17. Oktober 22
 
Moonshot-Denken an der Universität der Bundeswehr

Besuch hochrangiger internationaler Manager im Rahmen einer von Google organisierten Learning Expedition

 

Am 11. Oktober besuchten über 75 internationale Führungskräfte großer Unternehmen die Universität der Bundeswehr in München im Rahmen einer von Google organisierten Learning Expedition. Die Munich Learning Expedition ist ein exklusives Erlebnis für ausgewählte CxOs, um Trends und Technologien kennenzulernen. Ziel ist es, innovative Menschen und Organisationen zusammenzubringen, die jeweils “Moonshot-Denken” oder die “10X-Mentalität” besitzen, also zehn Mal größer denken, unkonventionelle Lösungen suchen, auf schnelles Experimentieren setzen und schon heute am Erfolg von morgen arbeiten.

 

Picture 1g&s.jpg

 

 

Deep Tech an der UniBW

Da durfte die Universität der Bundeswehr (UniBW) nicht fehlen. Aus zweierlei Gründen. Zum einen ist die Universität auf Forschung und Entwicklung im Bereich Deep Tech ausgerichtet, also tiefgreifende Technologien wie z.B. Luft-und Raumfahrt. Deep Tech wird in Zukunft die Antwort auf die Frage liefern, wer das nächste Google sein könnte. Ein für die wirtschaftliche Position Europas wichtiges Thema, denn laut einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) wurden 2018 weltweit 18 Milliarden US-Dollar (umgerechnet ca. 16,2 Milliarden Euro) in derartige Unternehmen investiert – Tendenz stark steigend. Zum zweiten fördert die Universität der Bundeswehr München bewusst den Transfer der Ergebnisse der Technologieforschung in Deep-Tech-Ausgründungen und leistet daher Beiträge für die Gesellschaft und Wirtschaft.

 

Damit verbindet die Universität staatliche und privatwirtschaftliche Interessen, bildet eine Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Industrie, Bundeswehr und Gesellschaft und bietet eine Plattform für neue Technologien. Wenn über mangelnde Innovationen in Europa gesprochen wird, fällt die Tatsache, dass der Staat der wahre Entrepreneur hinter dem iPhone ist, oft unter den Tisch. Die Kerntechnologien wie Multi-Touch-Bildschirme, GPS, das Internet oder Mikro Festplatten wären ohne staatliche Vorausschau und Förderung nicht denkbar. Siri, die Sprachverarbeitungssoftware des iPhones entstammt einem Projekt der kalifornischen Stanford Universität. Die Universität der Bundeswehr forscht an Schlüsseltechnologien und gleichzeitig entwickeln und testen Startups und etablierte Unternehmen zusammen innovative Konzepte. Ziel ist es, mit Spitzenforschungsprojekten den nationalen und internationalen Führungsanspruch in der Wissenschaft auszubauen und Forschungstransfer zu ermöglichen. Der richtige Ort also, um einen Einblick in die Welt von morgen und ins “Moonshot-Thinking” zu erhalten.

 

Gemäß der Vision von Google, das Wissen der Welt allen Menschen zugänglich zu machen, öffnete die Universität ihre Tore für die ausgewählten Führungskräfte.

 

Die Themen von morgen: Energie und Space

Zu Besuch waren die Manager bei zwei besonderen Projekten, die genau dem 10x Moonshot Denken in den Zukunftsthemen entsprechen: Im Bereich Space bei der Kleinsatellitenmission SeRANIS, mit dem weltweit ersten multifunktionalen Experimentallabor im Orbit, den Start-Ups NEOsat und Talos und sowie im Feld Energie bei dem innovativen Energiespeicher-Startup BAVERTIS.

 

Zwei Vorhaben, die aufgrund der aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Lage wichtiger nicht sein könnten. Souveränität im Bereich der Kommunikationsinfrastruktur ist entscheidend, ebenso wie neue Lösungen zur Energiespeicherung und Nachhaltigkeit. Auf beide Herausforderungen hat die Universität der Bundeswehr eine Antwort.

