Wie holen Spitzensportlerinnen und -sportler eine Goldmedaille?

9 August 2024

Gold, Silber oder Bronze: Das Training von Spitzensportlerinnen und -sportlern entscheidet über Nuancen. Prof. Annette Schmidt und Dennis Krüger von der Universität der Bundeswehr München (UniBw M) wissen, wie richtiges Training im Spitzensport aussieht.

Prof. Schmidt vom Institut für Sportwissenschaft und der Sportwissenschaftler und Leichtathlet Dennis Krüger erklären im Interview, wie Spitzensportler ihr Training optimal gestalten.

Prof. Schmidt, wodurch zeichnet sich Spitzensport aus?

Spitzensport ist ein Zusammenspiel von Disziplin, Strategie und wissenschaftlicher Präzision. Tägliche Routinen, gezielte Trainingssteuerung, präzise Leistungsdiagnostik und eine enge Trainer-Athlet-Beziehung sind die zentralen Bausteine, die Spitzenleistungen ermöglichen.

Spitzensportlerinnen und -sportler trainieren oft mehrmals täglich, da sie spezifische Fähigkeiten und körperliche Konditionen entwickeln und optimieren müssen. Das Training wird dabei in verschiedene Einheiten unterteilt, um unterschiedliche Ziele zu erreichen und die Belastung auf den Körper zu verteilen.

Herr Krüger, wie sieht der optimale Trainingsablauf an einem Tag aus?

Kraft- und Schnelligkeitstraining sowie neuromuskuläre Aktivierung finden am Morgen statt. Diese Einheiten konzentrieren sich auf den Aufbau von Muskelkraft, Schnelligkeit und Explosivität. Darunter versteht man die Fähigkeit, Bewegungen schnell ausführen zu können bzw. einen möglichst großen Kraftimpuls zu erzeugen. Der Körper ist nach einer erholsamen Nacht am besten in der Lage, intensive Kraftübungen durchzuführen. Morgens ist auch die Testosteronproduktion höher, was für den Muskelaufbau vorteilhaft ist. Darüber hinaus verbessert insbesondere die neuromuskuläre Aktivierung bei Spitzenfußballspielerinnen und -spielern die Ergebnisse von Schnelligkeitsübungen. Zu diesen Übungen gehören Gewichtheben, Plyometrie – also Sprungübungen – und Sprinttraining.

Am Nachmittag folgen Technik- und Taktikübungen. Ziel dieser Einheiten ist, die sportartspezifischen Fähigkeiten und Strategien zu verbessern. Nach einer Pause oder einer leichten Mahlzeit am Mittag ist der Körper wieder bereit für anspruchsvolle, aber weniger intensive Übungen als das morgendliche Krafttraining. Dies ist eine gute Zeit, um die Feinmotorik und die kognitiven Fähigkeiten zu trainieren. Zu den Technik- und Taktikübungen gehören zum Beispiel Ballübungen, Spielsimulationen und taktische Anweisungen.

Später am Tag folgt das Ausdauertraining. Hier wird die kardiovaskuläre Fitness verbessert, die Ausdauer gesteigert und die Regenerationsfähigkeit des Körpers unterstützt. Im Laufe des Tages ist der Körper bereits aufgewärmt und auf einem höheren Energielevel. Am Ende des Tages hilft es auch, den Stress der vorherigen intensiven Einheiten zu verarbeiten und trägt zur aktiven Erholung bei. Beispiele für ein Ausdauertraining sind Langstreckenläufe, Radfahren oder Schwimmen.

Prof. Schmidt, Stichwort Olympische Spiele: Mit welchem Trainingsansatz gelangen Spitzensportlerinnen und -sportler am ehesten zur Goldmedaille?

Der erfolgreichste und vermeintlich neueste Ansatz im Ausdauertraining, um Goldmedaillen zu gewinnen, scheint der norwegische Ansatz zu sein. Dieser ist auch unter dem Namen „Bakken’s training principles“ bekannt. Der weltbeste europäische Läufer Jakob Ingebrigtsen und der norwegische Triathlet Kristian Blummenfelt trainieren nach diesem Prinzip.

Dabei trainiert man nach dem LGTIT-Ansatz – das steht für "Low-Intensity Training in Intervals with Threshold“. Dieser Ansatz basiert auf der Idee, dass Athletinnen und Athleten ihre Leistung durch eine Kombination von langen, niedrigintensiven Trainingseinheiten und intensiven Trainingseinheiten optimieren können.

Was sind Merkmale des LGTIT-Ansatzes?

Das niedrigintensive Training dient dem Aufbau und der Verbesserung der aeroben Kapazität, also der maximalen Sauerstoffkapazität in der Muskulatur. LIT-Sitzungen bestehen oft aus langen, gleichmäßigen Belastungen bei geringer Intensität. Sie ermöglichen es dem Athleten oder der Athletin, über längere Zeiträume zu trainieren, ohne dabei zu ermüden. Beispiele sind lange Läufe, Radfahren oder Schwimmen mit einer Intensität, bei der man sich unterhalten kann.

Intervalle mit Schwellenintensität dienen der Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme und der anaeroben Kapazität. Die anaerobe Kapazität beschreibt die maximale Arbeit, die ein Körper im anaeroben Stoffwechsel ohne Sauerstoffverbrauch leisten kann. Diese Intervalle werden an der anaeroben Schwelle oder knapp darüber durchgeführt, was das Tempo oder die Intensität betrifft. Bei einer Überschreitung der anaeroben Schwelle beginnt der Körper signifikant mehr vom Stoffwechselzwischenprodukt Laktat zu produzieren. Befindet sich zu viel Laktat im Muskel, übersäuert und ermüdet er. Wiederholte Belastungen von drei bis acht Minuten mit hoher Intensität und anschließenden kurzen Erholungsphasen zählen zu den Intervallen mit Schwellenintensität.

Vielen Dank für das Gespräch, Prof. Schmidt und Herr Krüger!

 


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