„Es geht um Lösungen für die Bundeswehr“
Interview mit Dipl. Industriedesigner (FH) Christopher Kearney
Mit dem Fachmagazin „Designen für den Einsatz“ gibt es eine neue Publikation an der Universität der Bundeswehr München. Hinter der zunächst digital erscheinenden Ausgabe steht Dipl. Industriedesigner (FH) Christopher Kearney von founders@unibw. Mit dem Magazin will Kearney spannende Einblicke in die Arbeiten der Studierenden geben, die in den Wahlpflichtmodulen „Defending Democracy – Design und Krieg“, sowie in „Design Thinking“ in Projektteams Lösungen für den zukünftigen Einsatz gestaltet haben. Ein Gespräch über Problemanalysen, Innovationen von Studenten und das Arbeiten in der Werkstatt.
Präsentation der Designarbeiten eines Trimesters 2023 im Founders Coworking Space: V.L.n.R. Reihe Hinten: Founders Manager Felix Kästner,
Maximilian Dietrich, Marvin Andree, Lisa Sonneberg, Mike Martin, Judith Oesker, Michel Möller, Annika Pezold, Kevin Boateng,
Peter Willems, Robin Zirngibl, V.L.n.R. Reihe Vorne: Patric Sievert, Seyit Celik, Christopher Kearney, Foto: © founders@unibw
Herr Kearney, mit der Publikation „Designen für den Einsatz“ wurde ein neues, Bundeswehr-internes Fachmagazin für den Bereich Defense-Innovationen geschaffen. Warum war es Zeit für eine solche Veröffentlichung?
Nach meinem Einstieg im founders@unibw Team im April 2022 als Industriedesigner sind 24 Design-Projekte im Design-Unterricht mit Studierenden entstanden. Jetzt, wo ich das Feedback aller Studierenden, aber auch konkrete Lösungen vorliegen habe, war es an der Zeit, diese Designlösungen im militärischen Kontext zu veröffentlichen. Gepaart mit einem ersten Design-Wissenschaftlichen Fundament für die UniBw München.
Sie standen hier auch in einem interdisziplinären Austausch, so war an einem Projekt auch die Fakultät für Maschinenbau maßgeblich beteiligt...
Ja, es gilt immer auch, sich in diesem Kontext mit anderen Fakultäten auszutauschen. Hierbei sind kontroverse Diskussionen und auch Kritik willkommen und wichtig. Nur in der Auseinandersetzung mit dem Leitthema “Innovation” innerhalb der UniBw formt sich weiterhin eine eigene, authentische “Innovationskultur” der UniBw München.
„Aus welcher Haltung heraus können wir unsere Kultur verteidigen?“
Die Veröffentlichung basiert auf den Inhalten aus Ihrem Wahlpflichtfach „Defending Democracy: Design & Krieg“. Worum geht es in diesem
Studienfach explizit?
Studienfach explizit?
Die jungen Offiziere aus dem Studiengang Management und Medien sind dazu angehalten, in einem Kriegsfall die BRD zu verteidigen. Ebenso müssen sie andere Soldaten und Soldatinnen führen. Die Frage dabei ist: Aus welcher Haltung heraus können wir unsere Kultur verteidigen? Hierzu schauen wir uns Designs und Strukturen aus kriegerischen Auseinandersetzungen der Vergangenheit an. Wir führen offene Gespräche und analysieren strukturiert soziale, ergonomische, politische sowie konkrete Produkte und Handlungsabläufe aus dem Militärumfeld sowie aus unserem zivilen, demokratischen Umfeld. Zum Trimester-Ende sollen dann im Team “echte Probleme” aus der Bundeswehr / Ausrüstung durchdrungen werden. Es geht um Lösungen für die Bundeswehr! Diese werden dann in einem abschließenden Pitch präsentiert. Hierbei entwickeln Teams aus zwei bis fünf Teilnehmenden Designs und bauen hierzu mit zur Verfügung gestellten Werkzeugen und Materialien Prototypen.
Ist diese verhältnismäßig kurze Zeitspanne denn ausreichend dafür, ein fertig ausgereiftes Produkt zu schaffen?
Ja, die Zeit reicht aus. Zudem viele Teams auch in Ihrer Freizeit hochmotiviert an ihren Designs weiterarbeiten. Denn sie wollen die brennende Frage beantworten: “Was verbessert sich mit meinem Teamdesign an der Situation innerhalb der Bundeswehr?” Es wird ja grundsätzlich im Studium sehr viel gefordert. Was die Studierenden gut designen lässt, ist ihre Kameradschaft und ihre Teamfähigkeiten - absolut essenziell, um gutes Design zu schaffen. Denn es geht auch kontrovers in der Werkstatt zu. Es ist wichtig, während der Arbeit kontroverse Diskussionen zu Design führen zu können, denn am Trimester-Ende muss jedes Team eine einsatzfähige Lösung präsentieren.