 

Die weltweit einzigartige Kleinsatellitenmission SeRANIS

Weltraumforschung war schon immer eines der großen Themen an der UniBw M und die UniBw M ist mit ihrem Forschungszentrum Space führend. Vieles aus unserem Alltag wäre ohne die Raumfahrtforschung nicht möglich, von autonomem Fahren bis hin zur Übertragung des samstäglichen Fussballspieles. Eines der aktuell größten und wichtigsten Projekte ist das dtec.bw-geförderte Projekt SeRANIS. SeRANIS (Seamless Radio Access Networks for Internet of Space) ist die weltweit erste und einzige Kleinsatellitenmission, die ein öffentlich zugängliches multifunktionales Experimentallabor im Orbit bereitstellt. Mit offenen Plattformschnittstellen wird das Testen neuer Technologien, einzeln und im Verbund, ermöglicht. Das Ziel der Mission ist es zum einen, den gesellschaftlichen Nutzen und die technologische Reife von weltraumbasierten Schlüsseltechnologien zu untersuchen und zu demonstrieren. Zum anderen sollen die technologische Souveränität und die Hightech-Strategie der Bundesrepublik Deutschland unterstützt werden.

 

Auf den Satelliten werden gleichzeitig mehr als zehn innovative und komplexe Experimente mit Schlüssel- und Zukunftstechnologien durchgeführt. Darunter fallen Mobilfunksysteme der sechsten Generation (6G), Laserkommunikation oder Internet of Things (IoT), also echte Pionierarbeit. Damit unterscheidet sich diese Plattform von anderen Forschungsvorhaben, die gewöhnlich als Technologieträger für einzelne Experimente dienen.

 

Durch diesen innovativen Ansatz stellt SeRANIS beispielsweise einen 6G-Forschungs-Hub zur Verfügung, der auch die Weltraumkomponente einschließt. Mithilfe der Förderung von Ausgründungen und einer Einbindung von Unternehmen wird die Überführung der Forschungsergebnisse in die Industrie angestrebt mit dem Ziel, Technologieführerschaft zu erlangen.

 

Picture 2 G&s.jpg

Geschäftsführer Neosat GmbH Kai-Uwe Storek (Hintergrund) und Prof. Dr. Andreas Knopp, Leiter und Initiator

 

Als erste Kleinsatellitenmission der Bundeswehr, die von einer Universität geführt wird, übernimmt SeRANIS eine wichtige Rolle im Zeitalter der „New Space Economy“, dem entstehenden Markt kommerzieller Weltraumtechnologien. Prof. Dr. Andreas Knopp, Leiter und Initiator fasst es so zusammen: “Ganz nach dem Prinzip des „Dual Use“ wollen wir der Gesellschaft etwas zurückgeben und setzen einen starken Fokus auf den Beitrag zur Digitalisierung. Sichere Kommunikationswege erforschen und einen nahtlosen Übergang zwischen verschiedenen Netzwerken schaffen – dies sind die besonderen Schwerpunkte unserer New Space Mission. Kommerzialisierung von Weltraumanwendungen und Förderung von Start-ups ebenso.”

 

Als Teil der agilen New Space Strategie, um neue Systeme schnell und kostengünstig in den Orbit zu transportieren, konnten sich Start-Ups bewerben, um mit ihrem Projekt in 2025 bei der Kleinsatellitenmission mitzufliegen. Zwei der Start-Ups waren ebenfalls vor Ort und präsentierten sich.

 

Ausgründung Neosat

Die Neosat GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Kai-Uwe Storek, bietet innovatives Systemdesign und fortschrittliche Signalverarbeitung für Multibeam-Satellitensysteme der nächsten Generation. Der Vorteil: Höhere Zuverlässigkeit und Effizienz von Satellitennetzen und schnellere, wirtschaftlichere Kundenverbindungen. Als Spin-Off der Universität der Bundeswehr München im Bereich Luft- und Raumfahrttechnik schließt Neosat die Lücke zwischen universitärer Forschung und den Anforderungen der Industrie im Bereich Satellitenkommunikationstechnologien für das Zeitalter von 5G und dasInternet of Space. Neben den großen Antennenfeldern des SeRANIS-Projekts konnten die Teilnehmer sehen, wie die nur daumengroßen IoT-Träger sichere Kommunikation ermöglichen.

