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Mind full, oder mindful? Im Fitnessstudio für die Seele: Stressbewältigung durch Achtsamkeit

Studierende in Deutschland fühlen sich einer Studie zufolge gestresster als jede andere Bevölkerungsgruppe. Aber Phänomene wie Stress und Burnout sind nicht nur auf eine Gruppe beschränkt – fast alle haben schon stressige Phasen in ihrem Leben gehabt. Achtsamkeit kann dabei helfen, Stress zu reduzieren und die Noten im Studium zu verbessern.


Inhalt

Achtsamkeitsübungen führen zu besseren Noten im Studium

Übungen


Bevor es losgeht, ein keiner Test: wissen Sie noch, wie Ihnen Ihr Frühstück heute Morgen geschmeckt hat? Nein? Dann geht es Ihnen wie den meisten Menschen, bei denen morgens einfach der Autopilot anspringt. Wenn Sie unter der Dusche stehen, kochen Sie in Gedanken Kaffee, wenn Sie den Kaffee dann trinken, sind Sie in Gedanken schon auf dem Weg in den Hörsaal. Gedanklich ist man eben meistens nicht bei dem, was gerade passiert. Und genau darauf zielt Achtsamkeit ab: mehr im Hier und Jetzt leben und dem Moment mehr Aufmerksamkeit schenken. Man übt sich darin, das Leben wahrzunehmen, wie es ist und mit ihm in Kontakt zu sein. Es geht darum, die Welt anzunehmen, wie sie ist, sie nicht zu bewerten und ihr gegenüber eine akzeptierende Haltung zu entwickeln. Und es geht um die Fähigkeit zu wissen, was ich gerade denke und fühle und davon auch Abstand gewinnen zu können.

Die Studienzeit eine Zeit des Umbruchs und der Veränderung: der Umzug in eine neue Stadt, die Loslösung aus dem familiären Umfeld, die Trennung von Partner und Freunden, all das verlangt eine hohe Anpassungsfähigkeit. Gleichzeitig ist man mit der Übernahme von Verantwortung, einem höheren Leistungsdruck und steigenden Anforderungen an die Selbstorganisation konfrontiert. Kein Wunder also, dass sich Studierende in Deutschland gestresster fühlen als jede andere Bevölkerungsgruppe (Herbst et al., Studierendenstress in Deutschland – eine empirische Untersuchung, 2016).

 

Achtsamkeitsübungen führen zu besseren Noten im Studium

Eine wissenschaftlich gut belegte Methode, um Stress zu reduzieren, ist die „Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR)“, auf Deutsch: Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion. Eine kürzlich veröffentlichte Studie (Cassar et al., Keep calm and carry on: the short- vs. long-run effects of mindfulness meditation on academic performance, 2022) unter Studierenden der Universität Köln zeigte, dass Achtsamkeitsübungen nicht nur die von den Studenten selbst angegebene psychische Gesundheit (Stress, Depression, Angstempfinden) signifikant verbessern konnten, sondern auch die Selbstkontrolle und Gewissenhaftigkeit steigerten. Aber die positiven Effekte bezogen sich nicht nur auf Wohlbefinden und Konzentrationsfähigkeit, auch die Noten der am Achtsamkeitstraining teilnehmenden Studenten verbesserten sich deutlich gegenüber einer Kontrollgruppe.    


Ein Interview mit der Durchführenden der Studie können Sie hier nachhören >


 

Übungen

Damit auch Sie die positiven Effekte der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion für sich nutzen können, stellen wir Ihnen hier eine Auswahl der wichtigsten Übungen vor:

Aufmerksamkeitsfokussierung und Training der eigenen Körperwahrnehmung: Body-Scan

Der Body-Scan ist eine der bekanntesten Übungen der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion. Er hilft dabei, die eigene Konzentration zu stärken und sich ganz auf das Hier und Jetzt zu fokussieren, ohne mit den Gedanken in der Vergangenheit oder der Zukunft zu sein. Beim Body-Scan richtet man seine Aufmerksamkeit nacheinander auf jeden einzelnen Bereich des Körpers, spürt dabei den auftretenden Empfindungen nach und das, möglichst ohne sie dabei zu bewerten. Beginnen Sie beispielsweise mit einer Region, die am weitesten von Ihrem Kopf entfernt ist: den Zehen des linken Fußes. Bündeln Sie Ihre Aufmerksamkeit wie den Strahl einer Taschenlampe auf den großen Zeh. Bleiben Sie mindestens einen Atemzug lang dabei. Dann gehen Sie die weiteren Zehen entlang bis zum kleinen Zeh. Wenn Sie gar nichts spüren können, genügt eine kleine Bewegung, um Empfindungen auszulösen. Außerdem können Sie den jeweiligen Zeh innerlich benennen, um die Fokussierung zu steigern. Was genau spüren Sie? Berührungen? Eine Temperaturempfindung?


