RISK Jahrekolloquium: Klimawandel in Städten – Gefahr für die Sicherheit?

8 Dezember 2020

von Christiane Geithner

Die RISK Jahrekolloquium fand am 1. Dezember als Webkonferenz zum Thema „Die Stadt und das Klima“ statt.

2019 beherrschte er die Medien, ja noch Anfang 2020 war überall davon zu lesen, bis eine weltweite Gesundheitskrise schlagartig die Berichterstattung überschattete. Doch auch wenn die Fridays for Future-Proteste ins Internet verlegt werden mussten und die Covid-19-Pandemie die Schlagzeilen seit Monaten beherrscht, der Klimawandel ist keineswegs verschwunden. Es ist, nach wie vor, dringend nötig, sich mit der Klimakrise zu befassen und Lösungen zu finden.

Das Jahreskolloquium des Forschungszentrums RISK (FZ Risiko, Infrastruktur, Sicherheit und Konflikt) der Universität der Bundeswehr München fand am 1. Dezember 2020 mit dem Thema „Die Stadt und das Klima: Urbane Strukturen im Klimastress“ statt. Da aufgrund der bereits erwähnten Pandemie derzeit keine Veranstaltungen in Präsenz stattfinden können, organisierte das Team um den Sprecher des Forschungszentrums Prof. Exzellenter Emeritus Norbert Gebbeken das diesjährige Kolloquium als Webkonferenz. Ganz im Sinne des Forschungszentrums war die Veranstaltung von Interdisziplinarität und Vielfalt geprägt. Das FZ hat es sich zum Ziel gesetzt den Zusammenhang von Risiko, Infrastruktur, Sicherheit und Konflikt zu erforschen. Dazu bündelt es die Kompetenzen aus den Sozial-, Natur- und Ingenieurswissenschaften und beleuchtet unterschiedliche Risiko- und Sicherheitsperspektiven multidisziplinär und auf multimethodische Weise.

Interdisziplinäre Ansätze dem Klimawandel zu begegnen

Im diesjährigen Kolloquium fanden dementsprechend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowohl aus den Bereichen Umweltwissenschaft, Ingenieurwissenschaft und Bauwesen als auch Medizin Gehör. In kurzen Vorträgen berichteten sie von ihrer aktuellen Forschung und Gefahren, die gerade in Städten durch den Klimawandel bestehen. Vor allem Hitze spielt in den verdichteten Räumen der Stadt eine immer größere Rolle und ist eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung.

Universitäts-Präsidentin Prof. Merith Niehuss begrüßte die Teilnehmenden an den Bildschirmen und wies auf die Bedeutung des Forschungszentrums hin. Sie dankte den beiden Professoren Norbert Gebbeken und Wolfgang Bonß für ihre Verdienste als Leiter des FZ, sie hätten es damit geschafft „die unterschiedlichen Wissenschaftssprachen zu überwinden“.

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Prof. Merith Niehuss und Prof. Norbert Gebbeken bei der Eröffnung des virtuellen Jahreskolloqium des FZ RISK
© Universität der Bundeswehr München/RISK

Wie wirkt sich der Klimawandel auf urbane Strukturen aus?

Prof. Jörn Birkmann, Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung (IREUS) an der Universität Stuttgart erklärte zu Beginn, dass bei der Stadtplanung in den kommenden Jahren entscheidende Stellschrauben gedreht werden müssten, um den Hitzekollaps von Städten und urbanen Gebieten zu verhindern. Er wies darauf hin, dass es nicht genüge nur auf die Entwicklung des Klimas zu schauen, auch die Infrastruktur und die Altersstruktur der Bevölkerung müssten in den Blick genommen werden. Stadtviertel mit hoher Hitzebelastung und einem zukünftigen hohen Anteil an älterer Bevölkerung sowie sozioökonomisch schlechter gestellten Haushalten benötigen seiner Meinung nach besonders Hilfe bei der Anpassung an den Klimawandel. Es müssen in der nächsten Zukunft mehr Zugänge zu Grünflächen und schattigen Arealen geschaffen und Gebäude generell besser geplant werden.
Ideen zum Wohnen in der Zukunft beleuchtete Prof. Andrea Benze, Institut für Städtebau und Theorie der Stadt an der Hochschule München. Sie stellte u. a. Modelle von modernen Wohneinheiten mit gemeinsam genutzten Räumlichkeiten vor, die durch diese Aufteilung ressourcenschonendes Wohnen ermöglichen.

