De-/Konstruktionen des ‚festen Platzes‘ im Kontext von Öffentlichkeit, Staatsbildung und humanitärer Sensibilisierung
Mein Habilitationsprojekt leistet am Beispiel der Belagerungsoperationen um die (Reichs-)Festung Philippsburg am Rhein im 17. und 18. Jahrhundert einen Beitrag zur Kulturgeschichte des Krieges. Dafür betrachte ich das Zusammenwirken zwischen Praktiken und Repräsentationen von Gewalt im Kontext von drei Bereichen strukturellen Wandels in der Frühen Neuzeit: Öffentlichkeit, Staatsbildung und humanitäre Sensibilität für Kriegsleid.
Der frühneuzeitliche Krieg, in dessen Rahmen die Belagerungsoperationen von zentraler Bedeutung waren, vereinte ganz unterschiedliche Formen von Gewalt – von physischer Verletzung über militärische Befehlsgewalt und hierarchische Macht bis zur politischen Autorität als Grundlage von Herrschaftsgewalt. Dabei mussten Gewaltakteure stets mit den Praktiken der ‚anderen Seite‘ rechnen: Opfer von Übergriffen konnten zurückschlagen oder Beschwerde führen. Propagandistische Veröffentlichungen brauchten wie politische Sicherheitsdiskurse ein publicum. Untertanen waren in „empowering interactions“ an Staatsbildungsprozessen beteiligt. Humanitäre Anklagen setzten empathische Beobachter voraus, in deren Augen Kriegspraktiken wie die Bombardierung der zivilen Stadt Unrecht wurden.
Im Zuge von Belagerungskrieg und damit einhergehenden Machtwechseln konstituierte sich Philippsburg nicht nur als „Gewaltraum“, sondern als vielschichtiger, relational bestimmter Ort. Im Wechselspiel von Konstruktion und Destruktion erweist sich der „feste Platz“ als ein äußerst dynamischer, dem statische Vorstellungen einer gebauten „Sozialgeometrie“ (H. Eichberg) kaum gerecht werden. Eine Geschichte von „festen Plätzen“ in Aktion eröffnet demgegenüber ganz neue Zugänge zur Militär- aber auch Kulturgeschichte der Neuzeit.
Bildquelle: Befestigung Philippsburgs 1688, Abb. Stadtarchiv Philippsburg,
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