Wenn Sie üben wollen, mit Ihrer Aufmerksamkeit ganz bei sich zu bleiben und schrittweise den ganzen Körper zu spüren – vom Fuß bis zum Kopf –, dann bietet Ihnen die Techniker Krankenkasse eine geführte Meditation zum Online-Hören oder zum Download >


Distanz zum aktuellen Geschehen bekommen: 3-Minuten-Atem-Raum

Ist die aktuelle Situation für Sie stressig, so kann es sinnvoll sein, erstmal Distanz zwischen Stressor und Reaktion zu bringen. Wenn Sie es schaffen, Abstand zum aktuellen Geschehen zu schaffen, dann können Sie sich wieder neu, etwas gelassener, in dieses hineinbegeben. Hierbei kann Ihnen die folgende Übung helfen:

Nehmen Sie sich drei Minuten Zeit. Für jeden Schritt der Übung brauchen Sie eine Minute.

Erster Schritt, erste Minute: gewahr sein. Welche Gedanken gehen mir durch den Kopf? Welche Gefühle habe ich? Welche Körperempfindungen sind spürbar? Versuchen Sie, Gedanken, Gefühle und Empfindungen zu benennen, sie anzuerkennen und nicht zu bewerten.

Zweiter Schritt, zweite Minute: sammeln. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die körperlichen Empfindungen des Atmens. Achten Sie auf das Gefühl des Atmens im Bauch: das Heben und Senken der Bauchdecke. Wie fühlt sich der Atem an den Nasenflügeln an? Wie kommt der Atem in den Körper und wie verlässt er ihn wieder?

Dritter Schritt, dritte Minute: ausdehnen. Atmen Sie bewusst weiter, während Sie nun auch den Körper als Ganzes in Ihre Wahrnehmung miteinbeziehen. Die Haltung im Körper, die Gefühle in Beinen, Armen, Schultern, Bauch. Halten Sie Ihre Eindrücke und Empfindungen einen Moment. Lassen Sie Anspannungen mit Hilfe des Ausatmens los.

Schritt für Schritt zur Entspannung: Geh-Meditation

Gerade wenn Sie emotional aufgewühlt sind und eine innere Unruhe oder Getrieben-sein verspüren, kann Ihnen die Geh-Meditation helfen, sich zu entspannen. Die Geh-Mediation ist ein zentraler Bestandteil des Buddhismus, viele Mönche widmen viele Stunden des Tages der Konzentration des Geistes durch achtsames Gehen. Uns reichen erstmal 15 Minuten aus. Als Anfänger können Sie sich für diese Übung einen unbeobachteten Ort auswählen, z. B. das Wohn- oder Schlafzimmer. Sie können hier eine Strecke von ca. 10 m immer hin- und herlaufen. Wenn Sie sich sicherer fühlen, können Sie die das achtsame Gehen im Freien praktizieren, etwa bei einem Waldspaziergang.

Stellen Sie sich zu Anfang der Strecke aufrecht hin und richten Sie Ihren Blick etwa einen Meter vor sich auf den Boden. Die Hände sollten vor oder hinter dem Körper gefaltet werden. Richten Sie nun ihre volle Aufmerksamkeit auf den rechten Fuß, spüren Sie die Fußsohle auf dem Boden. Heben Sie nun die Ferse leicht an, dann den gesamten Fuß. Seien Sie sich der Bewegung vollkommen bewusst. Bewegen Sie nun Ihren Fuß langsam etwa eine Fußlänge nach vorne und nehmen Sie dabei die schiebende Bewegung wahr. Nun setzen Sie den Fuß mit der ganzen Fußlänge auf den Boden. Wiederholen Sie diese Abfolge der Bewegungen bis ans Ende der Strecke.

Platzieren Sie nun beide Füße nebeneinander und seien Sie sich Ihrer aufrechten Haltung bewusst. Führen Sie nun eine Drehung des Körpers durch: rechte Ferse anheben, rechten Fuß anheben, rechten Fuß zur Seite bewegen, rechten Fuß senken. Nun die linke Ferse heben, usw. So laufen Sie Ihre Strecke langsam hin- und her. Wenn Ihre Gedanken abschweifen, dann nehmen Sie wahr, was Sie denken und bringen Ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf die Bewegung der Füße. Entwickeln Sie ein Bewusstsein dafür, wie Empfindungen in den Füßen in einem Moment entstehen und im nächsten wieder vergehen.

Mehr Infos

Literatur

Wenn Sie sich intensiver in das Thema einlesen wollen, dann empfehlen wir folgende Literatur:

  • Jon Kabat-Zinn: Achtsamkeit für Anfänger. Arbor, 2019

Podcast

Als Info-Espresso zwischendurch können Sie folgenden Podcast zum Thema Achtsamkeit genießen:

  • Deutschlandfunk Nova: Achtsam. In diesem Podcast, der jeden Donnerstag erscheint, sprechen zwei Psychologinnen wissenschaftlich fundiert über konkrete Tipps für einen achtsameren Alltag. Am Ende jeder Folge gibt es geführte Achtsamkeitsübungen.