Posted on 29.02.2024
Mit dem Drachensegel über die Ozeane
Münchner Startup will die Frachtschifffahrt revolutionieren
Das an der Universität der Bundeswehr München im Rahmen des ESA BIC Programm geförderte Münchner Startup CargoKite will mit Ihrer Idee den Seegüterverkehr der Zukunft nachhaltiger machen: GroßeDrachensegel sollen kleine, unbemannte Frachtschiffe antreiben und diese völlig autark und emissionsarm über die Meere gleiten lassen. Ein Prototyp existiert bereits.
Interview: Max Marquardt / Fotos: CargoKite
Autonome Container-Boote, die von einem riesigen Schirm über die See gezogen werden – das klingt ein bisschen wie aus einem Science-Fiction Film. Wie kommt man auf so eine außergewöhnliche Idee?
Mein Mitgründer Marcus ist bereits seit Kindertagen passionierter Kitesurfer. Schon immer hat ihn die Kraftfasziniert, die so einen Kite aufbringen kann, um Leute von von A nach B zu ziehen. Während seines Schiffbaustudiums in Rio de Janeiro hat er sich dann mit der Frage beschäftigt, ob man so etwas nichtnutzen könnte, um ein Frachtschiff zu ziehen. So hat er sich dann mit der Technologie auseinandergesetztund festgestellt, dass es etwas Ähnliches schon gibt – allerdings als Nachrüstsystem für konventionelle Frachtschiffe. Als begeisterter Ingenieur hat ihn dann sein Ehrgeiz überkommen, um sich mit Möglichkeitenauseinanderzusetzen, das Ganze noch besser und noch effizienter zu machen. Nach seiner Zeit in Rio hater sein Masterstudium im Bereich Maschinenbau an der Technischen Universität München begonnen. Dorthat Marcus seine ganze akademische Laufbahn diesem Thema gewidmet und sich im Zuge dessen die Airborne Wind Energy Technology – wie man in der Fachsprache sagt – näher angeschaut. So ist ernach vielen Analysen und Simulationen zu dem Konzept gekommen, wie wir es jetzt endlich weiterentwickeln. Die Uni ist auch der gemeinsame Dreh- und Angelpunkt von uns drei im Gründungsteam. Marcus und ich kennen uns aus dem gemeinsamen Maschinenbau- Studium, Amelie und Marcus kennen sich über dasGründungszentrum der TUM.
„Wenn etwas in der Schifffahrt nicht wirtschaftlich ist, dann wird es auch nicht gemacht. Die zunehmenden Umweltauflagen und -ziele stellen die Industrie vor enorme Herausforderungen.“
Wie groß ist das derzeitige CargoKite-Team und wie setzt es sich zusammen?
Aktuell sind wir 14 Leute im Team. Die meisten davon sind im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Das heißt wir haben Regelungstechnik-IngenieurInnen. Wir haben MaschinenbauingenieurInnen und auch ElektronikingenieurInnen, die das Konzept tagtäglich weiterentwickeln. Darüber hinaus haben wir jetztgerade den ersten Business Development Manager in Hamburg angestellt, um noch näher an der Industrie dran zu sein und unsere kommerzielle Seite zu stärken. Unter uns drei im Gründungsteam verantwortetAmelie (Binder) als CEO das Fundraising sowie strategische Partnerschaften, Marcus als CTO dietechnische Entwicklung und ich als COO die Themenbereiche Business Development und Operations.
Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Wirtschaftlichkeit…Worin liegt Ihrer Meinung nach das derzeit das größte Problem in der Frachtschifffahrt?
Leider lassen sich die Themen nicht so ganz separat voneinander betrachten. Aber die Wirtschaftlichkeit spielt eine immer größere Rolle. Wenn etwas in der Schifffahrt nicht wirtschaftlich ist, dann wird es auchnicht gemacht. Die zunehmenden Umweltauflagen und -ziele stellen die Industrie vor enormeHerausforderungen. Gerade wenn man sich das Thema alternative Kraftstoffe anschaut, was derzeitdiskutiert wird, um die Schifffahrt grüner zu machen, stellt man sehr schnell fest, dass sie mit enormenKosten verbunden sind, die die ohnehin schon sehr geringen Margen der Reedereien zu Normalzeiten weiterschrumpfen lassen. Genau hier setzen wir an, indem wir kostenlose Windenergie nutzen, um dieBetriebskosten signifikant zu reduzieren und Emission gleichzeitig zu eliminieren.