 

Picture 3 G&s.jpg

Geschäftsführer Neosat GmbH Kai-Uwe Storek zeigt die daumengroßen IoT-Träger. 

Prof. Dr. Andreas Knopp, Leiter und Initiator (Hintergrund)

 

 

Die neu gegründeten Talos GmbH Tracking von Tierwanderungen

Aber es geht noch kleiner. Ein weiteres Anwendungsfeld demonstrierte die neu gegründete Talos GmbH mit ihrem satellitengestützten, autonomen, globalen Tracking passiver Tags, das ohne GNSS-Empfang und ohne Netzanbindung auskommt. Geschäftsführer Gregor Langer präsentierte die Tags, die kostengünstig, kaum daumengroß sind und weniger als 1 Gramm wiegen, aber gleichzeitig langlebig und robust sind. Sie werden für das Tracking von Kleinstgegenständen oder Lebewesen angewendet und können so Aufschluss über Tierwanderungen und das Zugverhalten von Vögeln, Insekten und anderen Tieren geben. Für die Klimaforschung, Nachhaltigkeit und Umweltschutz ein wichtiges Thema.

Um Nachhaltigkeit ging es auch beim zweiten Programmpunkt “Energie”.

 

 

Herausforderung Energiespeicher

Um im Kampf gegen den Klimawandel seinen Beitrag zu leisten, muss Deutschland bis 2045 klimaneutral werden und die Energieversorgung aus ausschließlich erneuerbaren Energien sicherstellen. Der Handlungsdruck hat sich zudem in Folge des Ukrainekriegs erhöht, denn Gas hat als Übergangstechnologie an Attraktivität verloren und die Sicherstellung von größerer Unabhängigkeit bei der Energieversorgung hat massiv an Bedeutung gewonnen.

Dabei stellen lange Perioden ohne nennenswertes Solar- und Windenergiepotential eine besondere Herausforderung dar, sogenannte Dunkelflauten. In diesen Zeiträumen spielen langfristige Energiespeicher, also Energiespeicher mit einer Speicherdauer von mindestens zehn Stunden, eine essentielle Rolle, um die Stabilität des Stromnetzes zu gewährleisten. Zudem gibt es im Winter lange Perioden, in denen die Energieerzeugung hinter dem Energiebedarf zurückbleibt. Langfristige Energiespeicher sind daher ein zentraler Baustein für die Energieautonomie und die Erreichung der Klimaziele, und zudem ein wachsender Multi-Milliarden-Markt, der allerdings mit den aktuell marktreifen Technologien nur unzureichend bedient werden kann.

Die Rede ist von großen Batteriespeichern, die überschüssige Energie aufnehmen und genau dann ins Netz einspeisen, wenn eine höhere Nachfrage besteht. Eine Möglichkeit bilden modulare Multilevel-Batterien. Diese verschmelzen Batteriepacks mit Leistungselektronik, um damit ein wirklich modulares Batteriespeichersystem zu schaffen. Hochdynamisches Handling einzelner Batteriemodule ermöglicht verlustfreies Balancing während des Betriebs und eine hohe Effizienz des Umrichters durch geringere Belastung einzelner Submodule insbesondere im Teillastbetrieb.

Eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Ausgründung der Universität der Bundeswehr beschäftigt sich mit diesem Thema und war Anlaufpunkt für die Google Learning Experience Teilnehmer.

 

Bavertis

Konservativ gedacht baut man Batteriespeicher als separate „Speicherkraftwerke“ in der Nähe von beispielsweise Wind- oder Solarkraftwerken. Viel sinnvoller ist es jedoch, die Speicherkapazität zu nutzen, die gerade tausendfach beim Autohändler verkauft wird und im Durchschnitt jeden Tag gerade einmal für 1 Stunde genutzt wird. Nämlich die der Elektrofahrzeuge! Die in den Fahrzeugen verbauten Batteriespeicher bieten künftig ein gigantisches und aktuell völlig ungenutztes Potential, um die angesprochenen Bedarfsschwankungen bei der Energieversorgung auszugleichen.

