Die zunehmende Vernetzung durch Informations- und Kommunikationstechnologien führt dazu, dass innovative Informationstechnologien in allen Bereichen gesellschaftlichen Handelns eine immer wichtigere Rolle spielen. Die rechtzeitige Implementierung und Nutzung innovativer Entwicklungen ist auch für die Erfüllung der Ziele der Bundeswehr von wachsender Bedeutung. IT-Innovationen erleben deutlich kürzere Innovationszyklen, als dies in anderen Industriezweigen der Fall ist. Zudem spielen neben der traditionellen (Rüstungs-)Industrie andere Akteure eine maßgebliche Rolle im Entwicklungsprozess, wie der digitale Wirtschaftssektor, Start-Ups und die Wissenschaft. Aus diesem Grund passt sich auch die Bundeswehr bei der Identifikation, Bewertung und Einführung von IT-Innovationen den neuen Gegebenheiten an.
Mit Hilfe der Innovationstagung Cyber- und Informationstechnologie will die Bundeswehr einen ganzheitlichen Weg für die bedarfsorientierte Identifizierung von IT-Innovationen für eine mögliche Verwendung im Geschäftsbereich BMVg einschlagen. Die Innovationstagung wird als Ideenwettbewerb durchgeführt. Die besten Ideenkonzepte werden direkt vor der Fachöffentlichkeit im Rahmen der CODE-Jahrestagung am 11. Juli 2024 präsentiert.
Die Innovations-Pitches 2024
Informationen zum zeitlichen Ablauf der Innovationstagung können untenstehender Tabelle entnommen werden.
Pitch 1 | Peter Horoschenkoff, Rohde & Schwarz Cybersecurity, TU München | Hochsichere Routing-Architektur in SDN-fähigen QKD Netzwerken
Netzwerke, welche auf Basis der Quantenschlüsselverteilung (engl. Quantum Key Distribution, QKD) operieren gewinnen zunehmend an Bedeutung, da sie sich zu einer robusten Technologie für quantensichere Kommunikation entwickeln könnten. Da ihre Sicherheit auf physikalischen Prinzipien basiert ist ein potentieller Einsatz ihrer in Hochsicherheitsumgebungen mit Langzeitsicherheitsanforderungen vorgesehen. Daher darf während des Betriebs eines solchen Netzwerks nur ein absolutes Minimum an Daten bekannt werden. Angreifer, welche vor einem zentralen Netzwerkcontroller (wie er z.B. in SDN Netzwerken vorkommt) positioniert sind, können über das Abgreifen der Kommunikation mit diesem (selbst bei einer verschlüsselten Verbindung) sensible Metadaten über das Netzwerk erlangen, wie beispielsweise die Anzahl der Netzwerkteilnehmer und Häufigkeit der jeweiligen Kontaktaufnahme. Mit dieser neuen, und bereits in Simulationen als durchführbar bestätigten, Architektur wird dies verhindert. Darüber hinaus bietet diese Architektur weitere Vorteile, wie die Authentifizierung des Control- und Management Verkehrs, den Schutz vor Man-in-the-Middle-Angriffen sowie die Abwehr von Denial-of-Service-Angriffen auf den Control-and-Management-Verkehr auf knotenspezifischer Ebene.
Herr Peter Horoschenkoff schloss 2022 seinen Master of Science in Communication Engineering an der Technischen Universität München ab. Er arbeitet derzeit bei der Rohde & Schwarz Cybersecurity GmbH als Entwickler für Quantennetzwerke und ist seit 2023 externer Doktorand der TU München. Er wirkt zurzeit an verschiedenen nationalen Forschungsprojekten im Bereich der Quantensicheren Kommunikation mit.
