Sportpsychologie: Nonverbale Kommunikation deuten
15 April 2021
Wie wirkt sich Körpersprache im (Mannschafts-)Sport aus? Mit dieser Frage beschäftigt sich Dr. Kirstin Seiler an der Professur für Sportpsychologie.
In der Kommunikationswissenschaft hat sich ein Satz von Paul Watzlawick bereits über Jahre etabliert: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Eine ausbleibende Unterhaltung ist also nicht gleichzusetzen mit fehlender Kommunikation. Diese findet nonverbal sowohl bewusst als auch unbewusst statt, denn auch der Körper, die Gestik und die Mimik können „sprechen“. Diese Körpersprache zu deuten ist nicht immer einfach: So kann ein Lächeln ein Hinweis auf gute Laune, auf Sympathie, aber auch auf das komplette Gegenteil sein, wenn das Gegenüber mit einem falschen Lächeln versucht zu täuschen.
Menschen nehmen automatisch und unbewusst die Körpersprache anderer wahr
Auch in der Sportpsychologie kann die Aussage Watzlawicks angewandt werden. Im Wettkampfsport werden Emotionen häufig bewusst aber auch unbewusst nonverbal geäußert. Wichtig ist: Nonverbales Verhalten kann sowohl von Teammitgliedern als auch von der gegnerischen Mannschaft oder von Zuschauerinnen und Zuschauern gedeutet werden. Diesen interpersonalen Effekten von Körpersprache widmet sich Dr. Kirstin Seiler, Mitarbeiterin an der Professur für Sportpsychologie an der Universität der Bundeswehr München in ihrer Forschung. Konkret geht es darum, wie sich Körpersprache auf die Gegnerinnen und Gegner sowie auf die Mitspielerinnen und Mitspieler im (Mannschafts-)Sport auswirkt. Wichtig sind dabei folgende Fragen: Wie beobachten wir nonverbales Verhalten? Und welche Rückschlüsse können wir daraus auf die Leistung der Person und in diesem Zusammenhang auch auf unsere eigene Leistung ziehen?
Menschen nehmen automatisch und unbewusst die Körpersprache, also das nonverbale Verhalten, anderer wahr. Daraus lesen sie Emotionen des anderen ab und ziehen Rückschlüsse auf sich und ihr eigenes Verhalten. Diese Fähigkeit, nonverbale Verhaltensweisen wahrzunehmen und deuten zu können, gilt als angeboren und lässt sich mit Hilfe der Evolutionstheorie erklären: Die Wahrnehmung von dominantem nonverbalem Verhalten als Zeichen von Überlegenheit im Gegensatz zu unterwürfigem nonverbalem Verhalten als Geste der Unterlegenheit war bereits bei unseren Vorfahren evolutionär vorteilhaft, da eine entsprechende Reaktion (Flucht oder Kampf) das Überleben sichern konnte.
„Man sieht ihnen bereits an der Körpersprache an, dass sie das Spiel verlieren werden!“
Laut Dr. Seiler ist es gerade im Team-Sport aufgrund sich ständig verändernden Situationen häufig schwierig, verbal zu kommunizieren. Deshalb findet der Austausch oft über die Körpersprache statt. Auch Kommentatoren im Sport greifen regelmäßig auf diese Beobachtung zurück: „Man sieht ihnen bereits an der Körpersprache an, dass sie das Spiel verlieren werden!“ Die Wissenschaftlerin untersucht, wie stark das nonverbale Verhalten von Mit- und Gegenspielern und -spielerinnen aufgenommen wird und wie es sich auf die Erfolgszuversicht und am Ende auf die tatsächliche Leistung auswirkt. Bereits existierende Studien weisen darauf hin, dass die Körpersprache einen sehr starken Einfluss auf die Erfolgszuversicht und das Selbstbewusstsein der eigenen Mannschaft und des gegnerischen Teams hat. Dies lässt sich am Beispiel der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2018 gut demonstrieren. Deutschland reiste als Titelverteidiger in der Favoritenrolle an, konnte diese jedoch nicht bestätigen. Die Körpersprache der Mannschaft verschlechterte sich im Lauf eines Spiels, was sich beispielsweise an den hängenden Schultern oder den gesenkten Köpfen der Spieler zeigte. Dieses nonverbale Verhalten baute wiederum den eigentlichen Außenseiter sehr stark auf, dadurch kehrte sich die Körpersprache der Teams um: Der vermeintlich schwächere Gegner wurde immer selbstbewusster, was sich durch eine breite Brust und eine aufrechte Köperhaltung zeigte, der Favorit verlor hingegen deutlich sichtbar den Glauben an einen Sieg.
Dr. Seiler hat in mehreren Studien genau dieses Verhalten getestet: Sie hat in einem experimentell angelegten Elfmeterschießen untersucht, wie sich eine positive Körpersprache von Torhütern (im Gegensatz zu einer negativen Haltung) auf die Erfolgszuversicht und Leistung der Elfmeter-Schützen auswirkt. Dabei war den Schützen die objektive Leistung der Torhüter bekannt. So mussten sie beispielsweise einschätzen, wie sie ihre Erfolgschancen sehen, den Elfmeter zu verwandeln, wenn der Torhüter zwar eine positive Körpersprache vermittelt, auf dem Papier aber eine schlechte Elfmeter-Bilanz hat oder das Gegenteil der Fall ist. Erstaunlicherweise zeigte sich dabei, dass die aktuelle Körpersprache häufig einen größeren Einfluss auf die Erfolgszuversicht und das Selbstbewusstsein des Schützen hat als das zahlenbasierte „Papierwissen“.
Bedeutung von Körpersprache auch in anderen Sportarten?
Nicht nur im Fußball sondern auch in diversen anderen Sportarten scheint die Körpersprache sehr bedeutsam zu sein. So beschäftigt sich Dr. Seiler in einem aktuellen Projekt in Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit der Frage, ob und wie man anhand der Körpersprache den Ausgang des aktuellen Ballwechsels im Tennis erkennen kann. Zusätzlich wird dabei im institutsinternen Labor untersucht, inwieweit sich diese Fähigkeit der Emotionserkennung unter psychischer und körperlicher Belastung verändert. Konkret geht es dabei darum zu prüfen, ob unsere Fähigkeit, Körpersprache deuten zu können, in stressigen Situationen – beispielsweise also unter hohem Leistungsdruck und bei starker körperlicher Anstrengung – genauso stark ausgeprägt ist, wie wenn wir in entspannter Stimmung vor dem Fernseher sitzen.
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Titelbild: © iStockphoto / ilbusca