Die Bundeswehr zwischen Anforderung und Überforderung
19 Februar 2019
Unter dem Motto „Bedingt einsatzbereit?: Die Bundeswehr zwischen Anforderung und Überforderung“ diskutierten MdB Henning Otte (2.v.r.), Dr. Claudia Major (1.v.l.) von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sowie Generalleutnant a.D. Horst-Heinrich Brauß (1.v.r.) miteinander. Moderiert wurde die Diskussion von Prof. Carlo Masala (2.v.l.) von der Universität der Bundeswehr München. Neben dem Podium war auch das Auditorium mit zahlreichen Experten der Sicherheitspolitik wie dem Generalinspekteur der Bundeswehr General Eberhard Zorn besetzt.
Nach der Begrüßung durch Präsidentin Prof. Merith Niehuss machte der Moderator Prof. Carlo Masala zunächst deutlich, dass es bei diesem Diskussionsthema nicht um Flugzeuge, die nicht fliegen oder Panzer, die nicht fahren, geht. Vielmehr sollte beleuchtet werden, wie die deutsche Sicherheitspolitik mit dem Spannungsfeld umgeht, das zwischen dem eigenen Anspruch der Gestaltung der Sicherheitsarchitektur, den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und den unterschiedlichen Forderungen der internationalen Partner, vor allem im NATO-Bündnis, besteht. Prof. Masala bedauerte ferner, dass ein eingeladener Vertreter einer Oppositionspartei leider kurzfristig abgesagt hatte. Der Bundestagsabgeordnete Henning Otte ging in seinem Eingangsstatement direkt auf das Diskussionsthema ein und erklärte, dass die Bundeswehr ohne Einschränkungen einsatzbereit sei und Deutschland seinen Führungsanspruch auch geltend machen müsse. Auch müsse laut Otte Deutschland seine Wertvorstellungen einbringen und die Bundeswehr darauf ausrichten. Otte sprach sich dabei für eine Vollausstattung der Bundeswehr, für eine Einhaltung der im Koalitionsvertrag gemachten Absprachen und eine Änderung der Vergabeordnung aus. „Wir müssen mehr in die Sicherheit investieren. Die Bürger haben ein Recht auf Schutz. Diese Diskussion muss geführt werden. Es geht um Frieden und Freiheit“, so Otte.
Große Debatte um das Geld
Im Anschluss stellte Prof. Masala die Vertreterin der Stiftung Wissenschaft und Politik Dr. Claudia Major als eine der kenntnisreichsten Expertinnen in Europa für die internationale Sicherheitspolitik vor. In ihrem Eingangsstatement bezeichnete Major die Bundeswehr als das Opfer einer verkorksten Verteidigungspolitik. Damit gab sie den Startschuss für eine lebhafte Diskussion. „Es gibt politische Zusagen für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 1,5% des Bruttoinlandsprodukts. Dann beginnt jedoch die große Debatte um das Geld. Und das passt nicht zusammen“, erklärte Major. Alles werde in Frage gestellt. Der Punkt dabei sei laut Major, dass sich dies nicht nur auf Deutschland auswirke, sondern auf ganz Europa. Und dann ginge es um die europäische Handlungsfähigkeit. „Wenn wir Europa stärken wollen, müssen wir daheim unsere Hausaufgaben machen“, forderte Major.
Russland will Gegner sein
Der nächste Podiumsteilnehmer Generalleutnant a.D. Horst-Heinrich Brauß verfügt über langjährige NATO-Erfahrung und war in seiner letzten Verwendung als Beigeordneter Generalsekretär der NATO für Verteidigungspolitik und Streitkräfteplanung tätig. Brauß bestätigte die Positionen von Major und erklärte, dass es in Deutschland eine Differenz zwischen Eigen- und Fremdbild gebe. „Uns gehört mehr zugetraut als wir uns zutrauen“, so Brauß. Laut Brauß habe sich die NATO seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 total verändert. Und dies habe weitreichende Konsequenzen. „Russland will Gegner sein und will andere Staaten destabilisieren“ so Brauß. Doch was heißt das für Deutschland?, so die rhetorische Frage. „Deutschland unterstützt die Doppelstrategie der NATO. Und das wird bei den Partnern geschätzt“. Dazu zählen laut Brauß Engagements wie die Führung der NATO-Battlegroup in Litauen (enhanced Forward Presence). „Das ist ein klares Signal an Russland und wäre vor 5 Jahren undenkbar gewesen“, erklärte Brauß. Dazu zählen auch die Peschmerga-Ausbildung im Nord-Irak oder der Einsatz in Mali. Das werde von den Partnern alles gewürdigt. Dennoch müsse Deutschland laut Brauß mehr tun. „Aus NATO-Sicht müssen wir alles umkrempeln. Wir brauchen wieder Großverbände zur Verstärkung im Osten“, konstatierte der NATO-Experte. Dazu kämen die Herausforderungen von Cyber Defence, der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz. „Auch verstehe ich nicht die Diskussion um die 2% Formel. Dadurch schwindet unsere Glaubwürdigkeit“, so Brauß. Mit dem Blick in die Zukunft zeichnet sich für Brauß nicht nur Russland als große Herausforderung ab, sondern besonders auch China.
Das Weißbuch 2016 ist der Kompass
Nach den Statements der Podiumsteilnehmer ergab sich für Prof. Masala eine zentrale Frage: „Haben wir eine Strategie? Ich habe eher den Eindruck es geht auseinander.“ Für den Abgeordneten Otte hat die Bundesregierung ganz klar einen Plan. Und das sei laut Otte das Weißbuch von 2016. Darin seien nach einem langen Abstimmungsprozeß alle sicherheitspolitischen Richtlinien festgehalten worden. „Wir müssen die Bundeswehr in die Spur bringen“, so Otte. „Die Politik muss die Dinge nur klar ansprechen. Ich glaube sogar, dass die Bevölkerung weiter ist als die Politik“, ergänzte er.
Frage des Generalinspekteurs
Für die letzte halbe Stunde der Veranstaltung gab Prof. Masala den Zuhörern die Gelegenheit Fragen an die Podiumsteilnehmer zu stellen. Als einer der ersten meldete sich der Generalinspekteur General Zorn: „Wer spricht mit der Bevölkerung, wer macht es?“ Für Major war die Antwort eindeutig: „Die Gesellschaft muss sich mit der Sicherheitspolitik bereits in der Schule und in der Ausbildung beschäftigen. Wir müssen einfach früher anfangen.“ Dies sei eine Aufgabe für viele Akteure. Dazu zähle für Major auch eine große Debatte im Bundestag. In diesem Punkt waren sich am Ende der Veranstaltung alle Podiumsteilnehmer einig. Die Belange der Sicherheitspolitik hätten in der deutschen Gesellschaft noch nicht die nötige Aufmerksamkeit und den notwendigen Stellenwert. Eine internationale Großveranstaltung wie die jährliche Münchner Sicherheitskonferenz trage aber auf jeden Fall mit dazu bei die Aufmerksamkeit zu erhöhen.
Bild: Universität der Bundeswehr München