Wie war das bisherige Feedback zu der Publikation?
Das bisher persönliche Feedback ist sehr gut, insbesondere bei technisch versierten und interessierten Leserinnen und Lesern. Sie freuen sich über die konkreten Designs und Prototypen, sehen, was so alles an der Universität passiert. Die visuelle Gestaltung wurde zum Teil als etwas “altbacken” kritisiert. Ich finde das gut, denn dann weiß ich auch, dass sich die Leute damit befasst haben. Die Fotos sind authentisch und substanziell während der Arbeit entstanden. Sie zeigen die Teammitglieder beim Arbeiten, also auch beim Experimentieren während des Designprozesses. Die Fotos sind nicht gestellt und damit authentisch. Sie dokumentieren, dass für Probleme Lösungen erarbeiten werden.
Wie wurde ihr Fach und die Ergebnisse davon bisher von den Studierenden aufgenommen?
Positiv. Ich bin sehr zufrieden, dass fast alle Studierenden mein Angebot angenommen haben und es in Betracht ziehen, ihr erlerntes Design-Know-How für ihre spezialisierten Bereiche einzusetzen. Immerhin haben sie in Designteams “echte” Lösungen in der Werkstatt geschaffen, die einen Beitrag zur Ausrüstung der Bundeswehr leisten kann. Umgekehrt lerne ich sehr vieles von den Studierenden über Ausrüstung, Abläufe und Vorgehensweisen in der Bundeswehr kennen.
„Das Ziel: echte Probleme analysieren, um echte Lösungen für das Militär entwickeln und zu bauen“
Und von der Bundeswehr?
Hier läuft bereits der Austausch. Im Design-Lehrangebot “Designen für den Einsatz” wenden wir einen “bottom up Approach” an. Das Ziel ist es, “echte Probleme” zu analysieren, um “echte Lösungen” für das Militär zu entwickeln und zu bauen. Gegenwärtig sind wir in der “Prototyping” Phase mit einigen operativen Designs der angehenden Offiziere. Diese werden nun vertestet und weiterentwickelt. Erst mit der Verprobung im Manöver oder im Einsatz, können sich Verantwortliche der Bundeswehr einen “echten” operativen Eindruck verschaffen. Das steht noch an.
In anderen Intrapreneurship-Formaten der Bundeswehr wird ein “Top Down Approach “ angegangen. Werden hier auch effektiv Lösungen produziert?
Nun, das ist ein völlig entgegengesetzter Vorgang, der keine operativen Produkte hervorbringt. Ich ziehe den Bottom Up Approach vor: Anders als “Hands on” kann man Designprozesse nicht erlernen. Es ist ein fehlerbasiertes Vorgehen, immer “nah am zu lösenden Problem“.
Die Studierenden der Bundeswehr-Universität sind in erster Linie junge Offiziere, die nach ihrem Studium wieder in ihre eigentliche Verwendung eingegliedert werden. Sprich: Sie sind in erster Linie Soldaten. Werden die Innovationen der Studenten nach ihrer Zeit an der Universität wieder in andere Hände gegeben?
Die Offiziere bleiben Urheber Ihrer Designs, egal ob das Design weiterverfolgt wird oder nicht. Viele Studierende haben Ihr Design für eine Projektfortführung “freigegeben“. Eine tolle Geste.
Schafft es ein Produkt oder eine Idee, über einen ersten Prototyp hinaus, kann dieses in Serienreife gehen. Wie oft ist dies bereits konkret der Fall gewesen?
Das Produkt lightSAVER hat in der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit Prof. Dr.-Ing. Florian Engstler, Fakultät Maschinenbau, die Stufe der Serienfertigung erreicht. Zwei weitere Studierenden-Designs befinden sich in der Prototyping II Phase, um ebenfalls in den kommenden zehn Monaten die Vertestung zur Serienfertigung anzustreben. Um dies in dieser kurzen Zeit zu erreichen sind interdisziplinäre Teams gefordert. Das heißt: ich gehe mit den Studierenden und ihren ersten Prototypen auf Professoren, Professorinnen und weitere Kollegen/Innen zu und spreche Sie offen für eine Zusammenarbeit an. Manchmal empfehlen die Ansprechpartner einen geeigneteren Kontakt. Der respektvolle Umgang miteinander und die Hilfsbereitschaft hier an der UniBw München helfen enorm, während unserer Phase der “Kaltakquise” für Projektpartner/Innen.