„In der Zukunft wird es eine Vielzahl von Lösungen brauchen, umden globalen Schifffahrtssektor zu dekarbonisieren“
Das Versprechen vieler Reedereien, ab 2050 komplett klimaneutral zu sein, klingt von außen betrachtet wie ein Lippenbekenntnis: Die Frachtschiffe werden ja nicht auf einmal komplett abgewrackt. Könnenaber klimaneutrale Lösungen wie die Ihre auch das logistische Vakuum, das dann entstehen würde,abdecken?
Das ist richtig – es wird sicherlich nicht von heute auf morgen gehen. In der Zukunft wird es eine Vielzahl von Lösungen brauchen, um den globalen Schifffahrtssektor zu dekarbonisieren, besonders bis 2050. Gerade auf den langen Tiefsee-Trades werden zunehmend Green Corridors diskutiert, wo an beiden Enden dieses Korridors grüner Treibstoff zur Verfügung gestellt werden soll. Aber insbesondere auf den Shortsea-und Feederrouten wird es noch Jahrzehnte dauern, bis die Infrastruktur, geschweige denn der grüne Treibstoff verfügbar sein wird. Und genau deshalb konzentrieren wir uns auf den Shortsea- und Feedermarkt. Hier können wir Reedereien den Vorteil bieten, kostenkompetitiv genau diesen Sektor zudekarbonisieren, ohne auf alternative Kraftstoffe angewiesen zu sein. Außerdem können unsere Schiffe, die wesentlich kleiner sind, dazu genutzt werden, die bestehende Flotte sukzessive zu ersetzen, ohne dass auf einmal ein übergroßes Investment in ein Asset notwendig ist, von dem man nicht weiß, ob es über seine Lebensdauer von 25 Jahren noch weiterhin einsatzfähig bleibt.
Die CargoKite Boote können nur eine Kapazität von 16 Containern fassen, während dasFassungsvermögen eines regulären Containerschiffs mehrere Zehntausend hat. Kurzum: Ist dieseLösung also auch noch wirtschaftlich?
Absolut, unsere Lösung ist wirtschaftlich. Dadurch, dass unsere Schiffe keinerlei Treibstoff verbrennen und die Schiffe langfristig autonom fahren werden, schaffen wir es, die Unit Economics (z.Dt: die direkten Einnahmen und Aufwendungen, die mit einem bestimmten Geschäftsmodell verbunden sind. Anmerkung d.Redakteurs) eines normalen Frachtschiffs, vollständig umzudrehen. Treibstoff macht heute schon 50 Prozent der Betriebskosten aus und dass, obwohl der günstigste Treibstoff, quasi der Abfall der Raffinerie, verbrannt wird. Schaut man sich alternative Treibstoffe wie Methanol oder Ammoniak an, wird es um ein Vielfacheshöher sein. Und genau dort setzen wir an und so können wir die Betriebskosten der Reedereien zwischen 50 und 70 Prozent reduzieren. Auf dem europäischen Shortsea- und Feedermarkt haben wir einige Pilotkunden, mit denen wir geradeMachbarkeitsstudien durchführen. Auf diesen Trades braucht es lediglich zwischen 7 und 16 CargoKite-Schiffe (mit 16 TEU- Kapazität), um ein konventionelles Shortsea-Schiff (mit 800 TEU-Kapazität) zuersetzen. Dies liegt an einer höheren Reisegeschwindigkeit sowie Netzwerkeffizienzen durch direkte Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Weil wir es schaffen die Betriebskosten so signifikant zu senken, rechnet sich der Case für die größere Flotte an kleineren CargoKite-Schiffen schon nach wenigen Jahren.
Wie sorgt man dafür, dass die Boote nicht miteinander oder anderen Wasserfahrzeugen kollidieren?
