Ich diene Deutschland
19 Juli 2019
Als Auftaktveranstaltung des diesjährigen Diversity-Tages (28. Mai) fand am 23. Mai eine Lesung mit Leutnant zur See Nariman Hammouti-Reinke (li.) an der Universität der Bundeswehr München statt. Die Autorin berichtet in ihrem im Januar 2019 erschienenen Buch „Ich diene Deutschland. Ein Plädoyer für die Bundeswehr – und warum sie sich ändern muss“ über ihre persönlichen Erfahrungen als Frau mit marokkanischen Eltern und als Muslima in der Bundeswehr. In ihrer bisher 14-jährigen Laufbahn absolvierte sie zwei Einsätze in Afghanistan. Außerdem engagiert sie sich als Vorsitzende des Vereins Deutscher.Soldat.e.V in der „Kommission für Migration und Teilhabe des Niedersächsischen Landtags“ sehr aktiv für eine moderne Integrationspolitik in Deutschland. Im Gespräch mit der Vizepräsidentin für Entrepreneurship und HAW, Prof. Rafaela Kraus erläuterte die Autorin wie sie zur Bundeswehr kam, ging auf die verschiedenen Stationen ihrer Laufbahn ein und berichtete wie sie die Bundeswehr als Arbeitgeber wahrnimmt. In ihrem Buch schildert sie Probleme wie zum Beispiel ungenügende Ausstattung bei Einsätzen aber auch ihre positiven Erfahrungen mit Kameradinnen und Kameraden, die ihren Alltag im Dienst prägen. Dabei erklärt sie auch, welche Änderungen ihrer Meinung nach vorgenommen werden müssten um die Bundeswehr modern und attraktiv für Bewerber zu gestalten.
„Weiß und blond sind nicht unsere Nationalfarben“
Für Hammouti-Reinke sei es „das Höchste ihrem Land Deutschland in der Bundeswehr zu dienen“, wie sie während ihrer Lesung betonte. Die Herkunft ihrer Eltern spiele für sie dabei keine Rolle, als gebürtige Hannoveranerin sehe sie keinen Grund, warum nicht auch eine muslimische Frau wie sie bei der Bundeswehr sein könne. Oft werde sie verwundert angesehen, wenn sie „draußen“ in Uniform unterwegs sei. Offenbar verbinden viele Menschen eher ein anderes Aussehen mit dem Beruf Soldat. Doch Hammouti-Reinke antwortet auf die Frage warum „ausgerechnet sie“, als Tochter von Migranten Soldatin geworden sei, dass „weiß und blond nicht unsere Nationalfarben seien“. Sie selbst habe auch keine Erfahrungen mit Rassismus innerhalb der Organisation machen müssen, das Außenbild vom blonden, blauäugigen und rechts-konservativen Soldaten sei alles andere als richtig. Daher fordert sie im Buch und im Gespräch dazu auf, die Bundeswehr als die vielfältige Truppe wahrzunehmen, die sie ist.
Um den Nachwuchsproblemen zu begegnen, müsse sich die Bundeswehr ihrer Ansicht nach in alle Richtungen öffnen. Dazu gehöre es auch, realistische Bilder nach außen zu transportieren. Ein weiterer Punkt, der ihr besonders wichtig ist, ist die Bereitstellung von muslimischen und auch jüdischen Seelsorgern für Angehörige der Bundeswehr. Bisher wird die Seelsorge nur von katholischen und evangelischen Geistlichen ausgeübt, Angehörige anderer Religionen haben diese Möglichkeit bisher nicht. Es sei nicht zeitgemäß im Jahr 2019 darauf zu beharren, dass das Christentum die vorherrschende Religion in Deutschland sei, alle Soldatinnen und Soldaten hätten ein Anrecht auf eine seelsorgerische Betreuung. Ganz praktisch erläuterte sie das Problem eines fehlenden muslimischen Geistlichen an den Überlegungen, die sie in Vorbereitung ihres ersten Auslandseinsatzes anstellte. Um im Falle ihres Todes gemäß ihrer religiösen Vorgaben nach Deutschland überführt und bestattet werden zu können, schrieb sie selbst eine Art „Bedienungsanleitung“, wie sie es ausdrückte. Diese erhielt ihr Vorgesetzter zusammen mit Telefonnummern zu Kontaktpersonen, die im Falle eines Falles in Hannover ihre Eltern informieren sollten. Diese Schilderung zeigt, welch große Bedeutung die fehlende Kenntnis über religiöse Unterschiede und Besonderheiten haben kann und worüber in der Führung der Bundeswehr daher nachgedacht werden sollte.
Diversity-Management in der Bundeswehr
Prof. Kraus, die an der Universität der Bundeswehr auch Personalmanagement lehrt, fragte die Autorin nach ihrer Meinung zur Bedeutung des Diversity-Managements innerhalb der Bundeswehr. Dieses hält Hammouti-Reinke für sehr wichtig. „Diversity-Management fängt bei der Führungskräfteausbildung an. Jeder sollte dies innerhalb der Organisation berücksichtigen.“, sagte sie. Darüber hinaus sei es aber in jeder Laufbahngruppe unerlässlich, sich mit Diversität zu beschäftigen. Nur wenn stetig für das Thema sensibilisiert werde, könne die Bundeswehr sich wandeln und langfristig als Arbeitgeber attraktiv bleiben.
Der Deutsche Diversity Tag ist ein bundesweit stattfindender Aktionstag am 28. Mai. Institutionen und Organisationen beteiligen sich mit Angeboten zum Thema Vielfalt. An der Universität der Bundeswehr München finden an diesem Tag eine ökumenische Andacht, ein internationales Frühstück sowie Workshops zur Stärkung interkultureller Kompetenz statt. In und um die Mensa gibt es Infostände und Mitmach-Aktionen wie einen Alterssimulationsanzug, einen Rollstuhl-Parcours oder ein Diversity-Quiz.