Social BRIDGES: Vom Abstand vereint

31 Juli 2020

Am 22-24 Juli 2020 hat die internationale virtuelle Konferenz Social BRIDGES stattgefunden, die von dem Institut für Psychologie an der Universität der Bundeswehr München untergebracht wurde. Sie hat insgesamt mehr als 40 Vortragende aus 38 Forschungseinrichtungen und aus 14 Ländern zusammengebracht, die ihre Forschungsergebnisse zu den Einflüssen der COVID-19-Pandemie auf Gesellschaft, Verhalten und Psychologie geteilt haben. Die Vorträge (aktuell stehen sie auf dem YouTube-Kanal zur Verfügung) waren für Wissensbegierige aus der ganzen Welt kostenlos zugänglich, so dass die Übertragung der dreitägigen Veranstaltung mehr als 800 Zuschauer verzeichnete. Die Konzipierung und Umsetzung dieses Auftakts der Reihe von virtuellen Konferenzen BRIDGES ist dem Organisationsteam um Prof. Merle Fairhurst, Inhaberin des Lehrstuhls für Biologische Psychologie des Instituts für Psychologie, zu verdanken.

Die globale COVID-19-Pandemie gestaltet soziale Interaktionen und individuelles Verhalten, die wir bisher kannten, auf vielfältige Weisen um. Zwar kann sie bei den bereits vorher angesetzten Veränderungen lediglich beschleunigend wirken, manchmal aber wälzt sie ganze Lebensbereiche um und zwingt zur intensiven Suche nach wirksamen Lösungen. Ein näheres Betrachten der unterschiedlichen Auswirkungen von COVID-19 auf unser Berufs-, Sozial- und Privatleben lässt eine Gemeinsamkeit feststellen, nämlich eine starke Hochschätzung des Kontakts, die nun besonders deutlich hervorgetreten ist, sowie auch eine Notwendigkeit, neue Wege der Kommunikation zu etablieren und zu erhalten. Die aktive Bestrebung, Andere zu erreichen, ist eins der Schlüsselfaktoren, die aktuell auch die wissenschaftliche Gemeinschaft prägt und in einer unzähligen Menge der internationalen Zusammenarbeiten Ausdruck findet. Zum Schluss noch ein gewichtiger Vorteil der Online-Konferenzen: Neben der einzigartigen Möglichkeit, miteinander verbunden zu bleiben und die Bedeutungen von Raum und Zeit neu zu definieren, trägt dieser Veranstaltungsformat zur Reduzierung des CO2-Abdrucks des wissenschaftlichen Austauschs durch Verzicht auf überflüssige Reisen.

Erforschungen der neuen Normalität

Ein halbes Jahr nach dem Anfang der COVID-19-Pandemie, während eine Rückkehr zur bisher bekannten sozialen Normalität wiederholt verlegt wird, fokussierten die Forscherinnen und Forscher auf der Untersuchung und Beschreibung des Lebens in der Quarantäne und unter den Umständen der sozialen Distanzierung. Der Vortrag von Prof. Ophelia Deroy (LMU München) thematisierte die Etablierung und das Einhalten der neuen sozialen Normen; trotz der verbreiteten Meinung, eine Bedrohung würde bei Menschen antisoziales Verhalten auslösen, ruft die Pandemie – genauso wie andere gefährliche Situationen – Neigungen zur Kooperation und zur sozialen Unterstützung hervor, so Prof. Deroy. Die ersten Ergebnisse des von Prof. Fairhurst präsentierten Forschungsprojekts zeigten: Der Mangel an Berührung, der unter den Folgen der COVID-19-Präventionsmaßnahmen eine zentrale Rolle einnimmt, hat ihren entscheidenden Wert im Privat- und Sozialleben der Einzelpersonen betont. Die Studie zum Berührungsmangel in der Isolation und dem belohnenden Kompensationsverhalten wie Essen, sportliche Aktivitäten und Körperpflege fand in der Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Liverpool John Moores University statt. „Eine der interessantesten Fragestellungen, die die Studie hervorgebracht hat, war von der Tatsache ausgelöst, dass manche von den untersuchten Personen Berührungsmangel verspürten, obwohl sie zusammen mit ihren Familienangehörigen in Quarantäne waren; dieser Mangel hängt also davon ab, ob die Person den spezifischen Typ der Berührung bekommt,  den sie braucht“, fügte Prof. Fairhurst hinzu. Die Bedeutung der Berührung für die Entwicklung von Kindern sowie für das Verhalten der Erwachsenen bildete auch das Thema des Vortrags von Prof. Francis McGlone.