„Designlösungen entstehen in der Werkstatt, im Manöver werden diese erprobt und optimiert“
Interview: Max Marquardt/ Fotos: Christopher Koeck
Technologische Souveränität, die Förderung von Innovationen und eine bessere Wehrhaftigkeit Deutschlands sind dieser Tage Schlüsselthemen in der Verteidigung. Mit „Designen für den Einsatz“ schlagen Sie in diese Kerbe. Doch wie landen am Ende die Erfindungen der Studenten auch wirklich in der Truppe? Was muss dafür passieren?
Da müssten Sie eher die Offiziere fragen, die bessere Insights in die Bundeswehr haben als ich. Ein altes amerikanisches Sprichwort besagt: “Complaining does not help. Either act or forget.” Ich gehe nach meinen bisherigen Erfahrungen davon aus, dass die Interdisziplinäre Arbeitsweise zwischen Fakultäten und angewandtem Können (Handwerk & Industrie) entscheidend ist, um zügig voranzukommen und einsatzfähige Produkte zu nutzen. Designlösungen entstehen in der Werkstatt, im Manöver werden diese erprobt und optimiert. Ein klassischer “Bottom Up Approach” also eine Vorgehensweise entgegengesetzt zu vielen “Top Down Approaches” in denen große Kommunikations- und Netzwerk-Infrastrukturen entstehen. Erst dann werden Leute gesucht, die die eigentliche Arbeit “an der Werkbank” verrichten. Für mich zählen, aufgrund unserer Situation in Deutschland, nur technisch umsetzbare Resultate und anwendbares Wissen.
Sie verfolgen einen interdisziplinären Ansatz: Eine fachübergreifende Zusammenarbeit mit verschiedenen Fakultäten der Universität, wie zum Beispiel mit der Fakultät für Maschinenbau. Verlief die bisherige Zusammenarbeit zu Ihrer Zufriedenheit?
Ja, absolut. Ein großer Glücksfall! Prof. Engstler hat, wie in der Broschüre “Designen für den Einsatz” detailliert wiedergegeben, das Produktdesign auf eine einsatzfähige Ebene “katapultiert”. Er hat mit seiner Expertise in Rekordzeit (3 Monate) das Designengineering mittels drei Itterationen “durchgezogen”. Ich habe sofort gemerkt, dass Prof. Engstler bereits sehr viel Erfahrung mit Industriedesigner/Innen in der Entwicklung technischer Industrieprodukte hat. Das Designteam, bestehend aus den UniBw München Absolventen Fabian Dosch, Marco Reich und Moritz Wigger waren begeistert, was aus Ihren ersten Prototypen, bestehend aus zwei einfachen Blechelementen entstanden ist. Jetzt werden Einhundert Prototypen in Kleinserie in der Truppe vertestet. Prof. Engstler und ich haben bereits unser nächstes gemeinsames Designprojekt in einem neuen interdisziplinären Team gestartet. Mein Angebot, im Founders Team, Designlösungen im wissenschaftlichen Kontext sowie für die Bundeswehr in Interdisziplinären Teams zu gestalten ist an alle Fakultäten gleichermaßen gerichtet.
Das Gestalten von Produkten und Innovation verläuft nach einem ganz bestimmten Design-Prinzip. Können Sie einen kleinen Einblick in Ihre Arbeit mit den jungen Offizieren geben?
Moderne Designprozesse aus dem Industriezeitalter der Nachkriegszeit hatten Ihren Ursprung im Demokratischen Deutschland der 1950er Jahre. Durch den kulturellen und wirtschaftlichen Austausch mit Amerika haben sich verschieden Methoden und Prinzipien in beiden Ländern entwickeln können. In aller Munde ist seit zehn Jahren “Design Thinking”. Für die Zusammenarbeit mit Offizieren ist die Herangehensweise, verschiedene Perspektiven einnehmen und versachlichen zu können entscheidend. Sie analysieren ein “Problem “ aus Ihrer bisherigen Karriere, zum Beispiel im Manöver, im Einsatz und so weiter. Dieses Problem muss “echt” sein. Das bedeutet sie haben es wirklich erlebt, um feststellen zu können, “das funktioniert nicht richtig” oder “das könnte besser gelöst werden”. Das Erlebnis können sie als Erinnerung hervorholen und “nah am Problem verschiedene Perspektiven, wie zum Beispiel Handlungsabläufe wiedergeben, die Perspektive der Anwendung sowie die Perspektive der Anwendung in Anbetracht einer Lösung. Dann wird es spannend: Strukturiert mit Templates werden diese Perspektiven aufgeschlüsselt, um im Kontext einer möglichen Lösung ein Produkt zu gestalten. Mit einfachen Werkzeugen und Materialien werden die ersten Lösungsansätze im Team gebaut. Hier wird im Anschluss reflektiert, Details und Änderungen werden besprochen und weitere “Schleifen” in der Werkstatt gefahren.