Prof. Elke Hertig, Regional Climate Change and Health Faculty of Medicine an der Universität Augsburg, ging in ihrem Vortrag über „Zusammenhänge und Änderungen gesundheitsrelevanter Hitze- und Ozonereignisse in Bayerischen Städten“ auf die negativen Auswirkungen von großer Hitze auf die menschliche Gesundheit ein. Sie zeigte, ähnlich wie Prof. Birkmann, dass es unabdingbar ist, Schatten und Kühlung in der Stadt zu finden um der Gesundheit nicht zu schaden.

Eine andere Auswirkung des Klimawandels als Hitze sind Starkregenereignisse, die zu großen Sachschäden bis hin zu Todesopfern, auch in Deutschland, führen können und dies in der Vergangenheit bereits taten. Darauf ging der emeritierte Professor unserer Universität Wolfgang Günthert in seinem Beitrag ein. Als Landesverbandsvorsitzender der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) erläuterte er, dass Starkregen immer plötzlich auftreten könne und daher langfristige Schutzmaßnahmen nötig seien. Entgegen der landläufigen Annahme, nur in bestimmten Regionen sei man von Starkregen und Überflutungen bedroht, zeigte er, dass diese Ereignisse überall in Deutschland auftreten können. Eine sinnvolle Ableitung von Wasser auf Oberflächen wie Straßen, Parkplätzen und Dächern sei in Bauplänen unerlässlich um Schäden zu verhindern. Auch Dachbegrünungen, die Wasser zurückhalten um eine Überlastung von Kanalsystemen zu verhindern, hält Günthert für äußerst sinnvoll. Gemeinden und Städten empfiehlt er, Risikokarten für Überflutungen anzulegen, um zu sehen, wo sich kritische Gebiete befinden.

„Abfall ist ein Designfehler“

Über die Zukunft des Bauens berichtete Andrea Heil, Gruppensprecherin der Architects for Future Ortsgruppe München. Sie sprach sich für nachhaltiges Bauen aus und betonte die Dringlichkeit des Problems des Klimaschutzes. Das Bauwesen verursacht in Deutschland 40% der Co2 Emissionen, besonders die Zementherstellung ist ein Klimakiller, dabei werde drei- bis viermal so viel Co2 ausgestoßen wie im gesamten Flugverkehr, erklärte Heil. Daher lohne es sich im Baugewerbe besonders auf Klimaschutz zu achten, hier könne noch sehr viel eingespart werden. Generell reiche es aber nicht aus, überall weniger Schaden zu verursachen oder Schadstoffe einzusparen um die Klimaziele zu erreichen. Vielmehr müsse die oberste Devise beim zukünftigen Bauen heißen „Sanierung statt Abriss“. Zu viele Gebäude werden derzeit abgerissen, um an gleicher Stelle etwas Neues zu errichten. Zwar werden bereits viele Materialien daraus recycelt, doch dies sei nicht genug, die Devise müsse lauten „nützlich statt weniger schädlich“, nur so könnten Klimaziele noch erreicht werden. Eine Kreislaufwirtschaft sei die beste Möglichkeit, nachhaltig zu bauen. „Abfall ist ein Designfehler“, so Heil. Wie sie später in der Podiumsdiskussion anmerkte, müssten hierfür dringend verbildliche Normen durch die Politik geschaffen werden.

Virtuelle Podiumsdiskussion

Den Abschluss der Veranstaltung machte die virtuelle Podiumsdiskussion zur Frage „Wie passt man die Stadt dem Klima an? Urbane Resilienz in Zeiten von Zuzug und demografischem Wandel“. Moderiert wurde das digitale Podium von der Vizepräsidentin für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität, Prof. Eva-Maria Kern. In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden mit dem bayerischen Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz Thorsten Glauber und dem Grünen-Abgeordneten und Sprecher für Naturschutz und Klimaanpassung Patrick Friedl auch zwei Politiker gehört. Daneben nahmen Andrea Heil und Prof. Stephan Pauleit, Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung an der Technischen Universität München teil. Das Podium war sich nach einer ausführlichen Diskussion einig, dass die Anpassung der Städte an das Klima unumgänglich sei und dass es der Zusammenarbeit von Politik, Bürgern und der Wissenschaft bedarf. Ohne Anreize (positive oder negative) zur Sanierung durch die Politik in Form von festgelegten Normen für das Bauen, werden sich die Städte nicht schnell genug verändern.

 

Titelbild: © iStockphoto / Xurzon