„Geschlechtsidentität in der Bundeswehr hat sehr wenig Raum“

13 Juni 2024

Oberstleutnant Anastasia Biefang besucht ihre Alma Mater, um Studierende über die Herausforderungen ihres Werdegangs als Transgender-Frau zu sensibilisieren.

Die Idee, Oberstleutnant Biefang an die Universität der Bundeswehr München (UniBw M) einzuladen, hatten zwei Masterstudierende von Prof. Erik Ode vom Institut für Bildungswissenschaft. Die pädagogische Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten und oft kontroversen Themen ist Teil ihres Studiums.

Oberstleutnant Biefang, die selbst in 1994 Pädagogik an der UniBw M studierte, folgte der Einladung und hielt am 11. Juni einen Vortrag zum Thema „Geschlechteridentität(en) in der Bundeswehr – Aufgaben & Herausforderungen“ im Audimax der UniBw M.


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Oberstleutnant Biefang spricht offen mit den Studierenden über ihre eigenen Erfahrungen (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)


Zu Beginn ihres Vortrags stellte Biefang die historischen Meilensteine zum Thema Diversität in der Bundeswehr vor. So war zum Beispiel der Dienst an der Waffe für Frauen erst ab 2001 möglich, nachdem eine Bewerberin dies eingeklagt und der Europäische Gerichtshof dem statt gegeben hatte. Auch der Umgang mit Homosexualität war in der Historie der Bundeswehr ein schwieriger:  
So sprach ein Erlass des BMVg von 1984 Soldaten mit homosexuellen Neigungen pauschal die Eignung als Vorgesetzte ab. Wer nicht direkt entlassen wurde, musste damit rechnen, nicht mehr befördert oder mit höherwertigen Aufgaben betraut zu werden. Das BMVg hob diesen Erlass erst am 3. Juli 2000 auf.

Inklusive Umfelder, so Biefang, entstehen aber nicht nur, weil ein Erlass zurückgenommen wird oder es eine Diversity-Strategie gibt. „Inklusive Umfelder entstehen, wenn Menschen sich dafür einsetzen“, so Biefang.

Welche Rolle spielt Geschlechtsidentität in der Bundeswehr im Jahr 2024?

„Wir geben dem Thema sehr wenig Raum. Es wird sehr oft heruntergedrückt in der Frage ‚Müssen wir uns jetzt um dieses Thema mit dem Gender auch noch kümmern?‘. Und dann frage ich mich – wenn es ein Thema ist, das mit Menschen zu tun hat, dann kann man dem eigentlich gar nicht genug Raum geben“, so Biefang. „Was ich merke – es ist ein schwieriges Thema und es ist ein Thema, das in den Generationen sehr verschieden angenommen wird,“ fügte sie hinzu.

Biefang outete sich 2015 und hatte davor immer das Gefühl „keinen Platz zu haben und zu finden“ und nannte zahlreiche diskriminierende Beispiele und schwierige Situationen an. Das Outing stieß bei etlichen Kameradinnen und Kameraden bis hin zu Vorgesetzten auf ein gemischtes aber auch auf ein positives Echo.

Auch gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Regelungen in der Bundeswehr. „Es war schwierig und ich hätte mir mehr Sichtbarkeit gewünscht. Wenn Sichtbarkeit da ist und ich weiß, ich existiere oder ich darf existieren und ich finde Leute, die mir irgendwie ähnlich sind, dann fühlt man sich auch angenommen und fragt sich nicht: ‚Was passiert eigentlich mit mir, wenn ich mich geoutet habe?‘. Und das wusste ich nicht, als ich mich geoutet habe“, so Biefang.

Das Thema Diversity habe laut Biefang in der Bundeswehr in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen. Nach und nach sei mehr Verständnis und Respekt spürbar. Luft nach oben gebe es auf jeden Fall noch. „Mein Job bei der Bundeswehr ist dennoch der geilste der Welt über den ich mich jeden Tag freue“, so Biefang.

Lisa-Marie Wohlfart, eine Mitarbeiterin von Prof. Ode, sowie Studierende stellten Biefang in einer Art Podiumsdiskussion zahlreiche Fragen zum Thema, die sich vor allem um die Verantwortung von militärischen Vorgesetzten im Umgang mit Diversity drehten. Verständnis und Respekt seien laut Biefang das a und o im Umgang miteinander.


Im Bildvordergrund sieht man die Hinterköpfe der Studierenden, die nach vorne zu den Tischen schauen, an denen drei Personen sitzen, in der Mitte Obersetleutnant Biefang, die zum Publikum spricht

Nach dem Vortrag von Oberstleutnant Biefang folgt eine Art Podiumsdiskussion mit Fragen von Lisa-Marie Wohlfart (Foto li.), einer Mitarbeiterin von Prof. Ode, sowie den Studierenden, die Oberstleutnant Biefang für den Vortrag angefragt haben (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)


Titelbild: Oberstleutnant Anastasia Biefang spricht im Audimax über ihre Aufgaben und Herausforderungen als erste Transfrau in der Bundeswehr (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)