Buchvorstellung von Dr. Gmelch: Was löst die Wüste in Menschen aus?
30 Oktober 2020
„Jemanden in die Wüste schicken“ – die Redewendung ist vielen bekannt. Sie bedeutet, dass jemand weggeschickt wird, gekündigt oder rausgeschmissen. Doch könnte die Formulierung auch positiv gedeutet werden? Eindeutig ja, wenn es nach Dr. Michael Gmelch, katholischer Militärdekan an der Universität der Bundeswehr München, geht: „Wer Neues denken und erfahren möchte, der hat gute Chancen das in der Wüste zu erreichen.“
Zehn Jahre Wüstenerfahrung
Militärdekan Michael Gmelch hat sein neues Buch „Schickt die Bischöfe in die Wüste – Was eine Kirche in der Krise neu von Jesus lernen muss“ vorgestellt. Das Buch ist in Tunesien in der Sahara entstanden. In den vergangenen zehn Jahren war er regelmäßig dort und hat Wüstentouren begleitet. Was die Zeit in der Wüste in einem Menschen bewirken kann, beschreibt er in seinem Buch. Es ist ein Rückbesinnen auf den Ursprung. Denn auch Jesus ging nach seiner Taufe für 40 Tage in die Wüste. „Er geht in die Schule der Wüste, nicht in eine theologische Fakultät, nicht zu den Hohenpriestern oder ins Kloster.“ Genau das sei heute anders: Der Weg eines Priesters führt in eine Theologenschule, in der er von anderen lernt. Gmelch ist selbst Begleiter von Wüstentouren. Aus dieser langjährigen Erfahrung heraus sagt er: „Würden sich Christen auf allen kirchlichen Ebenen auf die Herausforderung einer Wüstenerfahrung einlassen, hätten wir ganz andere jesuanisch geprägte Persönlichkeiten, insbesondere in Leitungspositionen.“ Wüstenerfahrungen würden Theologen mutiger und offener werden lassen und bringe sie näher an Gott und den Menschen. Außerdem würden sie nicht weiterhin „ängstlich“ auf Traditionen beharren, sondern klerikale Verhaltensmuster hinter sich lassen und neue Wege wagen.
„Die Wüste ist mächtig und gewaltig“
Gmelchs Ansatz ist – anders als der Titel vermuten lässt – nicht als bloße Kirchenkritik zu verstehen. Er setzt an der Wüstenerfahrung an und führt daraus entstandene Konsequenzen für das Denken und Handeln eines jeden Menschen an. Denn diese Erfahrungen hat er nicht nur gemeinsam mit Katholiken in der Wüste gemacht. Er ist stolz darauf, verschiedensten Menschen jene Wüstenerfahrung nähergebracht zu haben. Nach den ersten Tagen gehe es den meisten gleich: Man hat alles gesehen, schöne Fotos gemacht und die Wüste kennengelernt. Für viele ist dann der erste Zauber vorbei – die Tour könnte hier und jetzt beendet werden. Doch erst nach diesen Tagen können die Teilnehmer die Wüste wirklich „erleben“, sich mit ihr und so auch mit sich selbst auseinandersetzen, da es keine Ablenkung und keine große Abwechslung gibt. Denn auch psychologisch sei es erwiesen: „Wenn Du 40 Tage immer das Gleiche machst und erlebst, dann verändert es Dein Denken.“ Diese Zeit auszuhalten und durchzuziehen sei laut Gmelch nicht leicht und es mache etwas mit einem: „Die Wüste ist mächtig und gewaltig und man wird herumgetrieben.“
Bedeutung der Wüste für Jesus
In der Bibel wird deutlich, dass Jesus in der Wüste, seine wahre Identität gefunden hat. Die Wüstenerfahrung war für ihn das „Nonplusultra“ für sein späteres Handeln, so Gmelch. Und genau das sei auch heute wichtig für das Ausüben der Religion. Die Rückbesinnung auf den Ursprung: „In der Wüste spielen Hierarchien eine nachgeordnete Rolle. Man hilft sich, man schaut auf sich.“ Schließlich verglich er die Wüstenerfahrung mit einem Zitat von Goethe: „Wer den Dichter verstehen will, muss in des Dichters Lande gehen.“ Daraus entstand der Titel seines Buches, denn Gmelch sagt: „Wer Jesus verstehen will, muss wie er in die Wüste gehen. Also: „Schickt die Bischöfe in die Wüste!“
Das Buch „Schickt die Bischöfe in die Wüste – Was eine Kirche in der Krise neu von Jesus lernen muss“ ist im Echter Verlag erschienen. Alle Infos zum Buch gibt es hier >>
Titelbild: Militärdekan Dr. Michael Gmelch hat sein Buch „Schickt die Bischöfe in die Wüste – Was eine Kirche in der Krise neu von Jesus lernen muss“ vorgestellt (© Universität der Bundeswehr München).