Neue Hochdruckkammer am Institut für Thermodynamik

16 Februar 2024

Dieses eindrucksvolle Objekt ist eine Hochdruckkammer. Das Institut für Thermodynamik (LRT10) der Universität der Bundeswehr München (UniBw M) untersucht damit, wie sich ein Kraftstoffstrahl unter Raketen-ähnlichen Bedingungen ausbreitet und mischt.

Flüssiger Brennstoff wird in Raketenbrennkammern, aber auch in Fluggasturbinen und Motoren, unter hohem Druck in kalte oder heiße Atmosphäre eingespritzt. Diese Bedingungen können in der Hochdruckkammer nachgebildet werden, um den Kraftstoffstrahlzerfall, die Verdampfung und Vermischung experimentell zu untersuchen. Insbesondere transkritische und überkritische Einspritzungen sind hierbei noch nicht gut verstanden. Die Zerstäubungs- und Mischungsvorgänge verändern sich gegenüber den atmosphärischen Bedingungen. Dies ist auf den Wegfall der Oberflächenspannung zurückzuführen.

Zur Analyse werden (laser-)optische Messmethoden wie z. B. Schattenfotografie, Streulichttechniken, Fluoreszenztechniken und die Infrarot-Bildgebung eingesetzt. Durch die Kombination der unterschiedlichen Diagnosetechniken lassen sich Aussagen treffen zu Tropfeneigenschaften, Spezieskonzentrationen, Geschwindigkeiten und Temperaturen. Die Ergebnisse können mit numerischen Simulationsdaten verglichen werden und tragen zu einem besseren Verständnis der komplexen thermodynamischen Vorgänge beim Strahlzerfall und der Mischung unter diesen Bedingungen bei.

Aufbau der Kammer

Die Versuchsanlage besteht aus einem Kammerkörper, der z. B. mit Luft oder Stickstoff durchströmt wird. Das Gas wird von einem Kompressor auf das gewünschte Druckniveau gebracht und es wird anschließend temperiert. Ein Abluft- und Filtersystem ist der Kammer nachgeschaltet.

An den sechs Seiten der Hochdruckkammer befinden sich Fenster aus 90 Millimeter dickem Quarzglas. Sie ermöglichen einen flexiblen optischen Zugang zum Messvolumen. Die Kammer hält einem Druck von über 100 bar stand und kann auf bis zu 300 Grad Celsius erhitzt werden. Während des laufenden Projekts wird das Team erstmals auch Experimente unter tiefkalten Temperaturen bei bis zu minus 100 Grad Celsius durchführen, um Einspritzvorgänge in Raketentriebwerken besser verstehen zu können.


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Durch den Injektor (linkes Bild) wird flüssiger Kraftstoff in das Innere der Hochdruckkammer gespritzt. Die Quarzglas-Fenster der Hochdruckkammer (rechtes Bild) ermöglichen einen optimalen Einblick während des Experiments (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)


So funktioniert das Experiment

Untersuchungen werden mit Real- und Modellkraftstoffen durchgeführt. Als Flüssigkraftstoffe werden z. B. aktuell Kerosin, Benzin, Heptan, Cyclo-Pentan, 2-Propanol, 1-Octanol, Iso-Propan und Ethanol verwendet. Bei den Flüssiggasen handelt es sich um Ethan, Propan und Butan.

Bevor ein Experiment beginnt, wird automatisch ein Dichtigkeitstest bis zum gewünschten Druckbereich durchgeführt. Das Labor muss vor dem Druckaufbau in der Kammer durch Verriegeln der Türen gegen Zutritt gesichert werden. Die Versuchsanlage wird ferngesteuert und durch eine Kamera in der Leitwarte überwacht. Die Steuerzeiten des Injektors während der Versuche betragen nur einige Millisekunden. Um die sehr schnellen Ereignisse während der Eindüsung einzufangen, werden optische Diagnosetechniken mit Hochgeschwindigkeitskameras und Laserdiagnostik mit einem Hochleistungspulslaser eingesetzt.

Forschungsverband arbeitet mit den Ergebnissen der Hochdruckkammer

Das aktuelle Forschungsvorhaben „Makro/Mikro-Simulation des Phasenzerfalls im Transkritischen Bereich (MaST)“ wird durch dtec.bw – Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr gefördert. dtec.bw wird von der Europäischen Union – NextGenerationEU finanziert1.

Das Teilprojekt wird am Institut für Thermodynamik von Prof. Tobias Sander und Prof. Lars Zigan geleitet. Es wird gemeinsam mit Prof. Philipp Neumann von der Helmut-Schmidt-Universität (Universität der Bundeswehr Hamburg, Gesamtprojektleitung), Prof. Hans-Joachim Bungartz (Technische Universität München), Prof. Joachim Groß (Universität Stuttgart) und Prof. Jadran Vrabec (Technische Universität Berlin) durchgeführt. Dr. Min Son, ein Experte mit viel Erfahrung auf dem Gebiet der Raketeneinspritzung, ist für die Versuchsanlage verantwortlich und führt die Messungen und die Auswertung der Daten durch. Seitens der UniBw M widmen sich Prof. Markus Klein und Prof. Michael Pfitzner der numerischen Simulation der komplexen Einspritzvorgänge.

Der Prüfstand spielt auch für weitere öffentlich geförderte Projekte sowie internationale Kooperationen zur Messtechnik- und Modellentwicklung eine Schlüsselrolle. Neben einem aktuellen DFG-Projekt zur Fluoreszenzspektroskopie für die Untersuchung überkritischer Einspritzungen wird der Prüfstand auch für Arbeiten im Forschungszentrum MORE und FZ SPACE wertvolle Dienste leisten.


Titelbild: Das Institut für Thermodynamik forscht mit Hilfe dieser Hochdruckkammer, wie sich ein Kraftstoffstrahl ausbreitet und mischt (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)


1Das dtec.bw – Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr – ist ein von beiden Universitäten der Bundeswehr gemeinsam getragenes wissenschaftliches Zentrum und Bestandteil des Konjunkturprogramms der Bundesregierung zur Überwindung der COVID-19-Krise. Mit der Aufnahme in den Deutschen Aufbau- und Resilienzplan (DARP) wird dtec.bw von der Europäischen Union – NextGenerationEU finanziert.