Wahlen im Visier von Hackern

23 Juni 2021

Falschnachrichten, Fake-Profile und Trolle: Wie groß ist die Gefahr, die von solchen Phänomenen ausgeht, und wie gut ist Deutschland vor der Bundestagswahl im September vorbereitet? Diese und weitere Fragestellungen waren Thema in der Sendung alpha-demokratie am 22.6.2021. Zu Gast im Studio war Prof. Dr. Arno Wacker, Professor für Datenschutz und Compliance am Forschungsinstitut CODE.

Moderatorin Mirjam Kottmann (BR) eröffnete das Interview mit der Frage nach den größten Gefahren, die durch Cyberattacken für die Wahlen bestehen. Die relevanteste Schwachstelle ist für Prof. Wacker der „Faktor Mensch“: Ein Risiko sei einerseits dessen Anfälligkeit für Desinformationskampagnen, andererseits die Tatsache, dass durch menschliche Entscheidungen auch gute IT-Sicherheitssysteme überwunden werden können – „das ist immer der einfachere Angriffsweg“. 

„Hohe Bedrohungslage“ für Deutschland

Wie der Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, auf einer Pressekonferenz im Mai 2021 sagte, ist die IT-Sicherheitslage im Wahljahr möglicherweise bedrohlicher als sonst– unter anderem durch die zunehmende Digitalisierung seit der Corona-Pandemie. Das Bundesinnenministerium spricht sogar von einer „hohen Bedrohungslage“. Auch Prof. Wacker sieht das grundsätzlich so: „Durch erfolgreiche Aktionen in den letzten Jahren – wie z. B. die Manipulationen im US-Wahlkampf 2016 oder in Frankreich 2017 – haben die Angreifer inzwischen Wissen erworben, wie es geht. Und die digitale Kommunikation, wie sie wegen der Pandemie auch für den Bundestagswahlkampf noch eine große Rolle spielen wird, ist natürlich einfacher zu manipulieren als der sonst übliche „Straßenwahlkampf“.

Desinformation und Schmutzkampagnen im Wahlkampf

Ganz konkret sieht Arno Wacker ein Potenzial für Einflussnahme auf den Wahlkampf vor allem im Bereich Desinformation: „Politikerinnen und Politikern kann vor allem ihr Privatleben zum Verhängnis werden. Wenn z. B. Mail-Accounts gehackt werden, fließen unbemerkt Informationen über Kontakte oder bestimmte Formulierungen ab, die dann kurz vor der Wahl veröffentlich werden und bei den Bürgern für Verunsicherung sorgen.“ Auf diese Weise könnten die Hacker indirekt Wahlergebnisse beeinflussen. Zur gleichen Angriffskategorie gehören auch Schmutzkampagnen, etwa mit gefälschten Fotos: „Das ist der einfachste Weg, wie man Menschen manipulieren kann. Je mehr die Menschen ihre Informationen aus den Sozialen Medien und dem Internet allgemein bekommen, desto einfacher sind Manipulationen, weil man die Leserinnen und Leser hier in einer Art Informationsblase festhalten kann.“

Gezielte Beeinflussung von Privatpersonen möglich

Obwohl sich ein großer Teil der Menschen darüber im Klaren ist, dass es Cyberangriffe gibt, glauben die wenigsten, irgendwann selbst davon betroffen zu sein. Das gleiche gilt für den Umgang mit den eigenen Daten: Das sogenannte „Privacy-Paradoxon“ besagt, dass die meisten Menschen einen verantwortungsvollen Umgang mit persönlichen Informationen für sehr wichtig halten – gleichzeitig aber in der Realität oft sehr sorglos mit den eigenen Daten umgehen. Dabei sind inzwischen gerade solche Informationen, die sich exakt einzelnen Personen zuordnen lassen, interessant für potenzielle Manipulatoren: „Per Profilbildung von einzelnen Nutzern können Algorithmen in den Sozialen Medien Personen identifizieren, die sich noch nicht in einer bestimmten Frage entschieden haben – seien es nun Wahlen oder z. B. auch der Brexit. Es ist dann möglich, dieser Gruppe gezielt Informationen auszuspielen, die ihre Entscheidung eher in die eine oder andere Richtung beeinflussen können.“

Weitere Themen: US-Wahlen, Angriffe auf Regierungsinstitutionen, internationale Zusammenarbeit

In dem knapp halbstündigen Interview ging es außerdem um die Beeinflussung der US-Wahlen 2016, die Angriffe auf den Bundestag 2015 und das Auswärtige Amt 2018, mögliche Attacken auf Kritische Infrastrukturen sowie Fragen nach Gesetzgebung und internationaler Zusammenarbeit im Bereich Cyberverteidigung. Die komplette Sendung können Sie sich in der ARD-Mediathek ansehen:

>> Zur Sendung (externer Link) 

Mehr Informationen über Prof. Arno Wacker und seine Forschungsschwerpunkte finden Sie auf der Website der Professur für Datenschutz und Compliance: www.unibw.de/datcom


Screenshot: Prof. Dr. Arno Wacker und Moderatorin Mirjam Kottmann während der Sendung.
© Bayerischer Rundfunk (BR)