Stressmechanismen im Fokus
17 Mai 2019
Am 8. Mai 2019 eröffnete Prof. Dr. Nicolas Rohleder mit seinem Vortrag „Stress, Entzündung und Gesundheit“ die Frühjahrstrimester-Vorlesungsreihe des Psychologischen Kolloquiums an der Universität der Bundeswehr München.
Prof. Dr. Nicolas Rohleder, Inhaber des Lehrstuhls für Gesundheitspsychologie am Institut für Psychologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, untersucht in seiner Forschung biologische und psychologische Mechanismen der Stressreaktion und der Stressbewältigung. Sein Forschungsgebiet ist somit besonders relevant für die Bundeswehr, so der Studiendekan der Fakultät für Humanwissenschaften Prof. Dr. Karl-Heinz Renner, der den Gastdozenten vorgestellt hat.
Unterschwellige Zerstörung unter der Lupe
Dass sich psychosoziale Belastungen auf psychische sowie körperliche Gesundheit negativ auswirken, ist allgemein bekannt, betonte Prof. Rohleder zu Beginn seines Vortrags. So wurden zwischen 50% und 80% aller Depressionspatienten im Laufe ihres Lebens mit kritischen Ereignissen konfrontiert. Es besteht eine direkte Verbindung zwischen Stress und der Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen; nachgewiesen ist auch, dass belastende Erlebnisse die Progression der HIV-Infektion zur AIDS-Erkrankung beschleunigen. Eine zentrale Rolle im physiologischen Ablauf der Stressreaktion spielen die primären Stress-Systeme, die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und das sympathische Nervensystem. Doch um die zerstörerischen Auswirkungen von Stresserfahrungen auf den Körper genauer erklären zu können, müssen auch Entzündungsprozesse unter die Lupe genommen werden, ein Hauptinteresse in der Arbeit von Prof. Rohleder.
Entzündungen sind eine normale Reaktion des Organismus auf Infektionen, können aber auch unabhängig von ihnen ausgelöst werden, etwa durch Botenstoffe, die im Laufe der Stressreaktion freigesetzt werden. Auf diese Weise beeinflussen psychische Belastungen Entzündungsprozesse in akuter Form, aber auch in chronisch unterschwelliger Form. Die chronische Entzündungsbelastung verläuft oft unbemerkt und resultiert in einer Reihe lokaler Entzündungsprozesse, die Herzerkrankungen, Arteriosklerose oder auch Typ-2-Diabetes verursachen können. Außerdem stimuliert der bei Entzündungen ausgelöste Immunsystem-Botenstoff Interleukin 6 depressive Symptome und Erschöpfungszustände, längerfristig führen seine Auswirkungen auch zu kognitiven Defiziten.
Stressbelastungen verstehen und bewältigen
In seiner Forschungsarbeit untersucht Prof. Rohleder die Auswirkungen der akuten sowie der chronischen Stresserfahrung. Zum Beispiel konnte in einer Langzeit-Beobachtungsstudie von Angehörigen der Krebspatienten eine stressbedingte Abnahme der Glucocorticoid-Sensitivität festgestellt werden, was eine Enthemmung von Entzündungsprozessen zur Folge hat. Von Beginn zum Ende der Untersuchung zeigte die Gruppe erhöhte depressive Symptome.
Die Forschung von Prof. Rohleder stellt einen hervorragenden Beitrag zum Verständnis des komplexen Zusammenspiels von psychischer und physischer Gesundheit dar. Insbesondere verweist seine Arbeit auf mögliche Mechanismen der Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit durch chronische psychische Belastungen. Und dies ist der erste wichtige Schritt für die zukünftige Entwicklung von effektiveren Präventions- und Therapieprogrammen.
Text: Olga Lantukhova, Bild: Pixabay/pedrofigueras