Pitch 2 | Dr.-Ing. Emmanuel Stapf, SANCTUARY Systems GmbH | SANCTUARY Zero-Trust Platform
Eingebettete Systeme sind Computersysteme, die in den verschiedensten Branchen für Steuerungsfunktionen eingesetzt werden, z.B. im Automobilbereich, der Raumfahrt oder im Verteidigungssektor. Schon heute sind diese Systeme hochkomplex und kombinieren Software-Dienste verschiedener Anbieter mit Open-Source-Software, was zu einer komplexen Software-Lieferkette führt. Das blinde Vertrauen in Software von Drittanbietern erhöht das Risiko von Cyberangriffen enorm. Die SANCTUARY Zero-Trust Platform ist eine All-in-One-Software-Lösung, die eingebettete Systeme gegen modernste Cyber-Bedrohungen schützt, und zwar durch eine starke Isolierung von Drittanbieter- und Open-Source Software.
Herr Dr.-Ing. Emmanuel Stapf ist Mitgründer und Geschäftsführer der SANCTUARY Systems GmbH, welche sich auf die Entwicklung von Cybersecurity-Lösungen für eingebettete Systeme spezialisiert hat. Herr Stapf hält einen B.Sc. in Informatik von der Fachhochschule Mannheim, sowie einen M.Sc. in Informatik und M.Sc. in IT-Sicherheit von der Technischen Universität Darmstadt. Nach seinem Studium arbeitete Herr Stapf als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der BMW AG und promovierte in Zusammenarbeit mit dem System Security Lab der TU Darmstadt. Seine Forschungsarbeit konzentrierte sich auf Sicherheitsarchitekturen und Trusted Computing Technologien.
Pitch 3 | Simon Klenk, SE3 Labs GmbH | SpatialGPT: Echtzeit 3D-Aufklärung & Zielakquisition durch autonome UAVs mit einem KI Copilot
SE3 Labs erschließt automatisch kritische Einblicke - egal wie umkämpft das Einsatzgebiet ist:
Schlachtfeldüberlegenheit wird durch Informationsüberlegenheit bestimmt und UAS sind dabei heute schon entscheidend.
Unsere Lösung minimiert die Abhängigkeit von störanfälligen GNSS- und anderen Signalen, welche außerdem die Position der Soldaten verraten können, und integriert nahtlos die Datenströme mehrerer UAS für taktische und Missionsplanung, ohne Soldaten mit der Steuerung zu belasten.
Simon Klenk, SE3 Labs GmbH
Pitch 4 | João André Gabriel Schneider, Universität Gießen | Das VERITAS-System Hornisse: Lückenlose Lagebilderstellung dank KI gestützter Sensordatenauswertung
Die Lagebildverbesserung erfolgt durch Aufklärung, wofür sich eigene Kräfte hinter feindliche Linien begeben. Diese verweilen dort, um mit div. technischen Hilfsmitteln Informationen über feindliche Kräfte zu sammeln, wobei die Technik den Einsatzerfolg determiniert. Unsere Lösung setzt an dieser Limitierung des aktuellen Systems an. Konkretes Ziel ist die Bereitstellung preislich günstigerer Sensormodule, die eine teilautonome Aufklärung größerer Räume über einen längeren Zeitraum ermöglichen.
Das VERITAS System „Hornisse“ ist erstmals im Rahmen der Heeresaufklärer-Challenge 2024 in Berlin vorgestellt worden. Maßgeblich zum Erfolg des Projekts beigetragen hat der fächerübergreifende Hintergrund der Beteiligten João Schneider, Sinclair Schneider und Michael Stiebert.
João Schneider absolvierte im Anschluss an den freiwilligen Wehrdienst das Psychologiestudium (B.Sc.) in Tübingen und Würzburg. Seit 2022 ist er für das Forschungsinstitut CODE als studentische Hilfskraft und seit 2023 für ITIS tätig. Neben seinem Master in Psychologie studiert er aktuell Data Analytics (M.Sc.) an der Universität Gießen.
