Wie Macht legitimiert wurde: Konferenz zur Geschlechtergeschichte

4 Juni 2021

Historikerin Prof. Hedwig Richter organisierte eine zweitägige internationale Konferenz zum Thema „Democracy and Gender: The Legitimation of Power in Modern Societies“, die online mit zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen stattfand.

Am 27. und 28. Mai 2021 fand die virtuelle Tagung des Historischen Instituts zum Thema „Demokratie und Geschlecht: Die Legitimation von Macht in modernen Gesellschaften“ statt. Die Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr München Hedwig Richter veranstaltete die Tagung gemeinsam mit Dr. Clara Maier von der Humboldt-Universität zu Berlin.

Die Konferenz war darauf ausgerichtet, die komplexen Wechselwirkungen zwischen der Entstehung der Massendemokratie und den radikalen Veränderungen der Geschlechterverhältnisse im 19. und 20. Jahrhundert zu untersuchen. Mit Beiträgen von Historikerinnen und Historikern sowie Expertinnen und Experten aus den Politikwissenschaften wurde ein breites Spektrum an Forschungsschwerpunkten vorgestellt, die darauf abzielen die Rolle der Geschlechter im Funktionieren, der Legitimation und De-Legitimation der modernen Demokratie besser zu verstehen.

Am Vorabend der Konferenz wurde diese durch eine öffentliche, virtuelle, Veranstaltung mit dem Literaturhaus München eröffnet. Die Historikerin Prof. Barbara Stollberg-Rilinger hielt mit „Monarchie und Geschlecht“ den ersten Vortrag über die geschlechterspezifischen Ordnungen, die in der folgenden Tagung in verschiedenen Epochen der Geschichte dargestellt wurden.

Zuvor richtete sich Präsidentin Prof. Merith Niehuss mit einem Grußwort an die Teilnehmenden und Gäste der Tagung. Sie sagte, sie freue sich ungemein, die Tagung eröffnen zu dürfen. Sie sieht sich und ihre Kollegin Prof. Richter selbst ein Stück weit als Teil der Geschlechtergeschichte an, sagte sie zur Begrüßung. Prof. Niehuss hatte von 1994 bis zu ihrer Wahl zur Präsidentin 2005 die Professur für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr München inne, die nun von Prof. Richter geführt wird. Sie forschte selbst zu Gender-Themen und wurde mit der Berufung 1994 die erste Historikerin in Bayern auf einer C4-Professur. Dass dies insbesondere an der Universität der Bundeswehr erstmals stattfand, findet sie „durchaus bemerkenswert“ und es zeige „den Reform-Charakter unserer Universität.“

Prof. Niehuss hielt weiterhin fest, dass „Gender History“ als Forschungsfeld noch nicht so alt sei, als dass man sie für selbstverständlich halten könnte. Daher begrüßte sie die Tagung des Historischen Instituts ausdrücklich. 


Drei Fragen an Prof. Hedwig Richter zur Tagung „Democracy and Gender“


1. Unter welcher Prämisse haben Sie und Clara Maier diese Tagung ins Leben gerufen und wie kam die Auswahl der Vortragsthemen zustande?

Die Idee zu dieser Tagung kam uns 2018. Wir waren am Hamburger Institut für Sozialforschung in der Forschungsgruppe "Demokratie und Staatlichkeit". Die große Bedeutung von Geschlecht für die neue Form partizipativer und demokratischer Herrschaftslegitimation seit dem Ende des 18. Jahrhunderts schien uns offensichtlich. Wir waren überrascht, dass es dazu in der Geschichtswissenschaft (anders als etwa in der Soziologie und Politikwissenschaft) nur wenig Forschung gibt. Die Frauengeschichte wird ja von der anderen Geschichtsschreibung, auch von der Demokratiegeschichte, eher wenig beachtet. Hinzu kamen die populistischen Strömungen damals. Der Gender-Bias bei der Wahl von populistischen Parteien (die von wesentlich mehr Männern als Frauen gewählt werden), aber auch einige Politiker wie Donald Trump mit seinem ganz eigenen Männlichkeitsbild haben uns dazu angeregt.

2. Welche Schlussfolgerungen können Sie aus der Tagung ableiten?

Wie fruchtbar es ist, Demokratie- und Geschlechterforschung zusammenzubringen. Das Verständnis von Demokratie war von Anfang an stark durch Geschlechtervorstellungen geprägt. In den USA zum Beispiel wurde im 19. Jahrhundert betont, dass Demokratie deswegen so leistungsstark sei und die beste Regierungsform darstelle, weil sie allein auf Männern beruhe (anders als die europäischen Monarchien, so wurde betont, wo Frauen mehr Einfluss hätten und sogar auf den Thron steigen könnten).

3. Welche Rückschlüsse dieser historischen Tagung können auf die Gegenwart (und ggf. Zukunft) gemacht werden?

 Das Wissen um die speziellen Vorstellungen von Männlichkeit, die mit Demokratie verbunden wurden (der selbständige, waffenfähige, rationale Mann, der zur Selbstregierung in der Lage ist), schärft den Blick für die Gegenwart. Welcher Typ Mann und welcher Typ Frau wird als besonders regierungsfähig in einer Demokratie betrachtet? Diese Vorstellungen verändern sich stark im Laufe der Zeit. Früher war es positiv, wenn ein Mann autoritär war, heute gilt das eher als problematisch. Bei Frauen hingegen gelten manchmal Eigenschaften, die bei Männer positiv gesehen werden, als problematisch ("machtbewusst" etwa ist für Männer eher gut, gilt bei Frauen aber häufig als "karrieregeil"; ähnlich auch "engagiert" bei Männern und "hysterisch" bei Frauen). 

Was die Geschichte aber auch zeigt, ist, dass es insgesamt viel Grund zum Optimismus gibt. Politik war um 1900 etwa für Frauen vielfach verschlossen, heute ist die Integration der gesamten Bevölkerung viel selbstverständlicher geworden. 


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Titelbild: © iStockphoto / bauhaus1000