Schon heute sind die Schiffe mit modernen Tracking-Systemen ausgestattet, sogenannte AIS-Systeme. Diese erlauben es, andere Schiffe zu erkennen und auf einer Karte zu lokalisieren. Dadurch dass die Schiffeab 2028/2029 autonomen fahren sollen, sind natürlich noch mit wesentlich mehr Sensorik ausgestattet. Das heißt sie haben ein ganzes Perception-System an Bord, mit LIDAR-, Radar- und Kamera- Systemen, ähnlichwie man das von autonomen Fahrzeugen auf der Straße kennt, um andere Schiffe und sonstige Hindernissezu erkennen und so ausweichen zu können.
Aus welchen Materialien sind Schirm und Zugseil?
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Hardkites und Softkites. Wir konzentrieren uns aktuell in ersterLinie auf Softkites, die wir aber nicht selbst herstellen, sondern wir arbeiten mit strategischen Partnern zusammen. Der Kite, also das Herzstück des Airborne Wind Energy Systems, ist aus einem sehr robusten Textilmaterial gemacht. Das Zugseil selbst ist aus speziell entwickelten Hochleistungsmaterialien (in derRegel Kunststoffgemischen) gemacht, um besonders hohen Zugkräften standzuhalten.
Wie verhält es sich mit den Booten im Detail? Auf der Webseite kann man lesen, dass auch der BugBesonderheiten aufweist. Welche sind das genau?
Kern unserer Innovation ist es, dass wir aktiv gesteuerte Hydrofoils mit einem Kite- System zusammenbringen. Hydrofoils sind Tragflächen unter dem Bootsrumpf, die normalerweise dazu eingesetztwerden, den Wasserwiderstand zu reduzieren. Unsere können den Anstellwinkel verändern, sodass sie kontrolliert Gegenkräfte gegen den Kite erzeugen können. So können steilere Kurse am Wind gefahren werden, was die Effizienz des Systems insgesamt wesentlich steigert. Marcus konnte in seinerForschungsarbeit an der TU München herausarbeiten, dass wir mit unserem System die Leistung gegenüber einem nachgerüsteten AWE-System um bis zu 480 Prozent steigern können.
„Langfristig ist es unsere Vision, ein energieautarkes Konzept zuentwickeln“
Bei Flauten oder Stürmen, wird der Schirm eingefahren und das Boot wird von einer Batterie versorgt. Muss diese in jedem Hafen neu geladen werden oder wird diese ebenfalls autonom während der Fahrt geladen?
Langfristig ist es unsere Vision, ein energieautarkes Konzept zu entwickeln, was bedeutet, dass wir auch während der Fahrt mit dem Kitesystem die Batterie, die wir gemeinsam mit dem Elektromotor als Backup System nutzen, aufladen können. Das ist eine Technologie, die im Energiesektor bereits eingesetzt – quasider Ursprung der Airboren Wind Energy Technologie. Hierbei wird die Winde des Kites immer wieder aus- und eingerollt. Beim Ausrollen des Kites wird Energie über die Winde erzeugt. Dieser wird dann mit deutlichweniger Energie wieder reingeholt. Für den Markteinstieg ist derzeit denkbar, dass wir übergangsweise noch mit einem diesel-elektrischen System arbeiten werden.
Trotz aller Autonomie: Die Boote werden ja dennoch von extern gesteuert werden müssen, oder?
Was die Autonomie der Schiffe angeht, gehen wir von einem mehrstufigen Ansatz aus. Derzeit ist es reinregulatorisch noch nicht möglich, dass Schiffe autonom fahren, auch wenn die Technologie mittlerweile so weit ist. Unsere ersten Schiffe, die 2027 fahren sollen, werden daher auch noch bemannt sein.
Von einer wie großen Mannschaft sprechen wir hier?
Wir gehen davon aus, dass 3 Leute an Bord sind. Dies wird dann übergehen zu einem unbemannten ferngesteuerten Ansatz und schließlich dann zu einem autonomen Betrieb, wobei es auch hier immer noch eine „Kommandozentrale“ geben wird, von der aus die Boote gesteuert werden können, zum Beispiel inkritischen Situationen.
Im Falle eines Unwetters auf hoher See, fährt der Schirm automatisch ein und das Boot aktiviert seinen E-Motor, um weiter manövrierfähig zu bleiben. Wurde dies bereits unter echten Bedingungen mit Erfolg getestet?
