Notsituationen in Tunneln

Notsituationen in Straßentunneln (z.B. Unfälle oder Brände) sind sowohl subjektiv als auch objektiv äußerst kritisch. Ziel des Projekts war daher, Straßenverkehrstunnel sicherer zu gestalten und Verkehrsteilnehmer bei Störungen schnell und sicher zum richtigen Verhalten anzuleiten.

Als Ausgangsbasis diente eine Internetbefragung mit 423 Personen aller Altersgruppen über den Wissensstand der Nutzer (Ausstattung von Tunneln, Verhalten). So würden beispielsweise 16 Prozent der Befragten im Fahrzeug bleiben, wenn im Tunnel nur noch Feuer und Rauch zu sehen ist, 19 % wissen nicht, was zu tun ist. Die Zeit, die bei einem Brand zur Evakuierung zur Verfügung steht, wird von 42 % der Befragten überschätzt. Wie auch eine Analyse des Verhaltens bei früheren Tunnelbränden zeigt, unterschätzen die Betroffenen die Dramatik der Situation und erleben das Fahrzeug als Schutzraum. Sie bleiben daher bei Feuer und Rauch zu lange im Fahrzeug sitzen.

Optische / haptische Möglichkeiten

Um zu prüfen, wie Personen aus einer verrauchten Umgebung schnellstmöglich evakuiert werden können, werden in einer Bunkeranlage (mit Theaterrauch und Lärm-Beschallung, n = 54) verschiedene Leitmöglichkeiten experimentell untersucht: Lauflichter, Dioden-Laser-Modul, Handlauf, sowie eine Kombination daraus. Wenn zum Auffinden des Notausgangs ein Queren des Tunnels erforderlich ist, eignet sich besonders eine Kombination aus optischen und haptischen Hilfen.

Akustische Möglichkeiten

Im Rahmen der Studie wurden sowohl Sprachdurchsagen per Lautsprecher für herkömmliche (schlecht verständliche), sowie für neuartige Hornlautsprecher (wegen geringeren Echos besser zu verstehen), für Radio-Durchsagen, als auch akustische Signale für extreme Störfälle entwickelt. Die Sprachausgaben sind kurz gefasst und entsprechen den Erkenntnissen der Psychoakustik und Linguistik.

Bei Tunnelbränden ist es sinnvoll, die Sprachausgaben durch akustische Signale in Form spezifischer "Sounds" zu ergänzen oder zu ersetzen, die gut lokalisierbar und in ihrer Wirkung selbsterklärend sind, die Fahrzeuginsassen zum schnellen Verlassen des Fahrzeugs veranlassen und das  Auffinden der Notausgänge erleichtern.

In einer Versuchsserie wurden zahlreiche „lockende“ und „treibende Sounds" verglichen. Als "lockende" Sounds, die die Probanden zum Ausgang leiten sollen, wurden u. a. verschiedene Vogelstimmen, Musikinstrumente, eine Singstimme ("Hier her"), eine Sprechstimme (z.B. "Please, exit here"; "Der Notausgang ist hier") und weißes Rauschen erprobt.

Die aversiven Signale, die Personen zum Verlassen des Fahrzeugs und des Tunnels veranlassen sollen, wurden mit einer Orgelpfeife mit ca. 7 Hz, sowie mit einer Bassbox (Frequenzgang von ca. 25 -100 Hz) erzeugt. Außerdem wurden weitere Signale, z.B. eine Feueralarm-Sirene, erprobt.

Um in einer Notfallsituation im Tunnel Menschen dazu zu bewegen, aus ihrem Fahrzeug auszusteigen und zu flüchten, eignet sich entweder der Bass-Sound "Sägezahn" (Periode 10 auf 50 Hz) oder ein dunkler Ton aus der Orgelpfeife (7 Hz). Die tiefen Frequenzen werden mehr im Bauchraum gefühlt und als sehr unangenehm empfunden. Bei diesen Sounds sind die meisten richtigen Interpretationen zu verzeichnen und die Emotionen, die geweckt werden, eignen sich dazu, Menschen aus dem Tunnel zu treiben. Die Feueralarm-Sirene eignet sich hingegen nicht, Personen zum Verlassen des Fahrzeugs und zum Aufsuchen des Notausgangs zu veranlassen, da sie die Assoziation erzeugt: "Hilfe naht". 

Um Personen in der Geräuschkulisse eines Tunnels zu einem Notausgang zu locken, ist, entgegen den bisherigen Aussagen in der Literatur, das weiße Rauschen (ohne Zusatz) nicht zu empfehlen.

Vielmehr eignet sich der Song „Hier her“ (weibliche Altstimme, getragen, Rufterz), im Wechsel mit dem Lockgesang des Rotkehlchens, das mit weißen Rauschen hinterlegt ist. Ebenfalls empfehlenswert ist die Sequenz "Der Notausgang ist hier“ - "Rotkehlchen mit weißen Rauschen hinterlegt" - "Please, exit here“.

Diese Signalkombinationen sind sehr gut zu orten, werden im richtigen Sinne interpretiert und positiv beurteilt.

Die verschiedenen Systeme müssen hierarchisch aufeinander abgestimmt eingesetzt werden, wobei das entsprechende Stör- bzw. Notfall-Szenario zu beachten ist. Die in dieser Studie gefundenen Erkenntnisse sind mit vergleichsweise geringem Aufwand in die Praxis umzusetzen und gut geeignet, die Sicherheit bei Störfällen in Tunnel deutlich zu verbessern.

 

Literatur:

Färber, Brigitte; Färber, Berthold: Verhaltensanweisungen bei Notsituationen in Straßentunneln, Bremerhaven, Wirtschaftsverlag NW 2010