01.03.2023 – Fuchs, Sven – Dr. rer. nat. (INF)
„Dynamische Adaptierung der Mensch-Maschine-Interaktion auf der Basis mentaler Zustände"

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Abstract:

Adaptive Mensch-Maschine-Interaktion (MMI) ermöglicht es technischen Artefakten, mit Assistenzfunktionen auf Leistungseinbrüche oder Veränderungen von Nutzer- und Umweltzuständen zu reagieren. Sie kann dabei helfen, den Menschen involviert zu halten, wenn der Verbleib der Verantwortung oder der Haftung bei diesem erforderlich ist. Die Zielerreichung des Mensch-Maschine-Gesamtsystems kann dabei über einen biokybernetischen Regelkreis unterstützt werden, indem mit physiologischen Messmethoden mentale Problemzustände der Nutzer detektiert und darauf basierend Anpassungen an der MMI vorgenommen werden. Solche Arbeiten vernachlässigen jedoch häufig, dass der mentale Zustand des Menschen ein multidimensionales Konstrukt ist. Die reine Betrachtung mentaler Problemzustände gibt zudem keinen Aufschluss darüber, welche Art der Adaptierung in einer gegebenen Situation nötig oder angebracht wäre. Vielen Lösungen fehlt daher die erforderliche Flexibilität, um dynamisch auf verschiedene mentale Zustände zu reagieren oder in komplexen Systemen mit heterogenen Elementen und emergenten Eigenschaften effektiv zu sein.
Um diese Gestaltungslücke zu schließen, umfasst die vorliegende Dissertation die Konzeption, den Entwurf und die empirische Validierung eines Dynamischen Adaptierungsmanagements (DAM). Dieses ermittelt kontinuierlich, welche Art von Unterstützung in einer gegebenen Situation geeignet ist, um Leistungseinbrüche und kritische mentale Zustände zu adressieren. Es löst bedarfsgerechte Assistenzfunktionen aus, wenn der Mensch Unterstützung benötigt. Basierend auf Erkenntnissen und theoretischen Modellen aus der Kognitionspsychologie wurde ein humanzentriertes Konzept für ein DAM erarbeitet und prototypisch umgesetzt.
Die Originalität des DAM liegt darin, dass kontext- und bedarfsadäquate Unterstützungsstrategien zur Laufzeit in Abhängigkeit von kritischen Zustandsausprägungen und der aktuellen Anforderungssituation ausgewählt werden. Diese zielen darauf ab, kritische Nutzerzustände (und darüber mittelbar die Gesamtleistung des Mensch-Maschine-Systems) positiv zu beeinflussen. Um zu ermitteln, welche Art von Adaptierung im vorliegenden Kontext angemessen ist, verknüpft das DAM Systemereignisse, Leistungsindikatoren und Nutzerverhalten mit Diagnosen des Nutzerzustands. Diese erhält es aus einer multifaktoriellen Nutzerzustandsdiagnose (Schwarz, 2019), die zeitgleich mehrere Dimensionen des Nutzerzustands analysiert.
Um das entwickelte Konzept zu untersuchen und empirisch zu validieren, umfasst die Arbeit eine Reihe von Laboruntersuchungen. Dafür wurde das DAM am Beispiel einer Luftraumüberwachungsaufgabe in einer anwendungsnahen Experimentalumgebung prototypisch operationalisiert. Zunächst wurde die Wirkweise aller Adaptierungsstrategien einzeln untersucht, bevor eine Evaluation des Gesamtkonzepts erfolgte. Bei Einzelbetrachtung überzeugten die Adaptierungsstrategien in der subjektiven Bewertung durch die Probanden. Positive Einflüsse auf Nutzerzustand und Leistung konnten jedoch nur vereinzelt statistisch nachgewiesen werden. In der Evaluation des Gesamtkonzepts wurde die Validität des DAM aber erfolgreich empirisch belegt: Mit dynamischer Adaptierung der MMI konnten durchschnittlich 17% mehr Aufgaben korrekt bearbeitet werden und es wurden durchschnittlich 24% weniger Leistungseinbrüche detektiert. Episoden kritisch hoher Beanspruchung wurden signifikant verkürzt, wenn Probanden durch das DAM unterstützt wurden.
Die in dieser Arbeit entstandenen Ergebnisse bilden einen fundierten konzeptionellen Rahmen für ein Dynamisches Adaptierungsmanagement und ermöglichen es, den entwickelten Ansatz auf verschiedene Anwendungsbereiche zu übertragen. Daher werden abschließend potenzielle Anwendungsfelder sowie mögliche Erweiterungen und Anschlussarbeiten dargestellt.