Aktuell konzentrieren wir uns bei unseren Tests unseres Prototyps primär auf die Optimierung unseres Regelungssystem, was der Kern unserer IP ist. Den aktuellen Prototyp haben wir bereits an der Schlei, am Atlantik sowie hier auf dem Starnberger See getestet. Dabei liegt der Fokus auf dem Zusammenbringen der aktiv gesteuerten Hydrofoils und des Kite-Systems.
Gibt es bereits potenzielle Interessenten und Kunden für dieses Konzept?
Aktuell haben wir bereits 5 Absichtserklärungen, sogenannte Letters of Intent (LoIs) von Reedereien sowie Befrachtern, die die Schiffe zum Einsatz bringen wolle. Mit diesen führen wir gerade intensiv Machbarkeitsstudie durch und analysieren konkrete Routen, auf denen die Schiffe zuallererst eingesetztwerden können. Dort schauen wir uns genau an, welche Zeit-, Kosten- und Emissionseinsparungen der Einsatz unserer Schiffe bringen kann gegenüber dem Einsatz von Alternativen.
In einem Interview im Februar 2023 hieß es, dass es ab 2027 losgehen könnte. Ist dieser Plan nachwie vor realisierbar?
Genau das ist nach wie vor der Plan. 2027 sollen die ersten Schiffe fahren. Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck gemeinsam mit einem externen Schiffbau-Ingenieurbüro am sogenannten Tender Designs unseres erstenFrachtschiffs in voller Größe. Damit sind wir dann in der Lage, erste Angebote von Werften einzuholen für denBau des Schiffs. Aus diesem Tender Design werden wir schließlich einen Demonstrator im Maßstab (1:2bzw. 1:3) ableiten, den wir nächstes Jahr öffentlich präsentieren werden.
Wann soll der erste Prototyp feldgetestet werden?
Einen ersten Prototyp haben wir schon. Dieser ist 9 Meter lang und 5 Meter breit und wir haben ihn schon ander Schlei, am Atlantik sowie auf dem Starnberger See getestet in Form von Schlepp- sowie Kiteversuchen,um die Gesamtfunktionalität des Systems zu validieren. Im nächsten Jahr wird dann der in etwa 15 bis 20Meter große Demonstrator gelauncht werden, den wir gemeinsam mit ersten Pilotkunden showcasen werden.
Auf hoher See gelten andere Wettergesetze. Viele Kunden und Auftraggeber treibt die Sorge um, ihre teure Fracht einem komplett unbemannten Boot in die Verantwortung zu geben. Womit entkräften Siediese Zweifel?
Das Bottleneck derzeit, was Autonomie angeht, ist nicht die Technologie, sondern die Regulatorik. Die IMO, die International Maritime Organisation, wird 2025 den ersten freiwilligen Code für autonome Schiffe und 2028 dann den sogenannten Mandatory Code veröffentlichen. Auch autonome Schiffe werden, wie alle anderen Schiffe, eine sogenannte Klassifikation brauchen, was der Zertifizierung der Schifffahrt entspricht.Hier garantieren Klassifikationsgesellschaften, dass die Schiffe nach einem gewissen Standard entworfenund gebaut worden sind. Die Einhaltung dieser Standards ermöglicht dann wiederum die Versicherung der Ware und insofern, wenn all dies der Fall ist, brauchen sich Kunden oder Auftraggeber kein Sorgen, um ihreteure Fracht zu machen.
Wie sehen die weiteren Pläne mit CargoKite aus? Geht es mit vollem Wind voraus?
Derzeit arbeiten wir am Tender Design unseres Schiffs in der vollen Größe, was gemeinsam mit einem Ingenieurbüro, das auf Schiffbau spezialisiert ist, entwickelt wird. Aus diesem werden wir dann den Demonstrator ableiten, den wir im Jahr 2025 öffentlich präsentieren werden. Basierend auf dem Showcase dieses kleinskaligen Prototyps sowie der Tender-Spezifikation sind wir dann in der Lage ersteCharterverträge mit Reedereien zu schließen, die die Schiffe zum Einsatz bringen werden. Genau das ist wiederum die Grundlage, neues Kapital einzusammeln und schließlich die weiteren Schritte anzugehen, die für einen reibungslosen Markteintritt im Jahr 2027 notwendig sind.