Herr Sinclair Schneider studiere Informatik (B.Sc.) und IT-Management (M.Sc.). Nach seiner Tätigkeit als Security Consultant bei IBM wechselte er 2020 an die Universität der Bundeswehr München. Dort arbeitet und promoviert er am Institut CODE. Schneiders einschlägige Berufserfahrung und umfangreiche Fertigkeiten sind essenziell für die hard- und softwaretechnische Projektrealisierung
Der Dritte im Bunde ist Herr Michael Stiebert. Er stellt das Bindeglied zwischen VERITAS und Bundeswehr dar. Stiebert war 14 Jahre als Heeresaufklärungsoffizier tätig, von 2020 bis zuletzt als Stabsabteilungsleiter FGG 2 (Sicherheit und Feindlage). Dank seiner militärischen Expertise konnte das System „Hornisse“ signifikant verbessert und an die Bedürfnisse der Aufklärungstruppe angepasst werden.
Pitch 5 | Dr.-Ing. Felix Heilemann, Sagio GmbH | Software-Defined Perception Framework für den koordinierten Einsatz heterogener autonomer Systeme
Der optimale Einsatz von Sensorik und Kommunikationstechnik ist entscheidend die Erstellung eines präzisen Lagebildes und den umfassenden Schutz der Truppe. Der Einsatz autonomer Systeme bietet hier Vorteile bezüglich Kosten, Abdeckung und Aufklärung, erhöht aber auch die Komplexität. Unser Software-Defined Perception Framework adressiert diese Problematik und ermöglicht die teambasierte Koordination heterogener Assets und Sensoren, Datenfusion & Prognose möglicher Aktionen für die Lagebilderstellung.
SAGIO wurde als Spin-off des Instituts für Flugsysteme der UniBw-M von den dortigen WiMis Dr.-Ing. Felix Heilemann und Simon Koch gegründet. Mit ihrem multidisziplinären Hintergrund (LRT & Informatik) bringen sie umfassende Expertise in den Bereichen künstliche Intelligenz, unbemannte Systeme, Bildverarbeitung und agile Softwareentwicklung mit. Sie vertieften diese Themen in ihren Dissertationen in den Bereichen software-defined Multi-Target Tracking, skalierbare Delegation und adaptive Assistenz und übertrugen ihr Wissen in Full-Mission-Simulatoren, praktische Projekte und Prototypen. Darüber hinaus greifen die Gründer auf einschlägige Berufserfahrung im Bereich Geospatial Technologies und Forschungsaufenthalte an der National University of Singapore zurück.
Pitch 6 | Hussein Hasso, Fraunhofer FKIE | Quest-RE QUestion Generation and Exploration STrategy for Requirements Engineering
Quest-RE verbessert den Requirements Engineering (RE)-Prozess durch den Einsatz großer Sprachmodelle (LLMs), wie ChatGPT-4. Die innovative Quest-RE-Methode generiert automatisch präzise Fragen und Ziele für jede Anforderung, was die dynamische Analyse und Verfeinerung von Projektspezifikationen ermöglicht. Dies optimiert die Stakeholder-Kommunikation, deckt versteckte Abhängigkeiten auf und steigert die Vollständigkeit von Spezifikationen. Quest-RE bereichert den RE-Prozess, indem es ein tiefgreifendes Verständnis komplexer Systeme fördert und dabei unterstützt, Lücken in den Anforderungen zu identifizieren. Initiale Tests, u.a. mit einem NASA-Projekt, zeigen die Effektivität. Diese Innovation verspricht, die Qualität von Softwareprojekten signifikant zu verbessern, Entwicklungszeiten zu verkürzen und Kosten zu reduzieren.
Hussein Hasso ist Wirtschaftsmathematiker und Wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem interdisziplinären Forschungsteam der Abteilung „Informationstechnik für Führungssysteme“ des Fraunhofer-Instituts FKIE. Zum einen forschen wir an Methoden und Systemen für die Analyse, Planung und Weiterentwicklung des Gesamtsystems Bundeswehr sowie zur KI-basierten Unterstützung der Beschaffung, insbesondere in Projekten mit Schnittstelle zum IT-SysBw. Zum anderen forschen wir an der automatisierten Verarbeitung von textuellen Informationen unter Einsatz neuster Ansätze aus dem Natural Language Processing (NLP) bis hin zu generativer KI. In unserem Team verbinden wir informationstechnische KI- und NLP-Expertise mit linguistisch-sprachwissenschaftlichem KnowHow und jahrelanger Praxiserfahrung im Requirements Engineering.
