jahreskolloquiums ging es in verschiedenen Vorträgen und Diskussionen um das Thema: „Schutz oder Zwang? Wahrnehmung und Wirkung staatlicher Antworten auf globale Herausforderungen“. Staatliche Maßnahmen können eine enorme gesellschaftliche Sprengkraft entfalten, denn politische Entscheidungen greifen teils tief in individuelle Handlungsfreiheiten ein. Der Staat wird daher in Teilen der Gesellschaft auch als Bedrohung wahrgenommen. Über genau diese Herausforderung und Lösungswege diskutierten die Teilnehmenden des RISK-Jahreskolloquium 2022.
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