Bau-Protect: Schutzmassnahmen für bauliche Infrastruktur

30 November 2022

Am 22. und 23. November fanden sich Expertinnen und Experten der Baubranche an der Universität der Bundeswehr München zur 9. Tagung Bau-Protect zusammen. Die Fachtagung widmete sich dem „Schutz der baulichen Infrastruktur vor außergewöhnlichen Einwirkungen“, dafür waren über 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wissenschaft, Politik, Planung, Industrie und Beratung auf den Campus gekommen.

Mit dem Beginn der Adventszeit wurden in ganz Deutschland die Weihnachts- und Christkindlmärkte eröffnet. Nach zwei Jahren mit Ausfällen oder Auflagen aufgrund der Corona-Pandemie eine besondere Freude für Viele. Doch gleichzeitig geht der eine oder andere vielleicht mit einem unguten Gefühl auf einen belebten Platz. Die Erinnerungen an den Berliner Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz, der 2016 Ziel eines Terroranschlages mittels eines LKW war, sind vielen noch sehr präsent. Welche Schutzmaßnahmen können und müssen im öffentlichen Raum ergriffen werden, um solche Ereignisse zu verhindern und Menschenleben zu schützen? Um diese Frage ging es unter anderem bei der zweitägigen Tagung Bau-Protect auf dem Campus.

Nach 2018 fand die Tagung in diesem Jahr erneut an der Universität der Bundeswehr München statt. Als Teilnehmende waren unter anderem Vertreter und Vertreterinnen des THW, der Polizei und der Feuerwehr, des Auswärtigen Amtes, von Planungsbüros und Universitäten, Architekten und anderen beratenden und ausführenden Institutionen der baulichen Sicherheit anwesend. An zwei Tagen ging es um die Gewährleistung der Sicherheit und Resilienz von Gebäuden, baulichen Infrastrukturen und öffentlichen Räumen bei Extremsituationen. Bedrohungslagen ändern sich ständig, in den vergangenen Jahren haben terroristische Anschläge und auch Naturkatastrophen an Häufigkeit und Intensität zugenommen. Mit dem potenziellen Schadensmaß solcher Ereignisse beschäftigten sich die Teilnehmenden des Workshops. Sie diskutierten mögliche Maßnahmen zum Schutz von Personen, Gebäuden und öffentlichen Räumen.

Die Universitätspräsidentin Prof. Merith Niehuss eröffnete die Tagung, anschließend begrüßte Prof. Norbert Gebbeken als einer der fachlichen Leiter der Tagung die Gäste. Den Eröffnungsvortrag hielt Petra Wesseler, die Präsidentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Sie berichtete über die aktuellen Aufgabenstellungen, wie zum Beispiel die nötige Nachrüstung von baulichen Schutzmaßnahmen bei Bestandsgebäuden.

Urbane Sicherheit im Fokus

Petra Wesseler gab einen kurzen Rückblick auf Ereignisse in der Vergangenheit, die die Notwendigkeit des Schutzes der baulichen Infrastruktur besonders in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt haben. Allem voran waren das die schrecklichen Ereignisse beim Terroranschlag am 11. September 2001 in New York, aber auch der Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016, die deutlich machten, dass der öffentliche Raum mit Risiken verbunden ist. Der Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 sowie der Versuch der Stürmung des Reichstagsgebäudes in Berlin am 29. August 2020 sind weitere Beispiele dafür, dass Gebäude besondere Sicherheitsvorkehrungen benötigen. Das aktuellste bekannte Beispiel für die Notwendigkeit des Schutzes von baulicher Infrastruktur ist schließlich der Sabotageakt an den Gaspipelines in der Ostsee, der im September 2022 verübt wurde.

Die genannten Beispiele machten deutlich, dass die Verantwortlichen in der Baubranche und der Politik gemeinsam vor großen Herausforderungen stehen. Wesseler betonte, dass das Ziel nicht sein könne, eine „Verpollerung“ der Städte zu erreichen, auch wenn Poller eine bewährte Maßnahme gegen Fahrzeugangriffe seien. Vielmehr müssten die Schutzmaßnahmen möglichst unauffällig in der visuellen Wahrnehmung sein. Außerdem müssten die zu schützenden Objekte stets ganzheitlich betrachtet werden, dabei dürfe nicht nur ein Material im Vordergrund stehen, so Wesseler. Genau diese Möglichkeiten wurden anschließend unter den anwesenden Fachleuten diskutiert. Dabei ging es sowohl um Materialfragen als auch um Kosten und Gestaltung.

Sicherheitsanalyse muss frühzeitig in Planung einbezogen werden

Gastgeber Prof. Gebbeken machte in seinem Beitrag zum Baurecht und Planungsprozessen deutlich, dass es in Deutschland keine einheitliche Regelung zum baulichen Schutz kritischer Infrastruktur gebe. Mit Ausnahmen von Kernkraftwerken und Flughäfen und besonderen chemischen Anlagen würde es sich immer um Einzelfallentscheidungen handeln. In seinen Augen eine gute Sache, denn so gebe es auch angepasste Lösungen für alle Bedürfnisse. Allerdings müssten Sicherheitsexpertinnen und -experten schon früh in den Planungsprozess eines Bauwerkes eingebunden sein um „Sicherheit von Anfang an zu denken“. Seine Devise für die Planung war daher: „Security by Design von Anfang an“. Mit einem integrativen Ansatz könnten Synergien von Sicherheit und anderen Nutzen erkannt werden. Zum Beispiel könne ein Schutz auf einem Platz statt eines Pollers ja auch eine Bank zum Sitzen oder ein Baum mit einer rundumlaufenden Sitzgelegenheit aus massivem Material sein. Bei der Nachrüstung von Schutzmaßnahmen bei bestehenden Gebäuden oder Plätzen, die er am Beispiel des Berliner Breitscheidplatzes erläuterte, müsse man immer auf viele verschiedene Bedürfnisse, z. B. die des Denkmalschutzes Rücksicht nehmen. Dies stelle die Politik, Planerinnen und Planer sowie Eigentümer vor besondere Herausforderungen.

Wertvoller Austausch

Die Teilnehmenden des Workshops konnten in Fachvorträgen und interaktiven Workshops von den langjährigen Erfahrungen auf den Gebieten des baulichen Schutzes der Veranstalter profitieren. Sie tauschten sich zu Themenschwerpunkten wie Risikoanalyse, Grundlagen zu Belastungsphänomenen und Materialien bis hin zum Verhalten von Strukturen unter hochdynamischen Einwirkungen aus.

Der Workshop findet in der Regel aller zwei Jahre statt. In diesem Jahr wurde die Veranstaltung, die für 2020 geplant war, an der UniBw M nachgeholt und konzeptuell interaktiver gestaltet. Sie wurde gemeinsam von der Universität der Bundeswehr München, dem Fraunhofer Ernst-Mach-Institut und der Wehrtechnischen Dienststelle für Schutz- und Sondertechnik (WTD52) sowie der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau ausgerichtet. Die Organisation der Veranstaltung übernahm Maximilian Garsch vom Institut für Mechanik und Statik.


Titelbild (v.l.n.r. ): Maximilian Garsch, Dr. Malte von Ramin (Fraunhofer EMI), Prof. Merith Niehuss, Prof. Norbert Gebbeken, Petra Wesseler (BBR) (© Universität der Bundeswehr München/Siebold)