Beispiellos präzise GNSS-Positionierung
5 Februar 2020
Autoren: Himanshu Sharma, Mohamed Bochkati, Gerhard Kestel, Thomas Pany
Nach der Einführung des Dual-Frequenz-Chips Broadcom BCM47755 im Jahr 2017 und der Verfügbarkeit von GNSS-Rohmessungen für den Benutzer über die Android-API, haben Forscher auf der ganzen Welt daran gearbeitet, die Qualität der GNSS-Rohmessungen von Dual-Frequenz-Smartphones (oft wird das Xiaomi MI8 verwendet) zu analysieren. Verschiedene neue Bereiche wie die Entwicklung von LBS-Anwendungen, die Implementierung der OS-NMA-Nachrichtendekodierung in Smartphones sowie neue Techniken, um dem GNSS-Nutzer eine präzise Positionierung zu ermöglichen, sind in den letzten Jahren bereits entstanden oder werden bald entstehen.
Die Verwendung von Trägerphasenmessungen zur präzisen Positionierung war schon immer eine große Herausforderung für die Hersteller von GNSS-Empfängern für den Massenmarkt, da ein Kompromiss zwischen Kosten und Leistung eingegangen werden muss. Die Verfügbarkeit von Trägerphasenmessungen in Smartphones sowie der Bedarf des Marktes an zentimetergenauer Genauigkeit hat die Forscher dazu veranlasst, intensiver an einer präzisen Positionierung mit Smartphones zu arbeiten. Dies ist jedoch leichter gesagt als getan, denn die Verwendung von Trägerphasenmessungen von Smartphones bringt das Altersproblem der Zyklusausrutscher mit sich. Hinzu kommt, dass Leistungsoptimierungsfunktionen wie z.B. das Tastverhältnis den GNSS-Chip von der kontinuierlichen Verfolgung der Satelliten abhalten und dem Ziel einer hohen Genauigkeit hinderlich sind.
Wir an der Universität der Bundeswehr München haben intensiv an der Durchführung der RTK-Positionierung mit den Smartphone-Rohmessungen gearbeitet. Auf der Grundlage umfangreicher Experimente konnten Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Trägerphasenpositionierung identifiziert werden:
- Sichtbarkeit von genügend Zweifrequenz-GPS/Galileo-Satelliten
- Robuste Trägerphasenverarbeitungsalgorithmen, die eine große Anzahl von Messausreißern verarbeiten können
- Handhabung des Boden-Mehrweges
Um die Mehrwegeffekte aufgrund der Bodenreflexion zu mildern, die bei der Positionierung von Smartphones einen erheblichen Verschlechterungsfaktor darstellt, führten wir ein Experiment durch, bei dem wir das Smartphone auf eine unten gezeigte Drosselring-Plattform stellten. Die Annahme war, dass der Choke-Ring aufgrund seiner Fähigkeit zur Mehrwegunterdrückung ein kritischer Faktor für die Verbesserung der Signalempfangsqualität durch die Unterdrückung dominanter Mehrwege ist.
Die Choke-Ring-Plattform mit dem darauf montierten Smartphone (Xiaomi Mi8) wurde auf die rotierende Plattform gestellt, um ein gut definiertes Bewegungsmuster zu üben. Eine Trimble R10 als RTK-Basisstation wurde neben dem Aufbau aufbewahrt. Der Datensatz wurde etwa 50 Minuten lang mit dem Geo++ Logger aufgezeichnet und mit einer hochwertigen Post-Processing-Software verarbeitet.
Die Positionierungsergebnisse (siehe auch Titelbild) waren recht beeindruckend und zeigten 84 Prozent Mehrdeutigkeiten, die mit cm-Genauigkeit behoben wurden. Die horizontale (Nord/Ost-) Trajektoriengrafik oben zeigt deutlich die langsame Kreisbewegung. Aus der Form der Flugbahn (mit Blick auf ihre Abweichung von einem Kreis) und ihrer Wiederholung über mehrere Umdrehungen schätzen wir eine horizontale Präzision auf der Ebene von 1-2 cm. Die nächsten Schritte umfassen die Bestimmung der absoluten Positionierungsgenauigkeit, die die Identifizierung des GNSS-Referenzpunktes (Antennenphasenzentrum) innerhalb des Smartphones erfordert.
Ähnliche Ergebnisse wurden auf der ION-GNSS+-Konferenz in Miami, Sept. 2019, von Darugna et al. von Geo++, Hannover, Deutschland, vorgestellt, wo eine Genauigkeit von mindestens < 1 dm auf einer beweglichen Plattform erreicht wurde, jedoch nicht für den statischen Fall. Unser Setup funktioniert auch für ein statisches MI8-Smartphone (Test nicht hier gezeigt).
Interessierte Forscher sind eingeladen, die RINEX-Daten dieses Experiments herunterzuladen und die hohe Präzision zu bestätigen. Es sollte betont werden, dass das Smartphone ein unveränderter MI8 mit Android Pie ist (keine Verwurzelung, keine Hardware-Modifikation). Die Log-Dateien sind hier verfügbar: RINEX-Daten
Die Forschungsarbeiten wurden im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekts RAMBO - "Real Time Kinematic " - Positionierung am Mobiltelefon (FKZ: 50NA1720 ) durchgeführt, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geleitet wird.