Satellitennetzwerk für Europa
Vom 13. bis 15. November nahmen sich Vertreter aus Behörden, Wissenschaft und Industrie Zeit, um über behördliche Satellitenkommunikation zu diskutieren. Das Austauschforum „GOSATCOM“ fand 2017 bereits zum zweiten Mal an der Universität statt.
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Auf der Podiumsdiskussion sprachen u.a. Roland Zinzius (EU-Kommission), Holger Lüschow (EDA) und Herbert Hetger (BMVg) über die Chancen der behördlichen Satellitenkommunikation auf EU-Ebene. (v.l.n.r.)

Sie informieren über die aktuelle Wetterlage, sorgen für eine gute Orientierung, bringen Fernsehbilder und Internet nach Hause oder dienen Forschungszwecken: Im Alltag verlassen wir uns auf verschiedenste Satellitendienste. In Krisengebieten mit zerstörter Infrastruktur kann ein sicherer und störungsresistenter Informationsaustausch über lange Strecken – ob auf dem Meer, aus der Luft oder an Land – lebenswichtig sein. Als einziger nationaler Betreiber von Kommunikationssatelliten mit drei fest installierten Bodenstationen und mehr als 500 mobilen Systemen hat die Bundeswehr langjährige Erfahrung in der Satellitenkommunikation. Doch kaum wurden die beiden Satelliten im Weltraum positioniert, begannen bereits Gespräche über eine neue Generation, die die alte voraussichtlich bis 2028 ablösen wird. Und die Anforderungen und Zielgruppen nehmen zu: Auch zivile Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben benötigen angesichts steigender Angriffe auf kritische Infrastrukturen verlässliche Kommunikationskanäle. Kurzfristig und ohne Vorab-Vereinbarung können Behörden momentan auf keine der vorhandenen Satellitennetzwerke zugreifen. Wie dies in Zukunft verbessert werden könnte, war Thema der 2015 von Prof. Andreas Knopp ins Leben gerufenen Konferenz – einem Informationsforum für die behördliche Satellitenkommunikation, die in Fachkreisen neben der geschützten militärischen (MILSATCOM) und ungeschützten kommerziellen Nutzung (COMSATCOM) als „GOVSATCOM“ bezeichnet wird. Dieses Jahr stand die Veranstaltung unter dem Motto „GO(V)SATCOM – Mit Sicherheit Chancen für Deutschland“.

Satellitenkommunikation am Institut für Informationstechnik

„GOVSATCOM wird in Zukunft einen eigenen Markt für die Satellitenindustrie bilden, dessen Volumen derzeit kaum abschätzbar ist“, leitete Knopp die Veranstaltung ein. Der Professor für Informationsverarbeitung und Leiter der Forschungsgruppe Satellitenkommunikation an der Universität trägt gemeinsam mit Juniorprofessor Christian Hofmann zur Entwicklung einer deutschen Position bei und unterstützt bei der technischen Interpretation von Nutzeranforderungen ebenso wie bei Entwicklungen sicherer Übertragungsverfahren und Systemansätze. „Die Satellitenkommunikation hat mit Prof. Knopp neuen Auftrieb bekommen“, lobte die Präsidentin der Universität seine Expertise am Institut.

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Prof. Knopp rief die "GOSATCOM" 2015 ins Leben

Die Konferenz, die sich aus Fach- und Kurzvorträgen der Betreiber- und Nutzersicht, einer Podiumsdiskussion und einem künstlerischen Abendprogramm zusammensetzte, veranstaltete das An-Institut der Universität ITIS e.V. Die vielen teilnehmenden Industriepartner präsentierten in einer Ausstellung im Foyer des Audimax ihre Angebotspalette. Der Schwerpunkt lag hierbei auf einer schnellen Übertragung großer Datenmengen über Lasertechnologie – eine Industrie, in der Deutschland weltweit eine führende Rolle einnimmt.

Eine neue Generation von Satelliten

„Satellitensysteme sind ein elementarer Bestandteil unserer kritischen Infrastruktur“, sagte Brigadegeneral Jens-Olaf Koltermann, Abteilungsleiter im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. Die Digitalisierung mache es notwendig, immer größere Bandbreiten zu leisten, auch der Bedarf an hochaufgelöster Aufklärung steige. „Das, was wir haben, reicht nicht“, stellte der hochrangige Offizier ernüchtert fest. Eine Zusammenarbeit mit anderen Ländern könne dazu beitragen, Fähigkeitslücken einzelner Staaten zu schließen. „Werden wir gestaltet oder wollen wir uns am Prozess beteiligen und das Beste daraus machen?“, fragte der Brigadegeneral die 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Um den Spagat zwischen komplexer Technologie und Fachkräftemangel zu lösen, sollte das Endprodukt – z.B. ein Funkgerät für Einsatzkräfte – einfach bedienbar sein. Dahinter müsse selbstverständlich hochqualifiziertes Fachpersonal stehen, ergänzte Oberstleutnant Marcus Schleiermacher, Abteilungsleiter im Betriebszentrum IT-System der Bundeswehr.

Wissens- und Ressourcenaustausch auf EU-Ebene

Vor dem Hintergrund der erst vor wenigen Tagen verkündeten Entscheidung von 23 EU-Mitgliedstaaten in der Verteidigungspolitik stärker zusammenzuarbeiten, war das Thema der von Wissenschaftsjournalist Gunnar Mergner moderierten Podiumsdiskussion aktueller denn je: Ist eine Zusammenarbeit in der behördlichen Satellitenkommunikation auf EU-Ebene eine sinnvolle Ergänzung nationaler Kapazitäten oder eine überflüssige Übereinkunft? „Der Bedarf ist da“, fasste der Vertreter der EU-Kommission, Roland Zinzius, mehrere im Auftrag der EU durchgeführten Studien zusammen. Gemeinsam mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) arbeitet er an einem europäischen Programm. Bereits vorhandene Ressourcen sollen gebündelt und geteilt werden können, um Behörden einen sicheren Zugang zu Satellitennetzwerken zu garantieren. Der geplante GOVSATCOM-Service richtet sich z.B. an die europäische Grenzschutzagentur Frontex, aber auch nationale Polizei, humanitäre Organisationen und die Streitkräfte der Mitgliedstaaten können von einer Nutzung profitieren. Deutschland habe bereits eine zufriedenstellende Lösung, könne anderen Ländern aber aus intelligentem Eigeninteresse helfen.

„Sie stehen zudem auf mehreren Beinen“, erklärte Hermann Ludwig Möller (ESA) den Gästen die Notwendigkeit einer Bündelung von Kompetenzen auf EU-Ebene, einem auf Ausfälle von Einzelkomponenten vorbereiteten, widerstandsfähigen System. In der Entwicklung orientiere sich die Europäische Verteidigungsagentur an den Bedürfnissen der Mitgliedstaaten, so der EDA-Programm Manager für Satellitenkommunikation, Holger Lüschow. Herbert Hetger, Referent im Verteidigungsministerium, betonte die Relevanz einer multinationalen Zusammenarbeit, stellte aber das Ausmaß des nationalen zivilen Bedarfs in Frage. Das geplante europäische Programm empfinde er nicht als Konkurrenz, versicherte Hans Peter Schmitt, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung des drittgrößten Satellitenbetreibers der Welt, Eutelsat, sondern als ein Szenario mit großen Chancen für alle. Und darin waren sich alle Beteiligten einig: Nur mit Hilfe einer engen Kooperation zwischen Industrie, Behörden und Forschung kann eine europäische Satellitenkommunikation für Behörden und andere Organisationen mit Sicherheitsaufgaben funktionieren.