Liebe Frau Gross, Sie haben Erfahrung bei der Bundeswehr und in der Industrie gesammelt. Was waren Ihre spannendsten beruflichen Projekte bisher?

Ich fand bis jetzt alles, was ich gemacht habe, sehr spannend. Für mich war es bei der Bundeswehr etwas Besonderes, nach der Truppe in eine der oberen Kommandobehörde eingesetzt zu werden. Ich war bis zum Ende meiner Dienstzeit im Presse- und Informationszentrum beim Inspekteur der Streitkräftebasis. Mit den Führungspersönlichkeiten zu tun zu haben, war eine sehr gute Erfahrung. Technisch war ich dort nicht gefordert, aber mein Vorteil war immer das systematische Denken und ein technisches Grundverständnis. Das hat sich auch in nichtfachlichen Verwendungen ausgezahlt. Man findet mit Logik sehr schnell einen Einstieg in neue Themen. Bei meiner jetzigen Firma war das spannendste Projekt für mich, an einer großen Ausschreibung mitzuwirken. Hierfür waren die Schritte des Systems Engineering gefordert. Das Studium hat meinen Einstieg in die Arbeit unglaublich erleichtert. Wenn man etwas studiert hat, ist es einfach schön, dann den Anwendungsfall vorzufinden. Herausforderungen dieser Art machen mir Spaß. So eine große Aufgabe ist auch immer eine Teamleistung. Auch das habe ich aus dem Studium mitgenommen: Wie elementar wichtig es ist, die Leute zusammenzubringen und für den Informationsfluss zu sorgen. Das hat mit zu dem guten Ergebnis geführt. Und ehrlich gesagt glaube ich, dass das eine weibliche Stärke ist: Über das eigene Ego hinauszublicken und Informationen zu teilen.

 

Als junges Mädchen haben Sie sich für eine Laufbahn als Soldatin und Ingenieurin entschieden – wie hat Ihr privates Umfeld auf Ihre Berufswünsche reagiert und wie haben Sie den Einstieg und Ihren bisherigen Werdegang in diesen von Männern dominierten Berufsfeldern erlebt?

Ich bin so aufgewachsen, dass mir immer alle Wege offenstanden. Wir sind vier Töchter einer studierten Mutter und eines gelerntes Schlossers. In meiner Familie gab es keine rollenspezifischen Einschränkungen. Mich hat Technik immer interessiert, mein Vater hat mir vieles gezeigt. Mit 14 oder 15 Jahren habe ich an einem Girls‘ Day an der TH Karlsruhe teilgenommen. Das vergesse ich bis heute nicht. Wir durften in die Vorlesungen einzelner Studiengänge reinschnuppern. Und da war ganz schnell klar, Elektrotechnik wird’s. Seitdem war ich oft eine „Rarität“, z.B. die einzige Schülerin in meiner Klasse am technischen Gymnasium, die einzige Studentin in meinem Studierendenjahrgang. Aber ich kam mir nie allein vor, es gab immer eine Frau, die den Weg schon gegangen war.

Tatsächlich habe ich mich in der Rolle als einzige Frau immer ganz wohl gefühlt. Ich habe nie das Gefühl gehabt, ich stoße an Grenzen aufgrund meines Geschlechts. Im Gegenteil: Ich habe das Gefühl, Frauen sind willkommen und werden wertgeschätzt. Die Frage Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein großes Thema. Und ja, ich arbeite jetzt auch Teilzeit. Damit läuft meine Karriere definitiv langsamer. Das ist der Kompromiss, den ich eingehen muss. Ich kann mir vorstellen, dass dies dazu führt, dass einige Frauen lieber keine Kinder bekommen wollen. Und es gibt Frauen, die fast am Spagat Beruf und Familie scheitern. Dabei brauchen wir das Knowhow der Frauen. Es muss beides gehen, das müssen wir alle zusammen als Gesellschaft hinbekommen. Natürlich hängt das auch an Kita-Plätzen und ähnlichem, vor allem aber steht und fällt es mit den Personen in den Verantwortungsebenen. Ich persönlich hatte bis jetzt immer Glück mit meinen Vorgesetzten. Doch die Mühlen mahlen langsam. Es gibt noch Rollenmuster, die man durchbrechen muss. Ich glaube umso mehr Frauen sich durchsetzen, auch in Teilzeit, desto mehr wird sich verändern. Und man merkt ja auch, wie viele Männer dankbar sind, in Elternzeit gehen zu können. Da tut sich schon was.

 

Gibt es Persönlichkeiten, die für Sie, privat oder beruflich, Vorbilder sind?

Es gibt da nicht die eine bestimmte Frau. Als ich bei der Bundeswehr war, ist Ursula von der Leyen Verteidigungsministerin geworden. Sie finde ich als Frau faszinierend, auch vor dem Hintergrund, dass sie Mutter von sieben Kindern ist. Das finde ich toll. Mich hat aber auch stark geprägt, dass wir eine Bundeskanzlerin haben. Oder an der Uni: Dort gibt es seit meiner Studienzeit eine Präsidentin. Bei der Streitkräftebasis hatten wir eine Oberregierungsrätin als Vorgesetzte, die mich beeindruckt hat. Ebenso war es – im positiven Sinne – etwas Besonderes, dass eine Professorin meinen weiterbildenden Studiengang Systems Engineering geleitet hat. Für mich spielen diese Beispiele durchaus eine Rolle. Alle Frauen in Führungspositionen geben mir Sicherheit, sind meine Vorbilder. Sie zeigen: Wir sind schon da. Ich hoffe deshalb, dass auch ich ein Vorbild sein kann, einfach dadurch, dass ich so viel erreicht habe und dass weitere Frauen folgen werden. In der Generation meiner Mutter waren es noch viel mehr Frauen, die sich ganz alleine durchschlagen mussten. Ich denke, da hat sich schon viel verändert, wie wir als Frauen in den Verantwortungspositionen wahrgenommen werden. Trotzdem ist es für die heutige Generation junger Frauen nicht leicht: Die Möglichkeiten sind so vielfältig, es ist schwer sich zu entscheiden. Mein Tipp ist daher: Keine Angst haben, mutig sein und den eigenen Weg gehen.

Das Interview führte Stephanie Borghoff.

 

Hier finden Sie den Begleitartikel.

Zur Person

Cornelia Gross trat 2005 ihren Dienst bei der Bundeswehr an, vier Jahre nachdem die Bundeswehr alle Laufbahnen für Frauen geöffnet hatte. Während ihres Studiums Elektrotechnik und Technische Informatik an der Universität der Bundeswehr München war sie die einzige Frau im Hörsaal. Am Ende ihrer Dienstzeit wurde sie Mutter – und absolvierte das weiterbildende Studium Systems Engineering. Heute arbeitet sie als Projektmanagerin im Bereich Mobile Netze bei der steep GmbH in Bonn.

Bild: privat; grafische Gestaltung: Elisabeth Greber