Pitch 7 | Andreas Walbrodt, Enclaive GmbH | Quantum Safe Confidential Computing - From airgapped to multi cloud
Effektive und Effiziente Verschlüsselung von Daten auch während der Verarbeitung war ein über Jahrzehnten ungelöstes Problem. Mit Confidential Computing können jetzt Quantum sichere „Tresore“ für Anwendungen betrieben werden. Dies gilt für VMs und K8s Umgebungen von ‚air-gapped‘ bis zum Hyperscaler. Vorgestellt werden Umsetzungsbeispiele. U.a. Airgapped AI System im Bereich der Verteidigung und resiliente verteilte 3D verschlüsselte Namespace Multi Cloud Umgebung anwendbar sowohl in weißen als auch grünen Anwendungsfeldern. Das umfassende enclaive Multi-Cloud-Betriebssystem als Basis der Lösung ermöglicht Zero-Trust-Sicherheit, indem es die verwendeten Daten verschlüsselt und die Anwendungen sowohl von der Infrastruktur als auch von den Lösungsanbietern abschirmt.
Weiterführende Informationen zum Thema Confidential Computing finden sich im 101 auf der Site: https://docs.enclaive.cloud/confidential-cloud
Andreas Walbrodt ist Mitbegründer und Geschäftsführer der enclaive GmbH. enclaive ermöglicht es Unternehmen, ihre sensiblen Daten und Anwendungen in nicht vertrauenswürdigen (Cloud-) Umgebungen sicher zu schützen, indem es die Nutzung von Confidential Computing leicht zugänglich macht. Dies ohne die Notwendigkeit, Code, Tools oder Prozesse zu ändern. Andreas Walbrodt hat in USA, München und Cambrige, Informatik Raumfahrttechnik und General Management studiert. Beruflich hat er in vielfältigen Führungsaufgaben seit 2006 im Bereich Cloud Computing und seit 2012 in der Cyber Security innovative Geschäft- und Vertriebsmodelle eingeführt.
Pitch 8 | Dr. Markus Adrian Peter Beckers, ARQUE Systems GmbH | Neuartige Chiparchitektur für einen kurzfristig verfügbaren transportablen Quantencomputer zum Einsatz direkt in Konfliktfällen für diverse Anwendungen.
In diesem von der ARQUE Systems GmbH („ARQUE“) vorgestellten Idee, soll ein auf einer neuartigen und patentierter Architektur beruhender Quantenprozessor mit 200 Qubits realisiert werden. Um einen möglichst einfachen, sparsamen und sogar direkten mobilen Einsatz in Konfliktgebieten zu ermöglichen, soll das Gesamtsystem auf ein Volumen von ca. 1 m³ und eine Masse von ca. 300 kg miniaturisiert wer-
den und zum Betrieb lediglich eine gewöhnliche Steckdose oder einen Generator benötigen.
Das Kernteam der ARQUE Systems GmbH besteht aus Quantentechnologieexperten von den besten Universitäten wie Stanford University (z.B. Prof. Bluhm) und Universität Cambridge (z.B. Dr. Schreiber) und weltweite Experten auf dem Gebiet der Quantentechnologien sind. Die Wirtschaftsfachleute verfügen über jahrzehntelange Erfahrung in der Wirtschaft und in der Skalierung von Unternehmen (z.B. Dr. Beckers), auch als langjährige Technologie- und Strategieberater bei einer der weltweit führenden Consultingfirmen sowie als Lehrbeauftragter an der Uni BW Neubiberg für AI (z.B. Dr. Meißner). Berater des Teams ist Herr Dr. Oliver Esch, Kanzlei ESCH BAHNER LISCH. Er ist u.a. Mitglied beim Bundesverband mittelständische Wirtschaft und der Kommission Bundeswehr und BOS.