Die Folgen der globalen Pandemie für die psychische Gesundheit standen ebenfalls im Mittelpunkt der Veranstaltung und wurden von der internationalen Experten untersucht, die tiefgehende Analysen zu den Situationen in unterschiedlichen Ländern lieferten. Eine Studie mit Teilnehmenden aus 12 Ländern, die Dr. Valerie van Mulukom (Coventry University) präsentiert hat, zeigte, dass die Isolation zu einer Krise im Bereich der psychischen Gesundheit geführt hat, dabei haben einige Länder (USA, Brasilien, Großbritannien) besonders stark gelitten. Der Vortrag von Prof. Daniele Fallin (Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health) beleuchtete die Herausforderungen und die möglichen Lösungen in diesem Bereich während und nach der Pandemie in den USA. Das Projekt CV19Heroes, durchgeführt von Dr. Rachel Sumner (University of Gloucestershire) beschäftigte sich mit Resilienz, Burnout und Wohlbefinden bei Beschäftigten in der „vorderen Linie“ der Pandemie, darunter bei medizinischem Personal sowie Polizeibeamtinnen und -beamten, auch aber bei Post- und Delivery-Zustellenden, dem Verkaufspersonal in den Supermärkten und dem Lehrpersonal.

Das Beste aus dem Schlimmsten machen

Eine erhebliche Anzahl der Vorträge befasste sich mit individuellen und kollektiven Bewältigungsstrategien angesichts der sozialen Isolation. So untersuchte Dr. Tim Loepthien (Universität der Bundeswehr München) die Auswirkungen unterschiedlicher Musikgattungen auf Stimmungsregulierung im Zusammenhang mit der individuellen Situation, während Dr. Jayanth Narayanan (National University of Singapore) seine Studie zu den Auswirkungen der Achtsamkeit auf die Qualität der Arbeit und des Schlafs in den COVID-19-relevanten Stresssituationen präsentierte. Mit dem Phänomen der „Balkon-Party“ als einer alternativen Form der sozialen Interaktion beschäftigte sich Dr. Hila Gvirts (Ariel University). Der Vortrag von Dr. Laura Aymerich-Franch und Dr. Iliana Ferrer (Pompeu Fabra University) fokussierte auf der Verwendung der neuen Technologien im Kampf gegen den Virus, nämlich auf der Rolle der sozialen Roboter während der Pandemie und den neueren Entwicklungen in dem Mensch-Roboter-Verhältnis, die zur Bewältigung der aktuellen Situation beitragen. Eine weitere Erfindung unserer Zeit, die zu einem wichtigen Unterstützungsmittel werden könnte, sind die sozialen Medien, die das Potenzial eines virtuellen Gesundheitsportals bergen, so die Ergebnisse der Forschungen von Dr. Stephanie Godleski and Dr. Ammina Kothari (Rochester Institute of Technology).

Darüber hinaus deckte das breite Spektrum der bei Social BRIDGES behandelten Fragestellungen auch soziale Themen ab. Mit Hamsterkäufen infolge des Glaubens an Verschwörungstheorien beschäftigte sich Hui Bai (University of Minnesota Twin Cities), während Dr. Runjing Lu (University of Alberta) rassistisches Verhalten der asiatisch-amerikanischen Bevölkerung gegenüber in den USA untersuchte.

Die globale COVID-19-Pandemie, genauso wie all die Krisenzeiten der Menschheitsgeschichte, ist von Herausforderungen und Schwierigkeiten gekennzeichnet, die eine Einzelperson nur wenig beeinflussen kann. Es liegt jedoch sicherlich in unserer Hand, Wege zur Bewältigung dieser Situation zu finden und das Beste daraus zu machen; die Ergebnisse der virtuellen Konferenz Social BRIDGES an der Universität der Bundeswehr München zeigen, dass es am besten mit vereinigten Kräften gelingt.

 

SOCIAL BRIDGES: UNITED BY DISTANCE

The Social BRIDGES e-conference, hosted by the Institute of Psychology at the Bundeswehr University (University of the German Armed Forces) Munich, took place on 22-24 July 2020, bringing together over 40 speakers from 14 countries and a total of 38 research institutions who shared their findings on the influences of the COVID-19 pandemic on society, behaviour and psychology. The talks (now online on the Social BRIDGES YouTube channel) were made openly available to inquiring minds from all over the world with over 800 viewers across the three-day event. This, the first in a series of BRIDGES e-conferences, was initiated and translated into action by an organizing committee led by Prof. Merle Fairhurst (Chair of Biological Psychology Lab at the Institute for Psychology).

