Versuchsaufbau zur Untersuchung von Strukturschwingungen einer Sandwichstruktur sowie Mikrometeoriteneinschläge auf einer Photovoltaikzelle
Motivation
Die Kommerzialisierung der Weltraumforschung verursacht einen erhöhten Bedarf an innovativen technologischen Lösungen zur Realisierung von Weltraum- und Planetenexplorationen bzw. kommerziellen und wissenschaftlichen Satellitenmissionen. Um Sicherheit und Zuverlässigkeit von Raumfahrtstrukturen zu gewährleisten, ist die Bewertung ihrer strukturellen Integrität (insbesondere während des operativen Betriebs) essenziell. Die harschen Umgebungsbedingungen (z. B. radioaktive Strahlung, Ausgasungs- und Oxidationseffekte, hohe Temperaturschwankungen) haben jedoch das Potential, Materialdegradation und Verschleiß zu beschleunigen und die Lebensdauer der Raumfahrtsysteme herabzusetzen. Hinzu kommt ein allgegenwärtiges Risiko von Mikrometeoriteneinschlägen, die infolge hoher Relativgeschwindigkeiten (z. T. > 20 km/s) zu schweren Strukturschäden führen können. Aufgrund der wachsenden Anzahl der im erdnahen Orbit operierenden Satellitenmissionen steigt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit von Kollisionsereignissen durch fragmentierte Kleinteile bzw. Space Debris. Die ESA schätzt die Anzahl von Partikeln mit einer Größe > 1 cm auf über eine Million, während lediglich 30.000 dieser Objekte durch das Space Surveillance Network katalogisiert und überwacht werden. Kollisionsereignisse mit Space Debris und Einschläge von Mikrometeoriten können Strukturschäden verursachen, die Funktionalität von Subsystemen beeinträchtigen und schlimmstenfalls die gesamte Mission gefährden.
Herkömmliche (zerstörungsfreie) Prüfverfahren sind während der Missionsdauer nicht bzw. nur eingeschränkt durchführbar. Aus diesem Grund ist eine In-Orbit Evaluierung des Gesundheitszustands missionskritischer Strukturen und Systeme nötig, um das Auftreten singulärer Events (z. B. Schädigung durch Kollisionsereignisse) sowie den Degradationsprozess zu überwachen. Strukturüberwachungssysteme (eng.: Structural Health Systems) haben in einer Vielzahl von Industriezweigen und terrestrischen Anwendungen ihre technologische Reife als zerstörungsfreie Prüfmethode unter Beweis gestellt. Als logische Konsequenz folgt nun die Transformation und Qualifizierung etablierter Monitoringansätze und -systeme ins Weltall, die im Rahmen des Projekt SeRANIS durch das Flugexperiment „Structural Event Monitoring“ für schwingungsbasierter Strukturüberwachung umgesetzt wird. Durch die Integration eines Prototyps auf dem SeRANIS-Forschungssatelliten Athene-1 werden Schwingungsdaten aus dem Low-Earth-Orbit zur Verfügung gestellt, die die Space Situational Awareness (SSA) weiter verbessern und Grundlage für weitere Forschungsbemühungen sind.
Aufgabenpakete am Institut
Das übergeordnete Experimentziel ist die Entwicklung von Methoden zur Realisierung eines In-Orbit-Überwachungssystems zur Erkennung von Kollisionsereignissen von Kleinsatelliten mit Mikrometeoriten und Space-Debris auf der Grundlage von gesammelten Schwingungsdaten während des operationellen Betriebs des Satelliten. Zusätzlich soll ein Prototyp auf dem Forschungssatelliten Athene-1 integriert und über einen Missionszeitraum von min. 2 Jahren erprobt werden. Im Rahmen des SeRANIS-Projekts werden daher software- und hardwarebasierte Forschungsfragen untersucht:
Prototypenentwicklung:
- Identifizierung und Qualifizierung geeigneter Hardwarekomponenten (Datenakquiseeinheit, Sensorkonfiguration) zur Schwingungs- und Körperschallmessung im Low-Earth-Orbit
Algorithmikentwicklung:
- Entwicklung und Evaluierung etablierter/neuartiger Monitoringansätze zur Detektion singulärer Events während des operationellen Betriebs
Aufbau einer wissenschaftlichen Datenbasis:
- Bereitstellung einer Datenbank mit erfassten Einschlagsereignissen und zugehörigen Schwingungsdaten, um weitere Forschungen und Kooperationen im Bereich des Event- und Health Monitorings für Raumfahrtanwendungen zu ermöglichen
Ausblick
Das übergeordnete Forschungsziel ist die Realisierung eines im Orbit befindlichen Überwachungssystems, um Kollisionen von Kleinsatelliten mit Mikrometeoriten und Weltraumschrott auf Grundlage gemessener Vibrationsdaten während des operationellen Betriebs des Satelliten zu erkennen. Im Rahmen des Projekts SeRANIS werden software- und hardwarebasierte Forschungsphasen parallelisiert:
- Die zuverlässige Erkennung von Kollisionen wird durch Vibrationshintergrundgeräusche erschwert, die aktive Subsysteme verursacht werden. Daher werden neuartige Konzepte zur Detektionsmaximierung struktureller Anomalien und singulärer Events entwickelt und erprobt. Die Evaluierung algorithmischer Ansätze basiert sowohl auf simulationsbasierten und experimentellen Studien, die eine optimale Konfiguration von schwingungsbasierten Monitoringsystemen für Raumfahrtsysteme ermöglichen. Dies beinhaltet Hochgeschwindigkeitsbeschussversuche (HVI) sowie Erprobungsversuche zur Strahlungstoleranz und Thermalvakuumtauglichkeit in spezialisierten Forschungseinrichtungen.
- Eine resiliente Hardwarekonfiguration (bestehend aus Sensorarrays, Datenakquise- sowie Verarbeitungseinheit) wird entwickelt und qualifiziert, um die schwingungsbasierte Strukturüberwachung von Raumfahrtsystemen über mehrere Jahre im LEO zu ermöglichen.
Die obig aufgeführten Forschungspfade beinhalten grundlegende Untersuchungen im Rahmen der Signalverarbeitung auf Grundlage von struktureller Vibrationsdaten, numerischen Optimierungsverfahren und Simulationen sowie experimentellen Kampagnen. Es lassen sich die folgenden wissenschaftlichen bzw. technischen Experiment- und Projektziele formulieren:
Wissenschaftliche Ziele:
- Entwicklung und Erprobung von Algorithmen zur Erkennung singulärer Ereignisse innerhalb des strukturellen Hintergrundrauschens des operationellen Satellitenbetriebs im Orbit sowie Detektion struktureller Ausfälle von Subsystemen.
- Entwicklung eines geeigneten Hardwarekonzepts zur Realisierung eines strukturellen Monitoringsystems.
- Bereitstellung einer Datenbank aufgezeichneter Impaktereignisse sowie zugehöriger Vibrationsdaten, um weitere Forschung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Ereignis- und Strukturüberwachung für Raumfahrtanwendungen zu ermöglichen.
Technische Ziele:
- Entwicklung und Implementierung eines Software-Frameworks zur Analyse operationeller und aufprallbedingter struktureller Vibrationen von Raumfahrtsysteme bzw. Kleinsatelliten.
- Qualifizierung und Erprobung eines Hardwarekonfiguration für die strukturelle Überwachung singulärer Ereignisse im Orbit, bestehend aus Sensorarrays, Datenerfassungs- und Verarbeitungseinheit.