Spiegel-Gespräch – live in der Uni – von Moltkes Vermächtnis
22 März 2011
Im Rahmen der Reihe "Spiegel-Gespräch – live in der Uni" diskutiert der Sohn des NS- Widerstandskämpfers Helmuth James Graf von Moltke mit zwei Spiegel- Redakteuren über das Vermächtnis seines Vaters.
Im Audimax der Universität der Bundeswehr München sprachen der stellvertretende Chefredakteur des Magazins „Der Spiegel“ Martin Doerry und die Redakteurin Susanne Beyer mit Helmuth Caspar von Moltke, dem ältesten Sohn des NS-Widerstandskämpfers Helmuth James Graf von Moltke. Helmuth Caspar von Moltke hat das Buch „Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel“ herausgegeben, das den Briefwechsel zwischen seinen Eltern Helmuth James und Freya von Moltke von September 1944 bis Januar 1945 dokumentiert. In dieser Zeit wartete Helmuth James von Moltke im Gefängnis Berlin Tegel auf seinen Prozess vor dem Volksgerichtshof und auf seine Hinrichtung. Der Gefängnispfarrer Harald Poelchau schmuggelte die Briefe fast täglich an der Zensur vorbei.
Ein für die Öffentlichkeit zugänglicher Schatz
Als Freya von Moltke Anfang 2010 verstarb, wurde bekannt, dass der Briefwechsel aus den letzten Wochen vor der Hinrichtung komplett erhalten ist. Erst ein Jahr nach ihrem Tod, so hatte es Freya von Moltke verfügt, sollten die Briefe auch öffentlich zugänglich sein. Helmuth Caspar von Moltke übernahm mit seiner Schwägerin Ulrike von Moltke die Herausgeberschaft des Briefwechsels. Für ihn sind die Briefe ein persönlicher Schatz – doch er wollte sie auch der Öffentlichkeit nicht vorenthalten. „Die Briefe bewegen mich jedes Mal, auch wenn ich sie häufiger lese. Das Bewegen ist jedoch positiv“, so von Moltke. Den Zuhörern im Audimax trugen die Spiegel-Redakteure einige dieser bewegenden Passagen des Briefwechsels vor. „Ich jammere auch nicht, denn unser Leben müssen wir bereit sein einzusetzen. Ich billige alles, was Du tatest, aus Herzensgrund“, schrieb Freya von Moltke beispielsweise an ihren Mann. Am Morgen seines Todestages schrieb Helmuth James von Moltke an Freya: „Ich trug Dich so fest bei mir. Das war sehr schön zu fühlen.“
Regierungswechsel ohne Attentat
Helmuth James Graf von Moltke, geboren 1907 im kleinen Dorf Kreisau/Schlesien, studierte Rechtwissenschaften und war einer der Gründer der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis. Der Kreisauer Kreis war eine bürgerlich-zivile Widerstandsgruppe, die sich mit der Frage der politisch-gesellschaftlichen Neuordnung für die Zeit nach der NS-Diktatur beschäftigte. „Mein Vater wollte energisch einen Regierungswechsel, hatte ein Attentat auf Hitler aber immer abgelehnt. Er wollte einen politischen Wechsel, der nicht auf einem Mord basierte“, ordnete von Moltke vor den Zuhörern an der Universität der Bundeswehr München die Einstellung seines Vaters ein. „Mit seinen liberalen Ideen war mein Vater im Kreise der Familie auch nicht bei jedem beliebt“, fügte er hinzu. Nach dem missglückten Attentatsversuch auf Hitler am 20. Juli 1944, an dem auch einige „Kreisauer“ beteiligt waren, wurde Helmuth James von Moltke verhaftet. Am 23. Januar 1945 wurde der 37-Jährige in Berlin erhängt.
Kreisau als Ort der Versöhnung
Freya von Moltke emigrierte mit ihren Söhnen zunächst nach Südafrika und lebte ab 1960 bis zu ihrem Tod in Vermont, USA. Das Gut der Moltkes in Kreisau wurde mit ihrer Unterstützung nach 1990 in eine internationale Begegnungsstätte umgewandelt. Es ist der europäischen und insbesondere der deutsch-polnischen Verständigung gewidmet und soll damit die Gedanken des Kreisauer Kreises weiter tragen. Rund 5.000 Jugendliche treffen sich hier jährlich. Für Helmuth Caspar von Moltke wird in diesem Projekt das geistige Vermächtnis seiner Eltern Realität.