“Fehlerbasierte” Produktentwicklung - So lange, bis zum fertigen Prototypen.
„Es ist nicht meine Aufgabe Probleme aufzuzeigen, sondern in der Fakultät BW anwendbare Designprozesse zu vermitteln, Lösungen in Teams zu gestalten und diese technisch mit ihnen umzusetzen“
Design auch immer nach einem Trial & Error-Prinzip. Mit welchen Problemen hatten Sie bisher innerhalb der manchmal ja doch sehr festen Strukturen innerhalb der Universität aber auch der Bundeswehr zu kämpfen? Was würden Sie sich in diesem Zusammenhang in Zukunft wünschen?
Die militärisch Verantwortlichen an der UniBw M haben mir auf dem Markt der Möglichkeiten am Campus, gesagt, dass Sie gerne mal in der Design-Werkstatt vorbeischauen wollen, um zu sehen, was wir machen. Bisher ist das aber nicht geschehen. Ob das ein Problem ist, kann ich nicht so richtig beantworten. Die anderweitigen Verwaltungsstellen, die ich um Mithilfe oder um Anträge gebeten habe, waren und sind sehr entgegenkommend und hilfsbereit. Es ist, wie gesagt nicht meine Aufgabe Probleme aufzuzeigen, sondern in der Fakultät BW anwendbare Designprozesse zu vermitteln, Lösungen in Teams zu gestalten und diese technisch mit ihnen umzusetzen.
Was muss passieren, dass die Bundeswehr in den Bereichen Forschung & Entwicklung besser werden kann?
Ich gehe davon aus, dass in der nächsten Phase konkreter Innovationsprojekte innerhalb der Bundeswehr auf den “Bottom Up Approach” gewechselt wird. Auch setze ich fest auf interdisziplinäre Teams mit flacher Hierarchie. Vergessen Sie nicht, dass die UniBw eine Top Ausbildungsstätte ist. Wenn die streng abgetrennten Fakultäten projektweise zusammenarbeiten, sehe ich ein riesiges Potential!
Die militärisch Verantwortlichen an der UniBw M haben mir auf dem Markt der Möglichkeiten am Campus, gesagt, dass Sie gerne mal in der Design-Werkstatt vorbeischauen wollen, um zu sehen, was wir machen. Bisher ist das aber nicht geschehen. Ob das ein Problem ist, kann ich nicht so richtig beantworten. Die anderweitigen Verwaltungsstellen, die ich um Mithilfe oder um Anträge gebeten habe, waren und sind sehr entgegenkommend und hilfsbereit. Es ist, wie gesagt nicht meine Aufgabe Probleme aufzuzeigen, sondern in der Fakultät BW anwendbare Designprozesse zu vermitteln, Lösungen in Teams zu gestalten und diese technisch mit ihnen umzusetzen.
Was muss passieren, dass die Bundeswehr in den Bereichen Forschung & Entwicklung besser werden kann?
Ich gehe davon aus, dass in der nächsten Phase konkreter Innovationsprojekte innerhalb der Bundeswehr auf den “Bottom Up Approach” gewechselt wird. Auch setze ich fest auf interdisziplinäre Teams mit flacher Hierarchie. Vergessen Sie nicht, dass die UniBw eine Top Ausbildungsstätte ist. Wenn die streng abgetrennten Fakultäten projektweise zusammenarbeiten, sehe ich ein riesiges Potential!
Die Erstausgabe von „Designen für den Einsatz“ erschien ausschließlich digital? Ist in Zukunft auch eine Print-Version davon geplant?
Das kommt drauf an, wie das Feedback vom UniBw Umfeld noch ausfällt und ob es die Mitarbeitenden langfristig interessiert.
Was erhoffen Sie sich mit Ihrer Arbeit für die Zukunft?
Der Funke ist bei den studierenden Offizieren bereits übergesprungen. Das ist ein großer Erfolg! Einige Startups aus dem founders@unibw Ökosystem konnten durch die Zusammenarbeit mit mir sogenannte Fundings, also Geld, erhalten. Prof. Dr. Rafaela Kraus und Founders Manager Felix Kästner haben mir während dieser Zeit Handlungsspielraum gegeben, um unsere Design-Lehre sowie konkrete Designprojekte in Teams umsetzen zu können. Wir konnten in dieser Zeit ein designwissenschaftliches Fundament legen. Es wäre weiterhin toll, die Innovations-Kultur innerhalb der Bundeswehr mit konkreten Designprojekten mitzugestalten. Die studierenden Offiziere haben dafür auch keine Herausforderungen ausgeschlagen!