Diese Studie untersucht Diskriminierung gegen aus Südosteuropa zugewanderte Rom*nja und ihre Strategien im Umgang mit Antiziganismus in Deutschland. Hierbei wird ein besonderer Fokus auf Kontinuitäten und Brüche in der Erfahrung dieser Diskriminierung und der Entwicklung von Resilienz gelegt. Während die meisten Interviewten eine eigene Migrations- oder Fluchterfahrung aus Bulgarien, Rumänien, Nordmazedonien, Serbien oder Kosovo haben, sind einige Interviewte als Kinder zugewanderter Rom*nja in Deutschland geboren. In lebensgeschichtlichen sowie themenzentrierten Interviews haben Teilnehmende dieser Studie über Diskriminierung in nahezu allen Lebensbereichen berichtet. In ihren Herkunftsländern schildern Menschen ein Klima antiziganistischer Normalität mit Beleidigungen und Gewalt im Alltag, einem systematischen Ausschluss aus Bildungs-, Gesundheits- und sozialen Sicherheitssystemen, sowie einem Zyklus von Armut und vorurteilsbasierter Aussichtslosigkeit im Arbeitsmarkt. Die Zuwanderung nach Deutschland kann als Resilienzstrategie gewertet werden, um sich vor Diskriminierung zu schützen.

Doch auch in Deutschland berichten Rom*nja von Diskriminierung in nahezu allen Lebensbereichen. Besonders virulent sind Probleme im Bildungssektor (Roma Kinder nicht ihren Fähigkeiten entsprechend für weiterführende Schulen eingestuft oder schlechter benotet; Diskriminierung im Schulalltag nicht verhindert) und in Kontakt mit Ämtern und Behörden (antiziganistische Vorurteile bei Asylanträgen; Unterstützungsverweigerung; zusätzliche bürokratische Hürden). Zudem erleben Rom*nja Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche und im Gesundheitssystem und werden durch Vorurteile von der Gesellschaft und von staatlichen Stellen wie der Polizei teilweise eher verdächtigt als unterstützt. Im Alltag berichten Interviewte, dass sie sich als Roma Menschen in Deutschland häufig als ‚anders‘ wahrgenommen fühlen und dies zu vorurteilsbelasteten Blicken, Kommentaren und Beleidigungen führen. Diese Vorurteile werden auch medial tradiert.

Im Angesicht dieser überwältigenden Diskriminierungserfahrungen entwickeln Rom*nja individuelle und kollektive Resilienzstrategien. Während Rom*nja in den Herkunftsländern klar zu erkennen sind, verstecken einige Interviewte ihre Roma Identität im postmigrantischen Deutschland, um Diskriminierung zu vermeiden; einige distanzieren sich zudem aus (po- tentiell) diskriminierenden Situationen und Beziehungen und ziehen sich in als sicher wahrgenommene soziale Räume zurück. Andere suchen sich aktiv Unterstützung innerhalb und außerhalb der Roma Community, oder wählen aktivere Strategien, indem sie ihre Rechte einfordern, stereotypisierende Zuschreibungen kontern und sich aktivistisch für struk- turelle Besserungen einsetzen. Viele Interviewte sehen eine Perspektive für Resilienz in der Integration in Deutschland (v.a. durch Bildung und Arbeit), die sich für manche mit Formen der kulturellen Resilienz (Bewahrung Traditionen, Sprache, Werte) ergänzen oder konfligieren.

Methodisch basiert die Studie auf einen partizipativen Ansatz, für den der Landesrat der Roma NRW mit dem wissenschaftlichen Team der Universität der Bundeswehr München (Prof. Dr. Timothy Williams, Kirsty Campbell) kollaboriert hat. Zunächst wurden aus der Community heraus zehn Rom*nja in Interviewführung ausgebildet, die lebensgeschichtliche Interviews mit 55 Rom*nja durchgeführt haben. Nach einer gemeinsamen Auswertung dieser lebensgeschichtlichen Interviews, entwickelten die Interviewende mit dem wissenschaftlichen Team Leitfäden für themenzentrierte Interviews, die vertiefend mit denselben Interviewten durchgeführt wurden. Nach der Transkription und Übersetzung und der anschließenden Analyse aller Daten tauschten sich das wissenschaftliche Team mit den Interviewenden über die Ergebnisse der Studie aus. Mit diesem partizipativen Ansatz von der Forschungskonzeption bis zum Bericht soll diese Studie nicht nur über Diskriminierung und Resilienz in der Roma Community forschen, sondern aus der Community und für die Community sein.

 

Den vollständigen Berichten können Sie hier herunterladen.

 

Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Landesrat der Roma NRW durchgeführt und von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes unterstützt. 

 

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