Die Universitätskirche der Bundeswehr in Neubiberg und ihre Fenster

Zwischen Erinnerung und Zukunft

 (Artikel aus der LuftwaffenRevue, 1. Quartal 2011, S. 14-16)

 

Norman Carl Gaddis wird im Jahre 1923 in Dandridge, USA, geboren. Noch während des 2. Weltkrieges, im November 1944, macht er in Williams Air Field, Arizona, USA sein militärisches Pilotenexamen. Er ist als amerikanischer Offizier und Pilot weder in Europa noch in Asien im Einsatz und wird im Oktober 1945 aus dem aktiven Dienst des amerikanischen Heeres entlassen.

Nach dem zweiten Weltkrieg verschärft sich die Konfrontation zwischen der UdSSR und den USA.  Im Februar 1949 tritt er deshalb erneut der neu gegründeten amerikanischen Luftwaffe bei und kommt wegen der Berliner Luftbrücke (23. Juni 1948 - 27. August 1949) nach Neubiberg in Bayern. Drei Jahre bleibt er an diesem Standort und kehrt im März 1952 zur Turner Air Force Base, Albany, Georgia in die USA zurück.

In seiner Zeit in Neubiberg wird die Kapelle auf der USAFE Base Neubiberg gebaut und am 24. Oktober 1949 findet ihr Richtfest statt. Die 86th Fighter Bomber Wing, zu der Gaddis gehört, begleitet die Transportflugzeuge aus Fürstenfeldbruck für die Luftversorgung von Westberlin als Jagdschutz in dem 35 km breiten südlichen Luftkorridor nach Berlin.

Amerikanische Flugzeuge sind seit dem 8. Juli 1945 in Neubiberg2 stationiert. Es ist die 357th Fighter Group, die von Leiston, Südengland in drei Wochen in die unmittelbare Nähe von München verlegt. Die „Yoxford Boys“3 sind eine der erfolgreichsten Jagdverbände der Amerikaner im Zweiten Weltkrieg.

Zuerst besetzt und befreit die 42. Infanterie (Rainbow) Division am 30. April 1945 mit dem 2. Bataillion und den Panzern der C- Kompanie um 23 Uhr den Fliegerhorst Neubiberg.

Um 6 Uhr am 1. Mai 1945 ist aus dem Fliegerhorst Neubiberg, die Amerikaner geben ihm während des 2. Weltkriegs den Codenamen R-85, das Kriegsgefangenen-Lager Unterbiberg mit 955 Unteroffizieren und Mannschaften sowie 71 Offizieren und etwa 500 Nachrichten- und Stabshelferinnen geworden. Unter den Gefangenen befinden sich auch Ungarn und Rumänen.

Das Luftwaffenpionierbatallion aus Erding baut 1949 für die US Air Force die Chapel Neubiberg. Im Zusammenhang mit der Luftbrücke werden, beginnend in Erding (1948), Neubiberg, Fürstenfeldbruck, Landsberg/ Lech und schließlich in Frankfurt/Main Kirchen für die amerikanische Luftwaffe gebaut. Die Kirche in Neubiberg hat jedoch als einzige diese prächtigen und farbenfrohen Glasfenster, die von einer oberbayrischen Kunstglaserei gefertigt werden. Die Hälfte der Kosten tragen die Soldaten. Vielleicht ist das die Idee der beiden Chaplains Pater Roman J. Schaefer und Harald T. Whitlock.

Diese 13 Fenster haben eine besondere Bildersprache. Den Eingangsbereich überwölbt ein halbrundes Fenster. In der Rundung findet sich ein Regenbogen. Dieser Rainbow erinnert einmal an Noah und bedeutet aber militärisch auch, dass aus allen Staaten der USA, Soldaten in Neubiberg Dienst tun.

Unter ihm befinden sich α und Ω, Anfang und Ende, gleichzeitig aber auch das Zeichen für das Headquarter. Im linken, kleinen Eingangsfenster ist die Lilie abgebildet. Sie ist Symbol für die Charity (Wohltätigkeit, Güte) und dem 86th Maintenance (Versorgung) Squadron gewidmet. Rechts gegenüber befinden sich 3 Rosen (tiefe Liebe, Ehre), die dem 86th Air Police Squadron zugeordnet sind.

Im Kirchenraum auf der linken Seite ist das erste von zehn großen Fenstern, von denen hier vier exemplarisch erklärt werden.

In dem Oktogon ist der siebenarmige Leuchter der Juden, die Menorah, eingefasst. Alle religiösen Symbole sind im Hauptraum mit diesem Achteck umgeben. Sie erinnern, dass das Neuiberger Geschwader zur 8. Luftwaffendivision gehört, dessen Hauptquartier zur damaligen Zeit in Wheelus Air Base in Lybien ist. Links unten im Menorahfenster ist das Symbol der 20th Air Division und rechts unten ist der Orden Purple–Heart abgebildet, den der erste amerikanische Präsident George Washington im Jahre 1782 den Soldaten widmet, die Kampf verletzt worden sind. Das Fenster wiederum haben die Angehörigen des 86th Maintenance Squadron mitfinanziert.