The COVID-19 global pandemic is reshaping social interactions and individual behaviour as we know them in multiple ways. It can act as a catalyst for changes that were already on the way before the Corona crisis, but sometimes whole areas of life are disrupted by it, so that the situation demands a drastic and intense search for new solutions. A closer look at the diverse impacts of COVID-19 on our professional, social and private lives reveals something in common: the deep appreciation for contact that has become visible in its absence as well as a need to find and establish new ways of keeping in touch. The active drive to reach out is also a defining aspect of the scientific community at large with a countless number of cross-country collaborations. Last, but not least: Aside from providing a unique way to stay connected and to rethink the boundaries of space and time, the online event format also reduces the carbon footprint of scientific exchange by limiting non-essential travel.

Explorations of the new normal

Six months into the COVID-19 pandemic, while a possible return to the social normality as it was known before is being repeatedly delayed, researchers are focusing on exploring and charting the new normal of life in lockdown and under social distancing conditions. The talk by Prof. Ophelia Deroy (LMU Munich) centred on the issue of establishing and following the new social norms; contrary to the belief that a threat pushes people towards anti-social attitudes, the pandemic, as well as other hazardous situations, evokes collaboration and social support as default reactions, Prof. Deroy said. The absence of touch, a crucial element of COVID-19 prevention measures, has accented its essential value in the private and social life of an individual, as shown in the research project presented by Prof. Fairhurst. The study about the lack of touch experienced in lockdown and the compensating rewarding behaviours such as eating, exercising or self-grooming was conducted in co-operation with the LMU Munich and Liverpool John Moores University. “One of the most interesting questions raised by the study was the fact that individuals were missing touch even if they were isolated together with their family members; this longing depends on getting (or not getting) the specific type of touch they crave”, Prof. Fairhurst said. The importance of touch for the development of children as well as behaviour of the adults was also the topic of the talk by Prof. Francis McGlone.

The toll of the global pandemic on mental health was one of the central topics of the event as experts provided deep insights regarding the situation in different countries. An international study presented by Dr. Valerie van Mulukom (Coventry University), involving participants from 12 countries, showed that the lockdown has led to a mental health crisis, affecting certain countries particularly (USA, Brazil, UK). The talk of Prof. Daniele Fallin (Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health) highlighted the challenges and solutions in the field of mental health during and after the pandemic, focusing on USA. The CV19Heroes project by Dr. Rachel Sumner (University of Gloucestershire) studied resilience, burnout and wellbeing in frontline workers, including medical staff and police, but also post and delivery drivers, supermarket workers and teachers.

 

How to make the best out of the worst?

Individual and collective coping strategies in the face of social isolation were addressed in a number of talks. Dr. Tim Loepthien (Bundeswehr University Munich) spoke about the use of different types of music for mood regulation depending on the current personal situation, and Dr. Jayanth Narayanan (National University of Singapore) presented his research on the impact of mindfulness on the quality of work and sleep during stress situations related to COVID-19. The phenomenon of the “balcony party” as an alternative form of social interaction was explored by Dr. Hila Gvirts (Ariel University). The talk of Dr. Laura Aymerich-Franch and Dr. Iliana Ferrer (Pompeu Fabra University) highlighted the role of new technologies in the fight against the virus by analysing the use of social robots during the pandemic as well as the new developments in the human-robot relationship which contribute to coping with the pandemic in multiple ways. A further modern development which could be an important support tool are use of the social media, bearing an effective telehealth platform potential, as proved by the research presented by Dr. Stephanie Godleski and Dr. Ammina Kothari (Rochester Institute of Technology).

The wide spectrum of the COVID-19 related topics covered at Social BRIDGES also included social issues such as stockpiling as a result of believing in conspiracy theories, presented by Hui Bai (University of Minnesota Twin Cities) and racist behaviour towards the Asian-American population in the USA, explored by Dr. Runjing Lu (University of Alberta).

The COVID-19 global pandemic, as in all of the difficult times throughout our history, is marked by changes and hardships an individual has little control over. And yet, what is certainly in our hands, is the means to find ways of coping with this situation and to make the best out of it; and just as Social BRIDGES at the Bundeswehr University Munich have shown, it is done best by joint efforts.

Text: Olga Lantukhova