Durch die Möglichkeit, nicht nur Strom in den Speicher des Fahrzeugs zu laden, sondern auch wieder zurückzuspeisen (Bidirektionalität), kann dieses einen wertvollen Beitrag leisten, um regenerative Energie flächendeckend zu speichern.

Möglich wird ein solches Konzept durch einen modularen Multilevel-Konverter. Dieser ermöglicht ein Batteriespeichersystem, welches sowohl geladen als auch bei Bedarf wieder in das Strom- oder Heimnetz entladen werden kann. Er erfüllt somit zwei Funktionen: Er dient zum einen als Energiespeicher, zum anderen aber auch als klassischer Energielieferant für das Stromnetz.

 

Picture 1ss.jpg

Niclas Lehnert von Bavertis erklärt Energiespeicher der Zukunft

 

Durch ein hochdynamisches und softwaregestütztes Handling einzelner Batteriezellen wird nicht nur die Effizienz des Batteriespeichers im Fahrzeug gesteigert, sondern gleichzeitig auch die Lebensdauer erheblich erhöht. Dabei wird jeder Lade- und Entladezyklus exakt auf den Zustand der einzelnen Batteriezellen abgestimmt, wodurch diese insgesamt gleichmäßiger und schonender genutzt werden als in herkömmlichen Systemen.

Eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Ausgründung der Universität der Bundeswehr beschäftigt sich mit der Industrialisierung von genau diesem Konzept. Die BAVERTIS GmbH hat die Limitationen konventionell aufgebauter Batteriespeicher für Mobilitätsanwendungen, - wie kurze Lebensdauer, limitierte Batteriedatennutzung, schlechte Wiederverwendbarkeit und keine Möglichkeit die gespeicherte Energie auch wieder zurück ins Stromnetz fließen zu lassen - ausgehebelt.

Die Lösung der BAVERTIS GmbH generiert mittels Mikrochip hochqualitative Batteriedaten für jede einzelne Batterie innerhalb eines Batteriepacks in Echtzeit und wertet diese mit einer KI-basierte Software aus.

 

Picture 1sss.jpg

Founder Dr. Manuel Kuder von Bavertis vor dem Simulationsfahrzeug

 

Die Technologie wurde bereits erfolgreich in einem Versuchsfahrzeug getestet und hat bewiesen, welches ungenutzte Potential noch in den Fahrzeugspeichern steckt. Das Konzept wird nun stetig in Richtung Industrieprodukt weiterentwickelt.

Damit wird der in Elektrofahrzeugen verbaute Batteriespeicher in Zukunft nicht nur multidimensional und kann mehrere Aufgaben erfüllen, es wird zusätzlich die Nutzungsdauer um bis zu 60 % verlängert und die Wiederverwendbarkeit eines gebrauchten Batteriepacks massiv vereinfacht. Dass das ganze Power hat, zeigten die Gründer am Beispiel eines Fahrzeugs, das mit Hilfe der BAVERTIS Systems fährt.

Nach einer Stunde Einblick in die Welt von morgen verließen die Führungskräfte den Campus der Universität der Bundeswehr wieder mit neuen Ideen und Eindrücken für das Denken in Moon-Shot-Dimensionen und einem Selfie vor dem Antennenfeld in der Tasche.

Dass die Führungskräfte am richtigen Ort waren, zeigte eine Nachricht, die einen Tag später Schlagzeilen machte. US-Milliardär Peter Thiel und der Berliner Wagniskapitalgeber Project A Ventures steigen bei der UniBw-Ausgründung Quantum-Systems GmbH als Investoren ein. Deren Drohnen werden gerade im Ukrainekrieg eingesetzt, um die russischen Truppen auszuspähen und liefern den Ukrainern Informationen, mit denen sie das Feuer präzisieren können. Gleichzeitig können sie auch zivil eingesetzt werden, also  „Dual Use“.

 

Organisiert wurde die Learning Expedition von Stephanie Wißmann und Dr. Katrin Schein von founders@unibw.de.