Dem jüdischen Symbol für die wenigen jüdischen Soldaten, die 1949 in Neubiberg dienen, folgt ein christliches Symbol. Ein Kreuz in dessen vier Sektoren in lateinischen Buchstaben das griechische Wort NIKA steht. NIKA heißt siegt! Christus siegt. Links unten ist das Symbol 15th Air Force Division. Rechts unten ist die Air Medal abgebildet, die durch den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt 1942 begründet wird. Die Soldaten des Headquarters und des entsprechenden Squadrons haben für das Fenster gesammelt.

Der Dekalog, als zentrales religiöses Symbol, teilt sich auf in die drei Gebote die das Verhältnis der Menschen zu Gott bestimmen und die sieben Gebote, die zwischen den Menschen gelten sollen. Links unten befindet sich das Symbol der 11th   Air Force. Rechts unten ist der Orden „The Distinguished Flying Cross“ dessen Rechtsgrundlage der Kongress der Vereinigten Staaten im Jahre 1926 schafft. Wie auch beim Halbrundbogen–Fenster des Eingangs, ist dieses Fenster dem Headquarter und dem Headquarter–Squadron zu geeignet. Dies nicht ohne sinnfälligen Grund. Das Kommando hat die Befehls- und Gebotsgewalt.

Im Neuen Testament braucht Jesus das Bild des Weinstocks für die Gemeinschaft mit ihm: „Ich bin der Weinstock und mein Vater ist der Weingärtner. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird weggenommen.“ (Johannes 15,1-8). Wie die Reben keine Frucht bringen können, es sei denn, sie bleiben mit der Kraft des Weinstocks verbunden, so auch die Jünger: Ihr Leben kann nur fruchtbar sein, wenn sie mit Christus verbunden bleiben. Links unten wird der Orden „Legion of Merit“ eingeführt durch den Kongress im Jahre 1942 legitimiert. Rechts unten ist das Wappen 10th Air Force abgebildet.

Die Universitätskirche der Universität der Bundeswehr ist einige der wenigen Kirchen in unserem Land, die keiner Konfession gehört. Ihr Eigentümer ist die Bundesrepublik Deutschland. Sie wird, wie auch die vielen anderen Gebäude in Neubiberg am 5. Mai 1958 in Anwesenheit des amerikanischen Generals Herbert B. Thatcher und des deutschen Generals Joseph Kammhuber vom zweiten Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland Franz-Joseph Strauß für die Bundeswehr übernommen.

Auf dem Gelände werden das Lufttransportgeschwader 61 (April 1958-April 1971), die Höhere Technische Schule der Luftwaffe (Mai 1958-1973), die Offiziersschule der Luftwaffe (September 1958-Juli 1977) und das Luftwaffenmusikkorps 1 (März 1959 bis heute) stationiert.

Am 1. Oktober 1973 nimmt die Hochschule der Bundeswehr München ihren Lehr– und Forschungsbetrieb auf. Nach Erteilung des Habilitations-und Promotionsrechts durch die Bayerische Staatsregierung am 1. Oktober 1981 wird aus der Hochschule die Universität der Bundeswehr München. Heute studieren etwa 3000 weibliche und männliche Offiziere in Neubiberg. Unter ihnen befinden sich auch zivile Studenten und aus vielen Ländern der Welt andere Offiziere.

Am 26. November 2010 wird die Universitätskirche, die ein halbes Jahr geschlossen war feierlich durch einen ökumenischen Gottesdienst der beiden Geistlichen Dr. Barbara Hepp und Dr. Anton Tischinger wiedereröffnet. Insbesondere die katholische Kirche hat mit über 200.000,00 Euro den Umbau finanziert.

Aus North Carolina reist Norman Carl Gaddis an. Er ist inzwischen pensionierter General der amerikanischen Luftwaffe und erinnert sich an das Weinstock-Fenster, das er mit anderen Kameraden 1949/1950 mit finanziert hat. Zu diesem Anlass enthüllt er im Universitätscasino eine Kopie eines Aquarells der amerikanischen Chapel Neubiberg, dass von John Pike im Jahre 1954 gemalt worden ist. Es ist ein Geschenk des Secretary of the Air Force aus Washington, DC.

Das Motto der Wiedereröffnung der Kirche am 26. November 2010 lautet: „Kirche lebt“.

 

Text: Volker Stanslowski

Bilder: Achim Schäfer

 

  1. Quelle: History of the 86th Fighter Wing, Period 1. Oct. Thru 31 Oct 1949 by : WM F. Barnard. Jr. MAJ. USAF, APO 407 USAF, 15. November 1949, page 2
  2. G. Soltau, Der Fliegerhorst Neubiberg, Im Spiegel der deutschen Luftfahrtgeschichte, 2005
  3. M. C. Olmstedt, C. E. Anderson, To war with the Yoxford Boys, Hamilton, Montana, 2004