Digitalisierte Macht
23 März 2019
Welche Macht haben Algorithmen? Wie beeinflussen sie unser Leben? Und verstehen wir sie eigentlich? Zu diesen spannenden und aktuellen Fragen organisierte und moderierte Prof. Manuela Pietraß (Professur für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Medienbildung) (3.v.l.) von der Universität der Bundeswehr München am 19. März 2019 eine Podiumsdiskussion im Audimax.
Auf dem Podium diskutierten hochkarätige Gäste wie der bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Bernd Sibler (3.v.r.), Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks (BR) und Vorsitzender der ARD (2.v.l.), Prof. Manfred Broy, Geschäftsführer des „Zentrum Digitalisierung.Bayern“ (ZD.B) (1.v.l.), Honorarprofessor Ernst Denert, Mitgründer von sd&m und Gründer der Ernst-Denert-Stiftung (1.v.r.) sowie die Leitende Direktorin des Forschungsinstituts CODE, Prof. Gabi Dreo (2.v.r.). Der Bayerische Rundfunk zeichnete die Veranstaltung für ARD Alpha auf.
Wie Wirklichkeit geschaffen wird
Die Digitalisierung bestimmt immer mehr unsere heutige Welt. Das erleben wir Tag für Tag: So bewertet und gewichtet der Google-Algorithmus die Webseiten im Internet und sorgt für ein eigenes Ranking, Navigationsgeräte zeigen uns mittels Algorithmus den kürzesten oder effizientesten Fahrweg an, Computer mit Algorithmen spielen mit uns Schach, „Whats app“ kontrolliert den Satzbau beim Versand von Nachrichten und Musikprogramme empfehlen uns die passenden Lieder für den Feierabend. Dabei agieren die Algorithmen auf der Ebene der Nutzerschnittstelle, die die ihnen unterliegende Bauweise kaum erkennen lässt.
So wie man früher lernen musste, dass das Fernsehen kein Abbild der Wirklichkeit liefert, sondern seine Bilder Wirklichkeit schaffen, so müssen die Nutzenden heute lernen, dass auf der Basis von Daten und darauf operierenden Algorithmen ebenfalls nach bestimmten Prinzipien Wirklichkeit geschaffen wird. Dabei steht die Forschung und Entwicklung, stehen Fachleute und die Politik, die die Grundlagen für neue Anwendungsfelder schaffen, auf der eine Seite; auf der anderen Seite stehen wir als Menschen, die es lernen müssen die vermeintliche Undurchschaubarkeit der neuen Anwendungen zu hinterfragen und zu durchdringen.
Macht der Unternehmen
Was ist denn eigentlich ein Algorithmus? Diese Frage richtete Prof. Pietraß an Honorarprofessor Denert. Der Algorithmus sei „eine präzise formulierte Vorschrift zum schrittweisen Lösen eines Problems, z.B. Suchen eines Wortes, Sortieren einer Liste oder dem Verschlüsseln von Nachrichten“. Algorithmen hätten also in diesem Sinn keine Macht, der Einfluss und die Macht liege bei den Unternehmen, wie facebook, twitter und Co., die diese Instrumente für sich einsetzten und wirtschaftlich und ökonomisch nutzten.
„Algorithmen haben in den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren unglaublich an Bedeutung gewonnen“, so Prof Broy. „Diese Systeme sind inzwischen weltumspannend und spielen eine große Rolle für die Tätigkeit der Menschen, die Tätigkeit der Unternehmen“. Aber eigentlich sei die Macht der Algorithmen in weiten Teilen heute die Macht der Unternehmen, die durch diese Technik groß geworden sind. „Die Herausforderung ist, das dieses System in einer unglaublichen Art und Weise den Menschen neue Möglichkeiten bietet“. Sei es im sozialen Bereich aber auch in der Erschaffung neuer Welten, in denen die Menschen sich dann tagtäglich bewegen.
Auch Algorithmen entwickeln Algorithmen
Staatsminister Sibler machte deutlich, dass es auch darum gehe, einen Blick hinter die Dinge zu werfen, denn natürlich benutze der User die Geräte, weil er durch sie einen Mehrwert erkennen könne. Die Frage, die wir uns aber alle stellen müssten, sei: „Womit bezahle ich diesen Mehrwert?“ Zudem sei es eine wichtige Aufgabe für jeden Einzelnen „neue Akzente zu setzen und sich nicht nur in der Bequemlichkeitsblase zu bewegen“, das sei „ein wichtiger Bildungs- und Vermittlungsprozess, den wir alle miteinander zu leisten haben“.
Prof. Dreo ergänzte hierzu: „Wir leben in einer digitalen Welt und die Algorithmen bestimmen, was wir in dieser Welt personalisiert bekommen, somit haben sie eine gewisse Macht, weil sie uns hier steuern können. Wichtig ist also: Wir müssen verstehen, was die Algorithmen tun, denn auch Algorithmen entwickeln Algorithmen, nicht nur Menschen tun das“. In dieser Entwicklung müsse sichergestellt werden, dass die ethischen Grundwerte, die der Mensch habe, auch weiterhin berücksichtigt würden.
Der Intendant des Bayerischen Rundfunks beleuchtete die Thematik aus der Sicht der Medien: “Es ist etwas Fundamentales passiert vor einigen Jahren: jeder Mensch kann heute Öffentlichkeit herstellen“, sagte Wilhelm. Das sei eine Zäsur und ein wichtiger Fortschritt. Es gäbe aber auch Anbieter, die mit ihren Algorithmen eine öffentliche Aufmerksamkeit steuern, die nicht nach dem Gemeinwohl ausgerichtet seien, sondern an konkreten Geschäftsmodellen. Studien hätten gezeigt, dass sich emotional aufgeladene Inhalte schneller und verlässlicher verbreiten als Inhalte, die nicht diese Qualität hätten. Dies sei im privaten Bereich nicht problematisch, wenn es aber um extreme politische Inhalte ginge, dann wäre dies „zutiefst folgenschwer“.
Anschluss an Amerika und Asien
Am Ende der Diskussion griffen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch einmal das Thema „Vermittlung von Software-Kompetenz“ auf. Man könne schon Kleinkindern dieses Wissen gut vermitteln, so Prof. Dreo. Dazu wäre nicht zwingend ein Tablet notwendig, ergänzte Denert, wichtig seien gut ausgebildete IT-Lehrer. Digitalisierung dürfe heute nicht mehr nur vom technischen Aspekt aus betrachtet werden, es ginge aktuell vor allem darum, Alternativen zu „Google, facebook und Co.“ in Europa aufzubauen und verstärkt in die IT-Entwicklung zu investieren. Gerade jetzt dürfe man nicht den Anschluss an Amerika und Asien verlieren, so Wilhelm.
Die Veranstaltung stieß auf reges Interesse: Über hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern folgten der einstündigen Podiumsdiskussion interessiert, die dezidierten Fragen zum Abschluss zeigten, dass das Thema in der heutigen Zeit viele Menschen beschäftigt.
Bild: Sebastian Privik, Universität der Bundeswehr München
Bildunterschrift: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Podiumsdiskussion