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Viele Wege führen lerntechnisch nach Rom: welche Lernmethoden wirklich effektiv sind

Seit über 100 Jahren beschäftigen sich Psychologen mit Lernstrategien. Dennoch werden einige wirksame Techniken nicht ausreichend genutzt, obwohl es Hinweise darauf gibt, dass diese die Leistungen von Lernenden mit geringen Mehraufwand deutlich verbessern könnten. Andererseits sind Lerntechniken die beliebt sind und häufig angewendet werden, relativ unwirksam. Der Psychologe John Dunlosky hat mit seinem Team zwei Jahre lang über 700 Erhebungen und Experimente zu Lerntechniken gesichtet (Dunlosky et al., Improving Students learning with effective learning techniques: promising directions from cognitive and educational psychology, 2013). Erfahren Sie hier, welche Methoden sich wirklich für Sie lohnen könnten.


Inhalt

Wiederholtes Lesen und Unterstreichen haben nur einen geringen Nutzen

PQ4R-Methode Preview-Questions-Read-Reflect-Recite-Review

Selbsttests und Selbstabfragen haben den höchsten Nutzen: Lernen Sie mit Lernkarten und alten Klausuren


 

Wiederholtes Lesen und Unterstreichen haben nur einen geringen Nutzen

So stellen wir uns lernende Studenten sinnbildlich vor: den Kopf auf die Hände gestützt, vor sich ein aufgeschlagenes Buch oder den Ordner mit dem Skript zu der Vorlesung. Die Seiten leuchten pink und neongelb durch die vielen Unterstreichungen mit Textmarkern. Wiederholtes Lesen und Hervorheben und Unterstreichen sind die wohl weitest verbreiteten Lerntechniken unter Studierenden. Doch Achtung! Laut Dunlosky und Kollegen hat dies nur einen geringen Nutzen. Das wiederholte Lesen ist keine besonders anregende Tätigkeit. Dadurch ist die Ablenkbarkeit hoch und die Gedanken schweifen ab. Eine aktive Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt bleibt aus. Auch die Technik des Unterstreichens kann problematisch werden, wenn die Studenten sich schwertun, die wichtigsten Punkte des Textes zu identifizieren oder sie dazu neigen, zu viele Stellen des Textes zu markieren. Eine gute Hilfe für aktives und strukturierendes Lernen von Buchkapiteln oder Skripten ist die PQ4R-Methode.

PQ4R-Methode: Preview-Questions-Read-Reflect-Recite-Review

  1. Preview (Vorschau): Verschaffen Sie sich zunächst einen Überblick. Dies gibt Ihnen eine erste Orientierung und vor allem hilft es, die Angst vor dem neuen Lernstoff abzubauen. Versuchen Sie, die Intention des Textes zu erfassen, indem Sie in der Einleitung oder dem Klappentext nach Motiven und Absichten des Autors suchen. Inhalt und Aufbau können Sie über einen Blick ins Inhaltsverzeichnis sowie durch Kapitel und Zwischenüberschriften erfassen. Achten Sie zusätzlich auf fett oder kursiv Gedrucktes, auf hervorgehobene Merksätze und Zusammenfassungen.

  1. Questions (Fragen): Stellen Sie schriftliche Fragen an den Text, bevor Sie mit dem Lesen beginnen. Mit diesem Arbeitsschritt bestimmen Sie Ihre Lesetätigkeit aktiv mit. Beispiele für Fragen sind:
  • Was beabsichtigt der Autor?
  • Was weiß ich schon über das Thema? Was habe ich bereits darüber gelesen?
  • Was sind die Kernbotschaften des Textes?
  • Welche zentralen Begriffe, Schlagwörter und Definitionen enthält der Text?
  • Worauf gibt der Text Antworten?

  1. Read (aktives Lesen): Lesen Sie, indem Sie sich auf die Suche nach Antworten auf die zuvor gestellten Fragen begeben. Am besten klappt das mitdenkende Lesen, indem Sie immer wieder kontrollieren, ob Sie das Gelesene auch wirklich verstehen. Machen Sie sich eigene Notizen und schreiben selbst formulierte Antworten auf Ihre Fragen nieder. Klären Sie Fremdworte und unbekannte Gedankengänge.

  1. Reflect (Nachdenken): Wie lässt sich das Gelesene in Zusammenhänge bringen und in das bestehende Wissen einbinden? Versuchen Sie auch, Beispiele für den Inhalt zu finden.

  2. Recite (Wiedergeben): Nun legen Sie den Text weg und reproduzieren das Gelesene frei und in eigenen Worten. Was sind Hauptaussagen und die Antworten auf Ihre zuvor formulierten Fragen? Sprechen Sie das Reproduzierte laut aus oder halten es schriftlich fest. Sollten Sie Lücken feststellen, lesen Sie den Abschnitt nochmal und reproduzieren Sie nochmals frei. In diesem Abschnitt können Sie Wichtiges von Unwichtigem trennen. Das Wesentliche wird aufgenommen und im Gedächtnis verankert.

  3. Review (Rückblick): Haben Sie ein gesamtes Kapitel mit den Schritten 1-4 durchgearbeitet, gehen Sie es gedanklich nochmal durch und rufen sich die wichtigsten Gesichtspunkte in Erinnerung. Erzählen Sie sich das Wesentliche der Lektüre. Beschreiben Sie dabei komplexe Sachverhalte möglichst anschaulich und mit Beispielen.


In diesem YouTube-Video wird die Methode anschaulich erklärt >


Selbsttests und Selbstabfragen haben den höchsten Nutzen: Lernen Sie mit Lernkarten und alten Klausuren

Die Studie von Dunlosky weist Selbsttests und Selbstabfragen als die effektivste Lernstrategie aus. Durch das Spiel aus Fragen und Antworten bleibt die Aktivität beim Lernen erhalten und man bewahrt sich den Überblick, was man bereits beherrscht und was nicht. Versuchen Sie, bei Professoren, Tutoren oder Studenten der höheren Semester, alte Klausuren zu organisieren. So können Sie nicht nur Ihr Wissen überprüfen, sondern Sie bekommen auch ein Gefühl dafür, welche Aspekte des Lernstoffs dem Dozenten besonders wichtig sind und daher in der Klausur abgefragt werden. Eine andere bewährte Methode ist das Lernen mit der Lernkartei. Dadurch wird der Lernstoff auf kleine und eindeutig formulierte Lernelemente zerteilt. Besorgen Sie sich hierfür einfache Karteikarten und einen Karteikasten.

  1. Schreiben Sie auf die Vorderseite der Karteikarte die Frage und auf die Rückseite die Antwort.
  2. Nehmen Sie sich eine Karteikarte zur Hand, lesen die Frage und sagen Sie sich die Antwort laut vor. Anschließend können Sie Ihre Antwort mit der auf der Rückseite notierten überprüfen.
  3. Ist die Antwort richtig, können Sie die Karte in Fach 2 des Kastens ablegen, ist sie falsch, so bleibt die Karte in Fach 1 bei den noch nicht gelernten Karten.
  4. Karten aus dem ersten Fach werden täglich wiederholt, die Karten aus dem zweiten Fach erst am nächsten oder übernächsten Tag.
  5. Richtig beantwortete Fragen aus Fach dem zweiten Fach kommen in Fach drei, falsch beantwortete Karten in Fach eins.
  6. Die Karten aus dem dritten Fach werden jede Woche wiederholt.